Erfolg von US-Kanzleien: 180.000 Pfund für Nachwuchsanwälte in London
- Marcus Jung

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Mit ihrem Geschäftsmodell und hohen Gehältern verändern amerikanische Kanzleien den Anwaltsmarkt in Großbritannien dauerhaft
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Die britische Rechtsbranche, mit einem Gesamtvolumen von 47 Milliarden Pfund im Jahr 2023 global einer der wichtigsten Märkte, steckt mitten in einem tiefgreifenden Wandel. Die Vormachtstellung der heimischen Wirtschaftskanzleien, allen voran der "Elitefirmen" in London, löst sich zunehmend auf. Zwar zählen britische Großkanzleien wie Linklaters, Clifford Chance oder Freshfields weiterhin zu den umsatzstärksten Einheiten und sind häufig auch die größten Arbeitgeber für Wirtschaftsanwälte in Großbritannien. Doch die US-Konkurrenz - allen voran die drei größten Kanzleien der Welt: Kirkland & Ellis aus Chicago, die Westküstenkanzlei Latham & Watkins sowie die transatlantische DLA Piper - ist in diese Phalanx eingebrochen.
Wie die jüngsten Analysen von "Law.com" zeigen, arbeiten die meisten US-Anwälte in London zudem mit einer deutlich höheren Produktivität als ihre britischen Wettbewerber. Dafür hat der Branchendienstleister die Umsätze und wichtigsten Finanzkennzahlen der in Großbritannien aktiven US-Kanzleien mit den Daten britischer Großkanzleien verglichen. Bei Letzteren lagen diese teilweise wegen des Endes des britischen Geschäftsjahres zum 30. April noch nicht vor. Dennoch lässt sich im Vergleich der umsatzstärksten Kanzleien ein Muster erkennen: An der Marktspitze konnten nahezu alle Kanzleien ein zweistelliges Umsatzwachstum vermelden. Isoliert betrachtet scheint der Markt damit weiterhin fest in der Hand der "Magic Circle"-Kanzleien zu sein. Der Kreis der fünf einflussreichsten Sozietäten besteht aus Linklaters, Clifford Chance, Freshfields, Slaughter and May sowie der seit Mai 2024 fusionierten A& O Shearman (ehemals Allen & Overy). Auf den zweiten Blick werden diese jedoch von Kirkland & Ellis, die 2024 um 22 Prozent auf nun 860 Millionen Pfund Umsatz zulegte, und weiteren US-Kanzleien im Wachstum deutlich überholt.
Noch deutlicher wird die Entwicklung, wenn man sich den Umsatz je Anwalt anschaut. Diese Finanzkennzahl sagt viel über die wirtschaftliche Robustheit und die Qualität der Mandatsarbeit einer Kanzlei aus. In diesem Bereich liegen die US-Kanzleien deutlich vor der britischen Konkurrenz. Im Fall von Paul Weiss erwirtschaftete jeder Berufsträger im Jahr 2024 zwei Millionen Pfund. Mit Simpson Thacher & Bartlett und Milbank folgen weitere bekannte amerikanische Kanzleien. Die bestplatzierten britischen Kanzleien, Freshfields sowie Slaughter and May, folgen erst mit Abstand.
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Die Dominanz amerikanischer Anwälte in dieser Kategorie - die in Deutschland vergleichbar ist - basiert auf mehreren strategischen Entscheidungen. Den US-Kanzleien gelingt es, auch in der Ferne ihre hohen Stundensätze bei ihren Mandanten durchzusetzen. Hinzu kommt, dass diese Kanzleien sich im Regelfall auf das hochpreisige Geschäft mit Transaktionen und öffentlichen Übernahmen (M& A), komplexen Restrukturierungen und Kapitalmarktrecht konzentrieren. Kommt es daneben zu fachspezifischen Fragen, etwa zum Arbeits- oder Steuerrecht, wird dieser Teil häufig an britische Einheiten ausgelagert. So verhindern die amerikanischen Kanzleien außerdem ein ungeordnetes personelles Wachstum.
