Arbeitseffizienz: "Der Mehrwert ist nicht nur null, er ist im Minusbereich"
- Isabel Fisch, Marie Rövekamp und Wiebke Howestädt

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Mails ausdrucken, Meetings absitzen und dem Chef erzählen, welches Lama man heute ist: Acht Angestellte erzählen, wie sie ihre wertvolle Arbeitszeit verschwenden müssen.

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Morgens kommt eine E-Mail an, mittags wird sie ausgedruckt, damit der Chef sie lesen kann, kurz darauf diktiert er die Antwort, die wiederum abgetippt und dann digital verschickt wird. Klingt verrückt, aber genauso beschreibt die ehemalige Sekretärin Claudia Lohmann* ihren früheren Arbeitsalltag. Dieser frustrierte sie so, dass sie letztendlich sogar kündigte. Denn auf ihren Wunsch, effizienter arbeiten zu wollen, ging niemand ein. "Da fragt man sich irgendwann, wofür das alles gut ist. In meinem Fall war die Antwort klar: für nichts", sagt sie.
Wie Lohmann müssen viele Angestellte unnötige Aufgaben erledigen, die sie vom eigentlichen Arbeiten abhalten. Laut einer Studie der Unternehmensberatung Deloitte haben 68 Prozent der Beschäftigten zu wenig Zeit, um sich auf ihre wesentlichen To-dos zu konzentrieren. Fast die Hälfte ihres Arbeitsalltags verbringen sie stattdessen mit sinnlosen Tätigkeiten.
Besonders ineffizient wird es, wenn Mitarbeiter in sinnlosen Konferenzen sitzen – so wie der Projektmanager Matz Schulze*. Er ist regelmäßig in sogenannten Updatemeetings, in denen der jeweilige Projektfortschritt besprochen werden soll. "Klingt sinnvoll, aber in Wahrheit sitzen da nur viele Leute zusammen, teilweise sogar bis zu drei Stunden, und niemand weiß, was besprochen werden soll", sagt Schulze. Das Meeting habe keine Agenda, niemand bereite sich darauf vor, und am Ende gebe es meistens kein Ergebnis.
Schulze könnte seine Arbeit ohne solche Zeitfresser in sechs statt acht Stunden am Tag schaffen, sagt er. In Zeiten des Fachkräftemangels – vielerorts fehlt Personal und einige Politiker fordern, dass in Deutschland mehr gearbeitet werden sollte – wäre das besonders wichtig. Sollte es also in der Debatte eher um die Frage gehen, wie effektiver und produktiver gearbeitet werden könnte?
Die ZEIT hat mit acht Angestellten über die Arbeitszeitverschwendung in ihren Jobs gesprochen. Sie berichten, was überflüssige Aufgaben mit ihrer Motivation machen und wie ihre Vorgesetzten reagieren, wenn sie das thematisieren. Klicken Sie auf ein Zitat, um die ganze Geschichte zu lesen.
"Diese Arbeit fühlt sich sinnlos an"
Ich arbeite bei einem Bildungsanbieter und organisiere Präventionsveranstaltungen für Jugendliche. Wir bekommen Aufträge von Ministerien und Behörden – und deren Vorgaben frustrieren mich oft.
Vor jeder Veranstaltung brauchen wir unterschriebene Einverständniserklärungen – immer von beiden Eltern. Wehe, es fehlt ein Datum! Anschließend tragen wir alle Personen – sortiert nach Klasse und Geschlecht – in endlos lange Listen ein. Für ein Event mit 2.000 Jugendlichen sitzt eine Kollegin zweieinhalb Tage ausschließlich daran. Wie absurd, zumal das nicht einmal fälschungssicher ist.
Diese Arbeit fühlt sich sinnlos an. Besser wäre es, stichprobenartig zu prüfen, ob wir uns an alle Vorschriften halten. Wir organisieren zwölf bis 15 Projekte im Jahr. Manche sind so verwaltungsaufwendig, dass eine Kollegin wochenlang alleine mit der Bürokratie beschäftigt ist. Sie muss zum Beispiel ständig dokumentieren, wer was genau macht und wie lange.
