Fallstudie: Banking & Capital Markets – Beratung eines FinTech-Unternehmens

Autor*innen
Wolfgang Ettengruber und Thomas Yassin Berrou
Drei junge Menschen, von denen zwei an einem Tisch sitzen und einer steht. Alle deuten auf eine Projektion einer Präsentation und scheinen darüber zu diskutieren.

Der Bereich Banking & Capital Markets ist eine ideale Einstiegsmöglichkeit für angehende Juristen. In der Fallstudie bekommst du einen ersten Eindruck davon, wie wirtschaftliche Hintergründe juristischer Fragestellungen aussehen können und welche Aufgaben und Herausforderungen dich erwarten.

Rechtsgebietsübergreifende Anwaltstätigkeit

Die Tätigkeit als Rechtsanwalt im Bereich Banking & Capital Markets bietet Einblick in verschiedene Branchen der Wirtschaft und Geschäftsmodelle von Unternehmen. Am Kapitalmarkt werden sowohl internationale Großbanken als auch Industrieunternehmen, Fonds und Staaten, aber auch mittelständische Unternehmen tätig, sei es als Intermediär oder als Emittent, der sich über die Kapitalmärkte finanzieren möchte.

Der Rechtsanwalt wird dabei zu Fragestellungen angesprochen, die verschiedenste Rechtsgebiete berühren. Neben speziellen bank- und finanzrechtlichen Vorschriften begegnen ihm regelmäßig anspruchsvolle Fragen aus dem allgemeinen Zivilrecht und dem öffentlichen Recht. Eine Wirtschaftskanzlei wie Clifford Chance wird für unterschiedliche Rollen mandatiert und berät bei Kapitalmarkttransaktionen auf wechselnden Seiten. Durch den regelmäßigen Perspektivwechsel gestaltet sich die Tätigkeit sehr abwechslungsreich. Hierzu gehören unter anderem die Erstellung von Gutachten, die den Entscheidungsträgern als fundierte rechtliche Grundlage für das weitere Vorgehen dienen.

Im fortgeschrittenen Stadium einer Transaktion erhalten die Rechtsanwälte den Auftrag, die Vertragsdokumentation anzufertigen oder Behördliche Verfahren zu betreuen. Trotz oder gerade wegen dieses umfangreichen Tätigkeitsgebiets haben sich im Bereich Banking & Capital Markets die Teams weiter spezialisiert. Das tägliche Geschäft als Rechtsanwalt erfordert gute Koordination und Teamworking Skills. Wichtig ist dabei stets, die wirtschaftlichen Hintergründe der juristischen Fragestellung zu verstehen und die eigenen Überlegungen auch einem Nichtjuristen nachvollziehbar darlegen zu können. Gleichzeitig muss beispielsweise in Verhandlungen mit Anwälten der Gegenseite auch eine äußerst präzise und umfassende juristische Diskussion geführt werden können.

W. Ettengruber [Quelle: Clifford Chance]

Wolfgang Ettengruber ist seit Januar 2018 Associate im Frankfurter Büro von Clifford Chance. Er studierte Rechtswissenschaften an der Universität Mainz und erwarb einen Master of Laws (LL.M.) an der Duke University School of Law (USA). Sein Rechtsreferendariat absolvierte er in Mainz, Speyer und New York. Wolfgang Ettengruber ist Mitglied der Rechtsanwaltskammern Frankfurt am Main und New York. Sein Schwerpunkt liegt im Bereich Bank- und Kapitalmarktrecht. Dabei spezialisiert er sich auf die Beratung von Emittenten und Emissionsbanken im Rahmen nationaler und internationaler Anleiheemissionen sowie Wandel- und Umtauschanleihen, Schuldscheindarlehen und Namensschuldverschreibungen.

T. Berrou [Quelle: Clifford Chance]

Thomas Yassin Berrou ist seit Mai 2017 Associate im Frankfurter Büro von Clifford Chance. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen im Bereich Bank- und Kapitalmarktrecht sowie Bankaufsichtsrecht. Thomas Yassin Berrou berät vorwiegend Großbanken, globale Konzerne und Dienstleister bei strukturierten Finanzierungen und zu aufsichtsrechtlichen Fragestellungen und Compliance-Themen. Er hat an der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover studiert. Das Referendariat absolvierte er unter anderem am Landgericht Hannover sowie bei Clifford Chance in Frankfurt am Main.