Insbesondere in London ist die Präsenz amerikanischer Kanzleien kein aktuelles Phänomen. Seit Jahrzehnten begleiten US-Anwälte ihre Mandanten an diesem wichtigen Börsen- und Finanzplatz. Zudem diente London von den Achtzigerjahren an vielen als Brückenkopf für ihre internationale Expansion nach Zentral- und Osteuropa. Doch im vergangenen Jahrzehnt haben die auf Transaktions- und Kapitalmarktrecht fokussierten Einheiten aus Amerika den Markt tiefer durchdrungen. Partner anderer internationaler Großkanzleien erkennen an, wie viel die US-Sozietäten vor Ort in umsatzstarke britische Anwälte und gut ausgebildete Nachwuchsjuristen investiert haben. Auf Nachfrage werden Namen wie Paul Weiss, Sidley Austin oder eben wieder Kirkland & Ellis genannt.
Diese Kanzleien geben mittlerweile auch den Takt im Markt der Arbeitgeber vor. Jahrelang galten 100.000 Pfund als Schallmauer für das Gehalt von "Newly Qualified Lawyers", also den Berufsanfängern in Wirtschaftskanzleien. Doch im Wettbewerb um die herausragenden juristischen Talente haben die amerikanischen Einheiten diese Summe längst amortisiert. Mehrere US-Einheiten zahlen nun bis zu 180.000 Pfund zum Berufseinstieg - die britischen Sozietäten haben sich lange geweigert, an dieser Preistreiberei teilzunehmen. Mittlerweile erhalten Junganwälte auch außerhalb des "Magic Circle" bis zu 140.000 Pfund im ersten Berufsjahr.
Seit einigen Jahren profitieren amerikanische Kanzleien von der starken Nachfrage von Private-Equity-Häusern und Finanzinvestoren, die in Großbritannien und Europa Vermögenswerte zukaufen. Das Geschäft boomt: Laut der Nachrichtenagentur Bloomberg haben ausländische Investoren seit dem Frühjahr 2024 mehr als 140 Milliarden Dollar für die Übernahme britischer Unternehmen investiert - ein Zuwachs von mehr als zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr. "Wir gehen davon aus, dass das Interesse an Übernahmen im Vereinigten Königreich weiter anhalten wird", sagte Patrick Sarch, der von London aus zu Firmenübernahmen berät, jüngst Bloomberg. Sarch, dessen US-Kanzlei White & Case im Jahr 2024 in London den Umsatz um mehr als 21 Prozent steigerte, begründete dies mit häufig internationalen Geschäften und gut abgesicherten Einnahmen der britischen Übernahmeziele.
Damit gewinnen auch Private-Equity-Fonds auf dem britischen Rechtsmarkt an Bedeutung. Welche Auswirkungen dies schon jetzt auf die wirtschaftlichen Erwägungen in Kanzleien hat, zeigt eine Erhebung der Beratungsgesellschaft Lubbock Fine. Demnach ist die Zahl der Kanzleifusionen sowie die Übernahme kleinerer Anwaltsbüros durch größere Einheiten im Jahr 2024 um 25 Prozent zurückgegangen. Die Konsolidierung der Branche stockt, da immer mehr Partnerschaften in Kanzleien mit besseren Angeboten von Finanzinvestoren rechnen. Da gleichzeitig die Sozialabgaben für Arbeitgeber in Großbritannien gestiegen sind, steigt der Handlungsdruck in den Kanzleien. Sie könnten sich zeitnah nach geeigneten Käufern umsehen, so die Ansicht von Beratern. "Das Interesse von Private-Equity-Häusern an Investitionen in Anwaltskanzleien ist gestiegen, insbesondere bei Kanzleien mit einem hohen Anteil an Mandanten", wird Mark Turner von Lubbock Fine vom Nachrichtenportal "City A.M." zitiert.
Im Gegensatz zu Deutschland, wo man nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs weiter am Fremdbesitzverbot für Anwaltskanzleien festhält, ist in Großbritannien der Einstieg von Investoren in Sozietäten möglich. Die Kapitalgeber sind vor allem an wiederkehrenden Einnahmen interessiert, und die gibt es im Massengeschäft und in fachlich breit aufgestellten Praxen. Dass ein solches Investment sinnvoll sein kann, zeigt das Beispiel der britischen Großkanzlei DWF. Sie wurde 2023 von dem Private-Equity-Haus Inflexion gekauft, das umgehend das Delisting der damals börsennotierten Kanzlei veranlasste. Zuletzt meldete DWF ein deutliches Umsatzwachstum: Mit 435 Millionen Pfund gehört die Kanzlei zu den 20 umsatzstärksten Einheiten des Landes.
Die größten Wirtschaftskanzleien in Großbritannien
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