Das schafft vielleicht Jobs, aber ist total ineffizient und macht Projekte wahnsinnig teuer. Noch nie hat eine Behörde bei uns angerufen und gesagt: "Wissen Sie was? Wir haben gemerkt, dass es die Tabelle gar nicht braucht." Stattdessen gibt es immer mehr Auflagen. Schließlich kommt noch der logistische Aufwand hinzu: Alle Dokumente müssen wir postalisch versenden. Digitale Signaturen und E-Mails werden nicht akzeptiert.
Klar ist man manchmal froh, wenn man einen Tag lang nicht viel nachdenken und bloß Formulare ausfüllen muss. Doch, wenn wir viel zu tun haben und obendrauf diese stumpfen Listen ausfüllen müssen, sind meine Mitarbeitenden unzufrieden. Das verschlechtert die Stimmung.
– Yvonne Herbst*, 36, Projektmanagerin
"Wir vergeuden unsere Zeit mit privaten Fragen"
In der Firma, für die ich arbeite, gibt es drei fest angestellte Coaches. Sie bestimmen maßgeblich unsere Unternehmenskultur. Das führt oft zu merkwürdigen Meetings. Jeden Tag stellt mein Vorgesetzter uns in der Runde eine andere Einstiegsfrage, zu der die Coaches ihn angeregt haben. Etwa: "Wann hast du das letzte Mal herzhaft gelacht? Oder welche Cartoonfigur wärst du gerne?" Eine halbe Stunde dauert es, bis alle einmal dran waren.
Noch absurder war es, als wir bei Besprechungen Fotos von Lamas mit unterschiedlichen Gesichtsausdrücken vorgelegt bekamen. Welches Lama seid ihr heute? Das sollten wir ernsthaft beantworten. Mich und andere Kollegen hat das so gestört, dass die Coaches sich was anderes überlegt haben. Jetzt vergeuden wir unsere Zeit mit privaten Fragen.
Dazu kommt einmal im Monat ein größeres Teammeeting mit den Coaches, in dem wir unsere Projekte reflektieren. Auch hier dominieren irrelevante Fragen, wie zum Beispiel: "Welchen Pizzabelag mögt ihr am liebsten?" oder "Was war eure erste CD?"
Ich würde das gerne kritisieren und formal ist das auch erwünscht, aber eigentlich nicht. Leidet jemand zum Beispiel unter einer zu hohen Arbeitslast, wird zurückgefragt: "Was hast du selbst zu der Situation beigetragen?" Das wirkt auf mich wie eine Psychotherapie, die ich privat seit Jahren mache, aber doch nicht unter Kollegen will.
Paradoxerweise führen diese Fragen nicht dazu, dass ehrlich gesprochen, sondern viel geschwiegen wird. Am Ende sollen wir dann auch noch erzählen, was wir aus dem Meeting mitgenommen haben. Manchmal hat eine Führungskraft mal keine Frage vorbereitet, weil sie zu viel Stress hatte. In den Gesichtern der anderen sehe ich dann, wie erleichtert alle sind. Ich bin froh, dass ich nebenher selbstständig bin. Ohne diesen Ausgleich würde ich wahnsinnig werden bei diesem Dauerlächeln unserer Coaches.
– Anja Prange*, 36, Fotografin
"Zwei Stunden am Tag dokumentiere ich bloß, was ich tue"
Ich arbeite mit arbeitslosen Frauen und Männern. Morgens gebe ich Bewerbungstrainings und erkläre den Menschen, wie sie das Jobcenter-Portal nutzen. Wir analysieren ihre Stärken und Schwächen, besprechen ein gutes Auftreten. Nachmittags unterstütze ich Alleinerziehende bei Lebensproblemen, die sie von einem neuen Job abhalten. Oft geht es darum, einen Kitaplatz zu finden.
Normalerweise habe ich nachmittags zwei oder drei Termine, und wir haben immer eine Stunde pro Person. Das würde gut funktionieren, müssten wir nicht so viel für das Jobcenter dokumentieren. Nach jedem Gespräch halte ich fest: Wann hat der Termin angefangen? Wann hat er aufgehört? War die Person pünktlich oder nicht?
Ich notiere, dass jemand Probleme mit der deutschen Sprache hat oder seinen Lebenslauf mit mir aktualisiert hat. Jemand hat sich krankgemeldet? Dann drucken wir die Krankmeldung aus, unterschreiben sie, legen sie ab und schicken eine Kopie ans Jobcenter. Auch das kostet Zeit. Zwei Stunden am Tag dokumentiere ich bloß, was ich tue.
