Karriere: In Zeiten von ChatGPT verlieren Bewerbungsschreiben an Bedeutung

Autor*innen
Franziska Telser
Zwei Hände, die aus technischen Geräten kommen, überreichen sich ein Dokument

Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass Jobsuchende ihre Anschreiben zunehmend mit KI erstellen. Worauf Personaler deshalb bei den Bewerbungsunterlagen nun besonders achten.

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Arbeitsproben suchen, Lebenslauf schreiben, Bewerbungsfoto machen: Jeder, der schon einmal auf Jobsuche war, weiß, wie anstrengend es ist, gute Bewerbungsunterlagen zusammenzustellen. Wovor es vielen besonders graust, ist das Anschreiben. Auf einer Seite sollen Jobkandidaten erzählen, warum sie für eine Stelle geeignet sind – möglichst überzeugend und ohne Floskeln.

Immer mehr Jobsuchende lassen ihr Anschreiben deshalb von Künstlicher Intelligenz verfassen. Das zeigt eine Studie des IT-Unternehmens Softgarden. Darin gaben knapp 19 Prozent der rund 3.800 befragten Bewerber an, KI für ihr Anschreiben zu nutzen. Weitere 42 Prozent können sich das vorstellen.

Eine Entwicklung, die auch den Personalabteilungen nicht verborgen geblieben ist. "Das Anschreiben hatte schon vor ChatGPT einen schweren Stand", sagt Inga Dransfeld-Haase, Präsidentin des Bundesverbands der Personalmanager (BPM). In Zeiten von Künstlicher Intelligenz verliere es nun weiter an Wert. Das Handelsblatt hat Personaler bekannter Arbeitgebermarken wie Bosch oder BMW gefragt, worauf sie nun stattdessen achten.

Darauf setzen Personaler von Bosch, KPMG oder BMW

Da ein Anschreiben durch Entwicklungen wie ChatGPT nur bedingt aussagekräftig ist, wird ein übersichtlicher Lebenslauf umso wichtiger, heißt es vom Technologiekonzern Bosch.

Dieser sollte antichronologisch aufgebaut sein und die aktuellen Aufgaben in den Vordergrund stellen: Womit hat sich jemand beschäftigt? Was hat er in den einzelnen Stationen erreicht? Welche Fähigkeiten bringt jemand mit und in welcher Leistung äußern sich diese?

Auch bei der Unternehmensberatung KPMG müssen Jobsuchende laut Chefrekruiterin Dagmar Zippel schon seit längerem nur einen Lebenslauf einreichen. Dieser sollte einfach gehalten sein und sich auf die wichtigen Punkte wie Ausbildung und relevante Berufserfahrung konzentrieren. Wichtig: KPMG achtet hier vor allem auf die fachliche Eignung, aber auch auf Vollständigkeit und Fehlerfreiheit. Tipper oder fehlende Angaben sollten also vermieden werden.

"Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Anschreiben schon vor KI vielfach austauschbar wirkten und wenig über den Menschen hinter dem Papier aussagen", sagt Zippel. "Für uns spielt vielmehr der persönliche Austausch im Interview eine entscheidende Rolle." Ihr Tipp: Anstatt sich auf eine vermeintlich perfekte Bewerbung von der KI zu verlassen, sollten Bewerber lieber authentisch bleiben und versuchen, mit ihrer Persönlichkeit zu überzeugen.

Eine klassische Bewerbungsmappe gibt es auch beim Autohersteller BMW nicht mehr. Bewerbungen werden nur noch online akzeptiert. Ein Anschreiben kann mitgeschickt werden, ist aber kein Muss. Stattdessen müssen Bewerber je nach Stelle vor dem eigentlichen Vorstellungsgespräch zum Beispiel in einem Videointerview Fragen beantworten oder einen Onlinetest absolvieren.

Viele andere Unternehmen handhaben es ähnlich – zum Teil auch, weil Talente schwerer zu finden sind und Arbeitgeber die Hürden für eine Bewerbung senken wollen. Denn, auch das zeigt die Softgarden-Studie, ein Anschreiben zu verlangen, schreckt viele Jobsuchende ab. Mehr als die Hälfte der Befragten sagte, dass sie sich eher auf eine Stelle bewerben würden, wenn kein Anschreiben verlangt wird.

Um attraktiv zu bleiben, sollten Unternehmen daher ernsthaft prüfen, ob sie nicht ganz darauf verzichten, wenn es für die Stelle nicht essenziell ist, rät BPM-Präsidentin Inga Dransfeld-Haase. "Ein Anschreiben ist nicht wichtig", sagt auch Kirsten Bildhauer, Personalverantwortliche für Europa, Lateinamerika und Asien beim Softwareunternehmen Celonis. Wenn aber eins dabei ist, sollte es auch gewissen Standards genügen. Gekünstelte Floskeln, sagt Bildhauer, würden keinen positiven Eindruck hinterlassen – ob nun KI am Werk war oder auch nicht.

Generell habe sie nichts dagegen, wenn jemand ChatGPT für seine Bewerbung nutzt. "Wenn das Anschreiben gut formuliert ist, zeigt es, dass das Gegenüber der KI zumindest die richtigen Fragen gestellt hat", sagt Bildhauer. Wichtig sei, dass das Anschreiben authentisch ist. So könne KI ruhig gute Formulierungen liefern, die Themen müssten aber auch passen. "Als Bewerber von KI sozial erwünschte Antworten schreiben zu lassen, die nichts mit mir als Mensch zu tun haben, fällt spätestens im Bewerbungsgespräch auf", so die Personalexpertin.

Bewerbungsvideos oder Jump-and-Run-Videospiele

Katharina Hain leitet den Bereich Education & Jobboard Services bei der Personalberatung Hays. Auch sie glaubt nicht, dass es einen schlechten Eindruck hinterlässt, wenn ein Bewerber KI für seine Unterlagen nutzt. Daran störe sich kein Personaler, sagt sie.

Allerdings glaubt auch Hain, dass das Anschreiben langsam ausstirbt. Wer dennoch zusätzlich zum Lebenslauf auf sich aufmerksam machen möchte, kann sich eine kreative Alternative einfallen lassen.

Je nach Job und Branche können laut Hein Bewerbungsvideos sinnvoll sein. Eine andere Möglichkeit seien grafische Basteleien oder ein selbst programmiertes Jump-and-Run-Videospiel, das den eigenen Werdegang darstellt. Wichtig sei jedoch, sich vorher zu überlegen, ob so etwas auch zum Unternehmen passt.

Der Lebenslauf, so Hain, bleibe aber das zentrale Dokument der Bewerbung, auf dem auch das spätere Vorstellungsgespräch aufbaue – und sollte deshalb in jedem Fall mitgeschickt werden.

Wie der perfekte Lebenslauf aussieht, weiß Karriereberater Johannes Junker vom Berliner Coaching-Institut Inqua. In der Regel suchten Personalchefs konsistente Karrierewege, messbare Ergebnisse und bestimmte Fähigkeiten. Ein Lebenslauf, sagt er, sollte deshalb nicht nur die Aufgaben, sondern auch die Erfolge in den jeweiligen Positionen betonen.

Sein Tipp: Den Lebenslauf auf die spezifische Position maßschneidern und mit aktiven Verben die eigenen Verantwortlichkeiten und Errungenschaften beschreiben. "Keywords, die zur Stellenbeschreibung passen, sind ebenfalls Gold wert", sagt er.

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