Bewerberschule mit Deloitte: 10 Fragen an Anja Fellenberg aus dem Recruiting

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Hand aufs Herz: Wie viel Bauchgefühl der Recruiter:innen entscheidet am Ende darüber, ob du einen Job bekommst? Und wie überzeugst du im Gespräch wirklich? Anja Fellenberg, Head of Talent Aquisition bei Deloitte, gibt ehrliche Einblicke in ihren Job und wertvolle Tipps für zukünftige Bewerber:innen.

Anja Fellenberg ist seit über 10 Jahren bei Deloitte tätig. Mittlerweile arbeitet sie als Head of Talent Aquisition am Düsseldorfer Standort und kümmert sich unter anderem um die Gewinnung neuer Talente.
Welche drei Dinge haben alle sehr guten Bewerber:innen gemeinsam?
- Eine proaktive Kommunikation, die klar, präzise und überzeugend ist.
- Fachspezifische und/oder kulturelle und branchenspezifische Fragen.
- Eine gute Darlegung, welche neue Herausforderungen der oder die Kandidat:in in der Position sucht.
Ich bin überzeugt, dass zukünftig Kompetenzen wie digitales Wissen, strategisches Denken und Networking-Fähigkeiten einen hohen Stellenwert einnehmen werden. Diese Kompetenzen prüfen wir schon heute im Recruiting-Prozess, um somit auf Megatrends wie digitale Transformation, New Work und den demografischen Wandel einzuzahlen.
Wenn Sie Bewerber:innen in Ihrem Unternehmen nur einen Tipp mit auf den Weg geben dürften, welcher wäre das?
Beim Lebenslauf gilt: Weniger ist mehr. Die für die ausgeschriebene Position relevanten Informationen sollten auf maximal zwei Seiten
untergebracht werden. Ich empfehle zudem, den Lebenslauf auf die konkrete Stelle anzupassen: Welche Skills werden gesucht? Welche kannst du anbieten und in welcher Station hast du diese bereits unter Beweis gestellt? Gib pro Station in deinem Lebenslauf maximal drei Stichpunkte an, um die Tätigkeit kurz und knapp zu beschreiben.
Wie finden Sie Bewerbungsunterlagen ohne Foto?
Wichtig – bei Deloitte fordern wir kein Bewerbungsfoto an. Damit setzen wir ein klares Zeichen für objektive Auswahlprozesse und gegen unbewusste Voreingenommenheit. Wer dennoch ein Foto einreichen möchte, kann das selbstverständlich tun – die Entscheidung liegt ganz bei den Talenten.
Wie halten Sie davon, wenn Bewerber:innen im CV ihre Fähigkeiten mit Skalen oder Punktwerten angeben? Ist das sinnvoll oder albern?
Es kann durchaus sinnvoll sein, Fähigkeiten mithilfe von Skalen oder Punktwerten anzugeben – insbesondere bei technischen oder fachlichen Kompetenzen wie Programmiersprachen, Tools oder Sprachkenntnissen. Diese Darstellung bietet eine schnelle Orientierung über das eigene Kompetenzniveau. Wichtig ist, dass die Skala nachvollziehbar ist (zum Beispiel Anfänger – Fortgeschritten – Experte) und idealerweise durch konkrete Beispiele oder Erfahrungen ergänzt wird.
Wie viel Künstliche Intelligenz setzt Deloitte bei der Prüfung von CVs ein?
Wir setzen KI gezielt ein, um den Bewerbungsprozess effizienter und fairer zu gestalten. Konkret unterstützt ein Matching-Algorithmus dabei, die Kandidat:innen mit passenden offenen Stellen zu verknüpfen – auch über die ursprünglich beworbene Position hinaus. Die finale Entscheidung über eine Einladung oder Absage liegt jedoch beim Recruiting-Team.
Wie gehen Bewerber:innen am besten mit Nervosität im Interview um? Kennen Sie Techniken, die funktionieren?
Nervosität vor einem Interview ist völlig normal – sie zeigt, dass einem etwas wichtig ist. Ein hilfreicher Perspektivwechsel: Ein Interview ist keine einseitige Prüfung, sondern ein gegenseitiges Kennenlernen. Nicht nur das Unternehmen entscheidet, ob jemand passt – auch die Talente prüfen, ob Team, Kultur und Aufgabe zu ihnen passen. Dieses Bewusstsein kann dazu beitragen, mit mehr Selbstvertrauen ins Gespräch zu gehen.
Zudem helfen einfache Techniken wie bewusstes Atmen, eine gute Vorbereitung auf typische Fragen und das Visualisieren positiver Gesprächsverläufe. Und vergiss nicht: Am Ende sitzen dir auch nur Menschen gegenüber.
Welche Themen eignen sich für den Smalltalk vor oder nach dem Interview am besten?
Smalltalk vor oder nach dem Interview hilft, die Anspannung zu lösen – sowohl für die Talente als auch für uns. Man entwickelt direkt eine Beziehungsebene untereinander. Der Klassiker wie die Frage nach der Anreise oder – im virtuellen Setting – nach dem aktuellen Standort, funktionieren immer gut. Auch neutrale Themen wie Wetter, aktuelle Ereignisse und Urlaubspläne schaffen eine angenehme Gesprächsatmosphäre. Wichtig ist, dass der Smalltalk authentisch bleibt und Raum für ein entspanntes Ankommen schafft.
Was sollten Bewerber:innen auf die berühmte Frage "Was sind Ihre Schwächen?" am besten antworten – und was auf keinen Fall?
Ich persönlich bin kein Fan der Frage, wenn diese so direkt gestellt wird. Im besten Fall kommen die Stärken und Schwächen im Verlauf des Interviews zu Sprache, zum Beispiel bei der Frage nach vergangenen Herausforderungen. Offene, reflektierte Antworten zeigen, dass sich Bewerber:innen mit sich und ihrem Handeln auseinandersetzen.
Bereite dich dennoch auf so eine Frage vor und überlege, an welchen Kompetenzen du selbst noch arbeiten möchtest und erkläre, warum. Letztlich geht es eher um Potenziale als um Schwächen!
Woran erinnern Sie sich nach einem Interview normalerweise am ehesten?
Am stärksten bleiben mir authentische Momente in Erinnerung – insbesondere, wenn Kandidat:innen konkrete Situationen schildern, aus denen sie etwas gelernt oder sich weiterentwickelt haben. Solche Erfahrungen machen Persönlichkeit und Haltung greifbar. Neben dem Auftreten sind es genau diese Geschichten, die im Kopf bleiben – weil sie zeigen, wie jemand denkt, handelt und reflektiert.
Wie viel Bauchgefühl ist dabei, wenn Sie über eine Zu- oder Absage entscheiden?
Bauchgefühl sollte keine Entscheidung beeinflussen. Unsere Entscheidungen basieren auf der fachlichen Eignung für die jeweilige Position. Dafür nutzen wir strukturierte Interviewleitfäden mit klar definierten Bewertungskriterien, die eine objektive Einschätzung ermöglichen.
Zusätzlich absolvieren unsere Interviewer:innen Schulungen zur Interviewführung und zur Vermeidung von Unconcious Biases, um unbewusste Voreingenommenheiten zu erkennen und zu vermeiden. So stellen wir sicher, dass jede Entscheidung fair, nachvollziehbar und kompetenzbasiert getroffen ist.