Müsste ich nicht alles aufschreiben, könnte ich mit einer hilfsbedürftigen Person mehr am Tag sprechen. Oder ich müsste kein Gespräch beenden, in dem sich ein verzweifelter Mensch öffnet. Das ist mir immer unangenehm.
Manche Kolleginnen schreiben parallel am Computer mit, aber das finde ich empathielos. Viele der Menschen, die vor mir sitzen, leben schon lange vom Staat. Wir wollen sie motivieren, aber demotivieren sie mit unnützem Kleinkram: Sie hatten Fahrtkosten zu dem Betrieb, was angesichts ihrer Adresse völlig logisch ist? Haben Sie sich das denn unterschreiben lassen? Hier ist das Formular!
Ich hoffe, dass all das überflüssig wird. Ich bin ein Fan von ChatGPT und wünsche mir, dass KI künftig Dokumentationspflichten übernimmt. Damit ich meine Arbeit machen kann.
– Katia Cosseddu, 39, Dozentin und Beraterin
"Ein Viertel meiner Arbeitszeit verbringe ich mit überflüssigen Aufgaben"
Ich bin Arzt in einer Uniklinik und schätze, dass ich knapp ein Viertel meiner Arbeitszeit mit eigentlich überflüssigen Aufgaben verbringe. Es ist Zeit, die ich mit organisatorischen Dingen verbringe oder brauche, weil unsere Technik nicht so modern ist.
Wir schreiben unsere Arztbriefe zum Beispiel noch in Word. Das ist zeitaufwendig, weil ich die Namen und Adressdaten sowie Befunde und Messergebnisse von Patienten und anderen Ärzten händisch eintippen muss.
Hinzu kommt: Viele andere Abteilungen arbeiten nicht mehr mit Word. Die haben keinen Zugriff auf die Dokumente, dann müssen sie eine Anfrage stellen, die ich dann wieder genehmigen muss.
Für so etwas gibt es eigentlich schon intelligentere Lösungen, die Zeit ersparen würden. Aber das setzt keiner um. Vermutlich wird sich das in den nächsten Jahren ändern, weil einige in Rente gehen und personelle Veränderungen anstehen. Aber wären wir moderner, könnte ich schon jetzt mehr Zeit meinen Patienten widmen.
Dadurch, dass wir klinikintern nicht so gut vernetzt sind und so unterschiedlich arbeiten, kommt es bei organisatorischen Dingen immer wieder zu Verzögerungen. Bin ich zum Beispiel in der Notaufnahme und fordere jemanden aus einer anderen Abteilung an, muss ich bei manchen ein zweites oder drittes Mal nachfragen. Herrscht Zeitdruck, sind das Dinge, die einfach nicht sein müssten. Es geht nämlich auch anders, das sehe ich bei unserer Anästhesie. Fordere ich da jemanden an, kommen die sofort.
Außerdem arbeiten wir noch nicht mit der elektronischen Patientenakte. Das kostet zusätzlich Zeit. Wir müssen Messergebnisse gesondert anfordern oder es werden Diagnostiken ein zweites Mal durchgeführt, weil man nicht weiß, dass die Daten eigentlich schon vorhanden sind. Die Technik kann heute schon so viel, aber wir arbeiten noch mit sehr althergebrachten Lösungen.
– Henning Grimm*, 34, Assistenzarzt
"Man fragt sich: Wofür habe ich das jetzt gemacht?"
Kennen Sie "Das Schloss" von Kafka? So fühle ich mich in der Verwaltung, in der ich arbeite. Ich arbeite überwiegend im Innendienst und bin dort intern und extern der Ansprechpartner, also auch für Bürgerinnen und Bürger, Firmen, Organisationen und andere Ämter. Das klingt sinnvoll, aber manchmal zweifle ich an der Sinnhaftigkeit meiner Aufgaben – besonders, wenn ich an die endlosen Exceltabellen denke.
