Doktortitel: Lohnt sich die Promotion noch?

Autor*innen
Isabel Fisch
Mensch steigt auf Leiter zu einem Buch auf

Ein Doktortitel ist prestigeträchtig, aber bedeutet jahrelangen Stress. Experten erklären, in welchen Fächern sich das finanziell und beruflich lohnt – und wann nicht.

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So ein Doktortitel vor dem Namen sieht schon ziemlich schick aus, keine Frage. Doch Promovieren ist mühsam, dauert je nach Fachrichtung bis zu fünf Jahre. Dadurch kann der Abschluss teuer werden, denn in all den Jahren können viele Promovierende nur in Teilzeit oder gar nicht arbeiten. Dennoch promovieren aktuell 205.000 Menschen in Deutschland. Und viele davon stellen sich, besonders in anstrengenden Zeiten, die Frage: Lohnt sich das?

Für Axel Plünnecke jedenfalls war seine Promotion das, was ihm letztendlich viele Optionen eröffnete, sagt er. Heute forscht der Volkswirt am Institut der deutschen Wirtschaft zu Bildung, Innovation und Migration. "Ob sich eine Promotion lohnt oder nicht, lässt sich nicht pauschal sagen. In vielen Fachbereichen und wenn man flexibel bleibt, lohnt sie sich aber häufig."

Promovierte sind oft Spitzenverdiener

Fakt ist: Promovierte gehören zu den Spitzenverdienern. In Deutschland haben Menschen mit einem Doktortitel ein Bruttoeinkommen von durchschnittlich 8.687 Euro im Monat – also knapp doppelt so viel wie der Durchschnittsverdiener. Auch im Vergleich zu Masterabsolventen stehen Promovierte gut da – laut dem Karriereportal Stepstone erhalten sie beim Karriereeinstieg jährlich 10.000 Euro mehr. Das heißt: Mit Doktortitel verdient es sich schon direkt nach dem Abschluss besser.

Das liegt vor allem daran, dass Promovierte häufiger in Führungspositionen landen. Pascal Heß, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und Leiter der dortigen Arbeitsgruppe Ausbildung sagt: "Promovierte übernehmen oft interessantere Tätigkeiten. Allein dadurch sind sie häufiger mit ihrer Arbeit zufrieden." Sie hätten außerdem die sichereren Jobs, seien selten und wenn überhaupt nur kurz arbeitslos. "Besonders Frauen profitieren von einer Promotion, da sie in der Privatwirtschaft eher Führungspositionen erhalten." Nicht umsonst sind 48 Prozent aller Promovierenden Frauen.

Manchmal geht es ohne Promotion nicht

Ob sich die lange Promotion finanziell und beruflich lohnt, hängt allerdings von der jeweiligen Fachrichtung ab. In den Bereichen, in denen am häufigsten promoviert wird, sind hohe Gehälter keine Überraschung – Jura und Medizin. Ärzte müssen, entgegen der Meinung vieler, nicht promovieren. Wer sich niederlassen will, schließt trotzdem oft den Doktor an. Juristen müssen ebenfalls nicht promovieren, aber wenn sie es tun, können sie sich einfacher spezialisieren und dementsprechend höhere Stundensätze verlangen.

"Vor allem Ärzte oder Anwältinnen, die sich selbstständig machen, profitieren von der Reputation, die eine Promotion mit sich bringt", sagt Plünnecke. Auch angestellte Ärzte, die etwa an einer Uniklinik arbeiten, können sich kaum vor dem Promovieren drücken, immerhin forschen sie viel und führen Studien durch. 

Das sei auch in anderen Fächern wie Geschichte, Politikwissenschaft oder Literaturwissenschaft der Fall. Wer dort in die Forschung will, kommt nicht umhin, zu promovieren. Vor allem sei das unerlässlich für alle, die nicht nur wissenschaftliche Mitarbeiter, sondern Professoren sein wollen. Diese Stellen sind hart umkämpft, oft befristet und richten sich ausschließlich an Promovierte.

"Trotzdem sind Professuren attraktiv – es ist die Kombination von Freiheit, dem Spaß am Thema und einem guten Gehalt, das viele reizt", sagt Plünnecke. Aber der Weg zum Uniprofessor sei hart und schwierig.

Wo sich die Promotion besonders lohnt

Dennoch wird ein promovierter Historiker oder Politikwissenschaftler wahrscheinlich ein niedrigeres Lebenseinkommen haben als ein Ingenieur mit Masterabschluss, sagt Plünnecke. Denn der verdient in der Industrie nicht nur mehr, er startet auch einige Jahre früher in den Job. Doch im Vergleich zu Masterabsolventen in ihrem Fachbereich stehen Promovierte finanziell meistens besser da.

Die Fachbereiche IT und Naturwissenschaften bieten da die höchsten Gehaltssteigerungen – mit dem Doktortitel sind bis zu 30 Prozent mehr drin. In der freien Wirtschaft kann man hier, wie in vielen anderen forschungsbasierten Bereichen, am meisten von einem Doktortitel profitieren. Dazu zählen auch die Pharma- oder Chemiebranche.

Dass in einigen Fächern wie Geisteswissenschaften ein Doktortitel nur dann sinnvoll ist, wenn eine universitäre Karriere angestrebt wird, hält Plünnecke aber für einen Trugschluss. Auch in der freien Wirtschaft sei das Gelernte durchaus vorteilhaft. Mit einer Promotion vertieft man nicht nur sein Wissen in einem bestimmten Thema.