Aufbau einer Kreditplattform auf Basis einer Kryptowährung – Gutachten zur aufsichtsrechtlichen Zulässigkeit

Eine besonders anspruchsvolle Tätigkeit für einen Rechtsanwalt im Bereich Banking & Capital Markets bietet die Beratung von Unternehmen aus dem Bereich der Finanztechnologie (FinTech). Neben neuen Produkten, Vertriebs- und Beratungskonzepten haben von diesen Unternehmen entwickelte Lösungen regelmäßig den Anspruch, die Transaktionskosten im Vergleich zu etablierten Angeboten in der Banken- und Finanzbranche zu senken. Die neuartigen Geschäftsmodelle und technischen Lösungen treffen allerdings auf Rechtsvorschriften, die nicht selten vor Jahrzehnten erlassen worden sind. Auch wenn das deutsche Recht für aktuelle Entwicklungen teilweise überraschend offen ist, fordern die FinTechs von dem beratenden Rechtsanwalt oft eine besondere Transferleistung.

Als Praxisbeispiel soll die Anfrage einer Investmentbank im Vorfeld der Etablierung einer Finanzierungsplattform dienen. Der Mandant wollte zunächst verstehen, ob für das Geschäftsmodell der Plattform Erlaubnisse durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) notwendig sind. Die Plattform beabsichtigte eine Vermittlung von direkten Darlehen zwischen Unternehmen und Investoren. Um weitere Währungsumtauschkosten zu sparen und die Darlehen nahezu in Echtzeit auszahlen zu können, sollten die Darlehen in einer eigens dafür entwickelten Kryptowährung abgewickelt werden.

Grafik, die die Zusammenhänge zwischen Produkt und Investor in der geplanten Crowd-Lending Plattform darstellt [Quelle: Clifford Chance]

Zunächst wurden in einem Mandantengespräch der Sachverhalt und die Anforderungen abgestimmt. Im zweiten Schritt folgte die juristische Recherche. Dabei konnten auch Referendare und wissenschaftliche Mitarbeiter unterstützend tätig werden. Dem Rechercheauftrag ging eine ausführliche Besprechung der Fragestellung voraus. Der Sachverhalt und die Problemschwerpunkte wurden besprochen und bereits erste Gestaltungsideen zusammengetragen.

Bei der rechtlichen Beurteilung wurden gesetzliche Bestimmungen fast aller Rangstufen relevant, von unionsrechtlichen Verordnungen und Richtlinien bis zu Verwaltungsvorschriften. Hier seien insbesondere die Veröffentlichungen der BaFin bzw. der European Banking Authority (EBA) erwähnt. Die jeweilige Behörde äußert darin, wie zahlreiche Vorschriften aus ihrer Sicht auszulegen sind. Daneben mussten natürlich Gerichtsentscheidungen sowie wissenschaftliche Ausführungen gewürdigt und berücksichtigt werden.

Nach der Besprechung des Konzepts für das Gutachten wurde ein erster Entwurf erstellt. Hier konnten die Referendare und wissenschaftlichen Mitarbeiter der anwaltlichen Tätigkeit sehr nah kommen und bei der Erarbeitung einzelner Abschnitte unterstützen.

Als Ergebnis erhielt der Mandant eine Antwort auf die von ihm gestellten Fragen in Form eines Gutachtens mit einer rechtlichen Bewertung des Vorhabens.

Refinanzierung der Kreditplattform über eine Verbriefung

Die Begutachtung einer Rechtsfrage taucht überwiegend im Rahmen größerer Projekte auf. Reizvoll dabei ist, dass man als Rechtsanwalt nicht nur juristische Probleme begutachtet, sondern aktiv an der Umsetzung eines Projektes mitwirkt. Die oben bereits erwähnte Finanzierung der Kreditplattform sollte durch eine Verbriefung der Forderungen aus den Darlehensverträgen erfolgen. In Grundzügen hat eine Verbriefungstransaktion folgenden Aufbau:

Grafik, die die im Text beschriebene True-Sales-Transaktion darstellt. [Quelle: Clifford Chance]

Eine klassische Unternehmensanleihe bildet im Grundsatz die Bonität eines gesamten Unternehmens ab. Bei einer Verbriefung werden im Gegensatz dazu Schuldverschreibungen emittiert, die grundsätzlich den Cash-Flow und die Bonität einer Menge einzelnen Forderungen gegen eine Vielzahl von Schuldnern abbilden. Durch die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens (Originator) entstehen Forderungen gegen die Kunden des Unternehmens. Diese Forderungen haben häufig längere Zahlungsziele oder sind auf wiederkehrende Leistungen gerichtet (in diesem Beispiel die Darlehensraten).