Wir führen Tabellen über alles Mögliche, und zwar manuell. Die Ergebnisse können nicht durch eine Software ausgewertet werden, weil wir keine Lizenz dafür haben. Ich muss die Daten also eigenhändig in Excel eintragen. Ist alles eingepflegt, versandet die Tabelle in unübersichtlichen Ordnerstrukturen, irgendwo bei den anderen Tabellen, die irgendwann mal angelegt wurden.
Jüngst sollten wir zum Beispiel auswerten, wie gut die Zusammenarbeit mit staatlichen Organisationen funktioniert. Natürlich konnte das eine Tabelle zeigen – und was wird dann daraus? Ein Arbeitskreis! Das ist ja immer der Impuls: Wir besprechen uns. Das tun wir dann – ebenso ohne Struktur und ohne Resultat. Es gibt keine Schlussfolgerung, keine Lösung.
Meistens verschwindet das Besprochene wie die dazugehörige Tabelle irgendwo, bis es dann Monate später wieder Thema wird. Nichts ändert sich und man fragt sich: Wofür habe ich das jetzt gemacht? Der Mehrwert ist nicht nur null, er ist im Minusbereich. Das ist Arbeitszeitverschwendung.
Es ärgert mich, dass ich zu solchen Sachen verpflichtet bin. Oft erkenne ich schon am Anfang, dass eine Aufgabe keinen Sinn hat, und das ändert sich auch in den meisten Fällen nicht. Ich gebe dann auch Widerrede, frage, ob das wirklich sein muss oder es vielleicht auch anders geht. Doch das wird ignoriert oder damit begründet, dass man das ja schon immer so macht. Ich schätze, dass ich 15 bis 20 Prozent meiner Arbeitszeit vergeude.
– Timon Kaufmann*, 40, Sachbearbeiter
"Ohne unnötige Meetings schaffe ich meine Arbeit auch in sechs Stunden am Tag"
Ich arbeite als Projektmanager bei einem Dienstleister, der im Bereich Planung und Realisierung der Energiewende tätig ist. In meinem Job gibt es viele regelmäßige Updatemeetings. Eigentlich sind diese Treffen dazu gedacht, den Projektfortschritt zu besprechen und alle auf dem gleichen Stand zu halten.
Klingt sinnvoll, aber in Wahrheit sitzen da nur viele Leute zusammen, teilweise sogar bis zu drei Stunden, und es gibt keine klare Agenda. Denn niemand hat sich vorbereitet, am Ende gibt es oft kein einziges Ergebnis.
Dank dieser Meetings fehlt meinen Kollegen und mir die Zeit, um an wichtigen Aufgaben zu arbeiten. Statt konzentriert an technischen Lösungen oder Genehmigungsunterlagen zu arbeiten, verschwenden wir unsere Zeit in diesen Terminen. Das frustriert, weil ich genau weiß, dass die eigentliche Arbeit liegen bleibt. Wichtige Aufgaben werden teilweise in Überstunden erledigt, um den Rückstand wieder reinzuholen. Wenn ich die unnötigen Meetings weglasse, schaffe ich meine Arbeit auch in sechs anstatt acht Stunden am Tag.
Ich würde sehr gerne die Meetingkultur verändern und dafür sorgen, dass jedes Treffen eine klare Agenda hat. Dass jede Person gehen kann, wenn für sie alle relevanten Punkte besprochen wurden. Und dass wir endlich ein Protokoll der Runden bekommen, damit man nicht immer dabei sein muss.
Aber das durchzusetzen, ist schwierig. Viele sind einfach daran gewöhnt, dass diese Termine so laufen. Zudem gibt es in unserer Branche, wo viel Geld im Spiel ist, oft keinen Kostendruck, um Prozesse kritisch zu hinterfragen.
– Matz Schulze* 41, Projektmanager
"Jeden Montag schwafelt unser Chef eine Stunde lang von Restaurants"
Ich arbeite in der Postproduktion bei einem Filmstudio, kümmere mich also zum Beispiel um den Schnitt. Die größte Arbeitszeitverschwendung findet jeden Montag statt. Dann haben wir ein Meeting mit allen Mitarbeitenden, in dem unser Chef eine Stunde lang etwas schwafelt. Aber es hat eigentlich nie etwas mit Arbeit zu tun.