Vor allem erwerbe man Skills, die in Zeiten von KI, von Fake-News und rasanter technischer Entwicklung zunehmend wichtiger werden: Die Fähigkeit, mit Informationen zu arbeiten, diese auf ihre Qualität einschätzen zu können, fundierte Quellen zu erkennen, sich durchzubeißen, sagt Plünnecke.

"Das sind alles Dinge, die in Zukunft im Job immer wichtiger werden. Es sind zentrale Fähigkeiten, die man in seinem Lebenslauf auf jeden Fall betonen sollte." Es gehe also oft nicht nur um die fachliche Kompetenz, die man mit einer Promotion erwirbt, sondern um die methodische, sagt Plünnecke.

Am besten promoviert man praxisnah

Wer nach seinem Abschluss in die freie Wirtschaft will oder in wirtschaftsnahen Fächern promoviert, kann schon während der Promotion etwas für die Karriere tun. "Hier ist die Frage entscheidend, wie man promoviert", sagt Plünnecke. "Es lohnt sich in diesem Fall, mit seinem Thema nicht zu theoretisch zu bleiben, sondern nah an der Praxis zu arbeiten."

So könne man schon während der Promotion Kontakte zu Unternehmen knüpfen und später bei Bewerbungen zeigen, warum sich der Titel für den Job lohnt. Vor allem Unternehmensberatungen würden gerne Promovierte einstellen, sagt Plünnecke, denn so ließen sich die hohen Stundensätze besser rechtfertigen. Und die renommierten Beratungen bezahlen bekanntermaßen auch sehr gut.

Oft nur mit Nebenjob möglich

Um die finanziellen Einbußen seiner Promotion abzufedern, arbeitete Plünnecke als Hilfswissenschaftler an der Universität. In den Bereichen, in denen die Unis mit dem Arbeitsmarkt in Konkurrenz stehen, seien solche Stellen auch gut bezahlt. "In Geisteswissenschaften aber, wo auch der Arbeitsmarkt nicht so rosig ist, sind die Promotionsbedingungen finanziell schwieriger." Helfen könnten dabei Stipendienprogramme, etwa das Deutschlandstipendium in Höhe von derzeit 1.650 Euro. Wem es also vor allem auf das spätere Gehalt ankommt, sollte beachten: Den Einkommensnachteil, den man mit 30 Jahren hat, kann man eventuell mit 50 Jahren ausgleichen, wenn man dann deutlich mehr verdient als andere.

Die Karriere sollte nicht der Antrieb sein

Eine schnellere Karriere per se garantiert eine Promotion allerdings nicht. Vor allem in der Privatwirtschaft hänge die immer noch von anderen Faktoren ab. Dort könnten Positionen größtenteils auch ohne Doktortitel erreicht werden, sagt Heß. Bessere Jobs oder ein höheres Gehalt sollten daher nicht der eigene Antrieb sein, um den Titel zu erwerben, sagt auch Plünnecke. 

"Mir hat meine Diplomarbeit so Spaß gemacht, dass ich mich tiefer mit dem Thema beschäftigen wollte", sagt er. Wer keine Freude am wissenschaftlichen Arbeiten hätte, würde sich mit einer Promotion nur quälen, bräuchte länger, bräche vielleicht sogar ab und würde so wertvolle Zeit verlieren.

Zudem sei unklar, ob auch in Zukunft noch so viele Menschen von einer Promotion profitieren. Die aktuelle Arbeitsmarktlage, insbesondere für Berufseinsteiger, sei herausfordernd. "Das trifft auch die Beschäftigungschancen von Promovierten", sagt Heß. Zwar seien Promovierte seltener arbeitslos, aber es bestehe trotzdem keine Jobgarantie. Vor allem auch, weil Bewerber, die den höchsten akademischen Abschluss erreicht haben, selbst besondere Erwartungen an eine Stelle haben. Sie werden unflexibler, was auf dem Arbeitsmarkt oft ein Nachteil ist.

Wer wenig Lust hat und nicht darauf angewiesen ist, sollte lieber Berufserfahrung sammeln

"Die Antwort auf die Frage, ob sich promovieren lohnt, hängt hauptsächlich davon ab, ob man sie auch erfolgreich abschließen kann", sagt Heß. Wer sich da nicht sicher und für seinen Traumjob nicht darauf angewiesen ist, sollte die Zeit lieber nutzen, um Berufserfahrung zu sammeln.

Immerhin gibt es Weiterbildungsalternativen, die der Karriere trotzdem helfen, wie etwa der sogenannte Master of Business Administration (MBA). Er ist weniger forschungsintensiv, weniger wissenschaftlich. "Man arbeitet viel mit echten Fallbeispielen und muss praxisnahe Entscheidungen treffen", sagt Plünnecke.

Man könne ihn problemlos berufsbegleitend absolvieren und dabei gute Kontakte in die Unternehmen knüpfen. Inhaltlich baut man seine Managementfähigkeiten aus und wird auf den Weg zur Führungskraft vorbereitet. Aber auch hier gibt es natürlich eine Hürde: Ein MBA kostet je nach Anbieter zwischen 7.500 bis 20.000 Euro.

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