Für die Verbriefung tritt das Unternehmen diese Forderungen an eine Zweckgesellschaft (Special Purpose Vehicle – SPV) ab. Von dem SPV werden anschließend Anleihen begeben. Der Emissionserlös wird als Kaufpreis für die Forderungen an das Unternehmen gezahlt. Begleichen die Kunden des Unternehmens die Forderungen, reicht das SPV diese Zahlungen als Zinszahlung auf die Anleihen an die Anleger weiter. In dieser Struktur kann das  Unternehmen sofort Liquidität erlangen, indem es eine Vielzahl von Forderungen an eine Vielzahl von Anlegern verkauft, ohne die Forderungen einzeln abtreten zu müssen.

Dementsprechend sollten die Darlehensraten aus der Kreditplattform verbrieft werden. Für den Erfolg einer Verbriefung ist entscheidend, dass die Forderungen wirksam an das SPV abgetreten werden können und diese Abtretung auch im Falle der Insolvenz des Unternehmens bestand hat (Insolvenzfestigkeit). Denn nur dann sind die Anleger bereit, in Anleihen des SPV zu investieren und an dem Risiko des Forderungsportfolios zu partizipieren. Im Gegensatz zu Unternehmen mit operativem Geschäft hat das SPV außer den Forderungen kein relevantes eigenes Vermögen. Wenn wesentliche Aspekte des Geschäftsmodells des Originators auf FinTech und Kryptowährungen basieren, erhöht sich die Komplexität nochmals.

Darüber hinaus bildet die Emission der Schuldverschreibungen ein umfangreiches Aufgabenfeld für einen Rechtsanwalt. Ist ein öffentliches Angebot oder ein Börsenlisting der Schuldverschreibungen geplant, muss ein Wertpapierprospekt erstellt werden, der anschließend durch die zuständige Aufsichtsbehörde gebilligt wird. Schließlich müssen die Rechtsbeziehungen zwischen allen Beteiligten vertraglich fixiert werden. Vielfach erhält eine Transaktion außerdem über den Sitz des SPV oder anderer Transaktionsparteiennoch eine grenzüberschreitende Komponente.

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Fazit

Die Tätigkeit im Bereich Banking & Capital Markets zeichnet sich durch eine selbstbestimmte Arbeitsweise aus. Sowohl als Berufseinsteiger als auch als Referendar oder wissenschaftlicher Mitarbeiter gewinnt man schnell unmittelbare Einblicke in die wirtschaftlichen Hintergründe juristischer Fragestellungen. Entsprechend der Relevanz einer soliden Finanzierung für die Unternehmen muss die anwaltliche Tätigkeit in diesem Bereich sehr sorgfältig erfolgen. Durch die zahlreichen Aufgabenfelder gestaltet sich die Tätigkeit abwechslungsreich und spannend. Die Arbeit ist sehr eng mit dem Geschehen auf den Finanzmärkten und in der Realwirtschaft verknüpft. Nicht selten sind Transaktionen Gegenstand von nationalen und internationalen Nachrichten.

Die Breite und die Tiefe des Bereichs Banking & Capital Markets ist eine spannende und ideale Einstiegsmöglichkeit für angehende Juristen und Berufseinsteiger. In einem prägenden Wirtschaftszweig unserer Zeit besteht die Gelegenheit, das im Studium und Referendariat erworbene Wissen einzusetzen und die erlernten Fähigkeiten in einer vielfältigen und herausfordernden Spezialmaterie zu erproben und auszubauen.

Dieser Artikel ist erstmals in "Perspektiven für Juristen 2020" der Buchreihe e-fellows.net wissen erschienen

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