Er erzählt, in welchen Restaurants er so war, von seiner Tochter und was ihm sonst noch so im Kopf herumgeht. Aus dieser Runde habe ich so gut wie nie etwas Sinnvolles mitgenommen. Wir müssen dabei unsere Kameras anhaben, und man sieht an den Augen der Kollegen, dass sie meistens etwas anderes tun und zum Beispiel Mails lesen.
Ich habe auch das Gefühl, dass unsere Vorgesetzten ständig alles kontrollieren. Wir müssen von allen Meetings Protokolle fertigen. Die Chefs wollen auch regelmäßig Kennzahlen zu allen laufenden Produktionen haben. Dabei haben wir die eigentlich in einem System. Da steht, wie weit die Produktion ist, wie viel sie schon gekostet hat, eigentlich alles.
Ich weiß nicht, ob sie das Tool nicht bedienen können oder wollen, jedenfalls bekommen wir ständig Anfragen, dass wir Daten bitte rauskopieren und in eine Tabelle einfügen sollen. Und dann schauen sich die Chefs die Tabelle nach drei Wochen an und beschweren sich, dass die Daten veraltet sind. Die Vorgesetzten könnten die Daten selbst live betrachten, filtern und auswerten, aber wollen lieber, dass alles so bleibt, wie es ist. Daran etwas zu ändern, ist schwer. Niemand traut es sich, den Vorgesetzten zu sagen, dass das völlig unnötig ist. Das ist demotivierend, weil man ja eigentlich etwas bewegen will.
– Tim Neubauer*, 44, Cutter
"Ich habe immer wieder angesprochen, dass ich effizienter arbeiten will"
Ich habe bis vor Kurzem als Sekretärin gearbeitet. Für ein Paar – er Anwalt, sie Hausverwalterin, beide für eine wachsende Zahl an Wohnobjekten zuständig. Was mich frustriert hat, war die doppelte Dokumentation aller Vorgänge. Alles, was digital erfasst wurde, musste ausgedruckt und in farblich kodierten Mappen abgelegt werden.
Ich erhielt zum Beispiel eine E-Mail, druckte sie aus, legte sie dem Anwalt vor. Er diktierte mir seine Antwort. Ich tippte die E-Mail, druckte sie erneut aus, legte sie ihm zur Freigabe vor. Erst mit seiner Bestätigung durfte ich sie absenden. Ein digitaler Vorgang wurde also auf Papier vervielfacht, nur um anschließend wieder digital zu werden.
Dasselbe galt für die Arbeit mit den Hausverwaltungen. Jede Meldung – sei es Wasserschaden, Lärm, Rattenbefall – wurde digital eingetragen, anschließend gedruckt, abgeheftet und in eine rosafarbene Mappe gelegt. Nur wenn das Problem in dieser Mappe lag, wurde es bearbeitet. Einmal hatten wir keine rosa Mappen mehr. Das Ergebnis: Ein Rattenbefall blieb acht Wochen unbehandelt.
Ich habe immer wieder angesprochen, dass ich effizienter arbeiten will, aber das wurde mit dem Verweis abgelehnt, dass das schon immer so gemacht wurde. Mein Einwand wurde auch nicht ernst genommen, als die Zahl der Objekte, die wir betreuten, verdoppelt wurde. Mehr Häuser, mehr Beschwerden, mehr Mappen. Mir blieb nichts anderes übrig, als täglich stundenlang zu drucken und abzuheften.
Ein Teil des Problems war auch die Hierarchie. In der Kanzlei wurde zwischen den angesehenen Juristen und einfachen Angestellten unterschieden. Wer keinen Titel hatte, galt als ausführendes Organ – nicht als jemand, der mitdenken könnte.
Trotzdem habe ich versucht, Dinge anzustoßen, und konnte immerhin Kleinigkeiten verbessern, größere Umstellungen wurden aber abgeblockt. Und zwar aus Prinzip, denn es ging nicht darum, ob etwas sinnvoll war – sondern darum, wer den Vorschlag machte. Da fragt man sich irgendwann, wofür das alles gut ist. In meinem Fall war die Antwort klar: für nichts. Deshalb habe ich gekündigt.
– Claudia Lohmann*, 38, Sekretärin
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*Der Name wurde geändert, da die Person berufliche Nachteile befürchtet. Der richtige Name ist der Redaktion bekannt.
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