Die Karrierefrage: Lohnt sich eine Promotion?

Autor*innen
Eva Heidenfelder
Eine Leiter ist an eine Hand angelehnt. Auf der Hand liegt ein aufgeschlagenes Buch. Im Hintergrund ein weißer Kreis mit Doktorhut, der aussieht, als würde er im Buch lesen.

Ein Doktortitel kann die Karriere beflügeln, er ist aber kein Garant mehr für eine Führungsposition oder ein höheres Gehalt. Und in manchen Branchen laufen ihm zwei andere Abschlüsse den Rang ab.

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Ein zweiter Doktortitel auf dem Klingelschild würde sich gut machen – ein Scherz zwischen Kornelius Erhard und seiner Frau Natalie. Erhard ist promovierter Jurist, zunächst hat er in zwei großen Anwaltskanzleien gearbeitet, nun ist er seit fast einem Jahrzehnt in der Rechtsabteilung eines internationalen Konzerns tätig. Sieben Jahre hat er neben seinen Festanstellungen an seiner Doktorarbeit geschrieben. Ebenso lange trägt er nun den Titel "Dr. iur.".

Manche Besucher kommen wahrscheinlich eher auf die Idee, dass Natalie, approbierte und praktizierende Ärztin, den Titel trägt. Denn in der Medizin halten viele es noch immer für selbstverständlich, dass behandelnde Ärzte auch Doktoren sind - und setzen den akademischen Grad automatisch mit der Berufsbezeichnung gleich. Nach ihrer Erfahrung aber vor allem Patienten. "Besonders ältere Herren halten mich eher für die Schwester."

Wird sie doch mit "Doktor Erhard" angesprochen, korrigiert sie dies selten. "Es ist ja nicht falsch. Ich erkläre höchstens, dass ich den Doktor nicht als akademischen Titel führe, wenn die Situation es erfordert." Ärztin Erhard hat ihre Ausbildung zur Fachärztin an einem Universitätsklinikum einer deutschen Großstadt begonnen, und parallel dazu ihre Dissertation. "An Uni-Kliniken wird noch erwartet, dass man entweder promoviert hat oder die Promotion im Rahmen seiner Facharztausbildung dort absolviert."

"Viele fähige Kollegen, die keinen Doktortitel tragen"

Der Doktortitel als Einstellungskriterium, eine logische Konsequenz, denn klinische Forschung sei an diesen Krankenhäusern elementarer Bestandteil des Arbeitsauftrags. Ein großes Arbeitspensum im Klinikalltag und ein unerträglicher Oberarzt und Doktorvater bremsen Erhard aber aus. Und nach der Geburt des ersten Kindes entschließt sich das Ehepaar, aufs Land zu ziehen. Bislang hat Erhard ihre Promotion deshalb noch nicht beendet. Oft schmerzt sie das, weshalb das Paar seine echten Namen nicht veröffentlicht sehen will. "Ich habe bereits viel Arbeit investiert, es fehlt eigentlich nur noch die Auswertung der erhobenen Daten." Wenn ihr Kind größer ist, will sie das Projekt Promotion noch abschließen.

Nach ihrer Elternzeit hat sie nun in Teilzeit in einer kleinen Klinik als angestellte Ärztin angefangen. Und ist sehr glücklich damit. "Ich erhalte viele positive Rückmeldungen zu meiner Arbeit von Kollegen und Patienten." Der Titel sage somit nichts über ihre Qualifikation oder Fähigkeiten als Ärztin aus. "Ich habe drei Staatsexamen bestanden und die Approbation erhalten zu praktizieren."

Ähnlich hält es beispielsweise auch die Schweiz, während der Doktortitel in Österreich allen erfolgreichen Absolventen des Diplomstudiums Humanmedizin als Dr. med. univ. verliehen wird. Auch auf das Gehalt hat der Titel, zumindest in der Medizin, Erhards Erfahrung nach keinen signifikanten Einfluss. Zudem sei er kein alleiniges Qualitätsmerkmal. "Ich habe in der klinischen Praxis viele fähige Kolleginnen und Kollegen erlebt, die keinen Doktortitel tragen."

60 Prozent der Mediziner haben einen Doktorgrad

Dass diese in guter Gesellschaft sind, zeigt eine Auswertung des Centrums für Hochschulentwicklung von durch das Statistische Bundesamt erhobenen Daten aus dem Jahr 2019. Als höchster Abschluss war der Doktorgrad mit 60 Prozent unter Medizinern weit verbreitet, aber nur auf Platz vier hinter Biologen (rund 86 Prozent), Chemikern (knapp 79 Prozent) und Physikern (64 Prozent). Was widerspiegelt, dass viele Unternehmen – insbesondere in der industriellen Forschung und Entwicklung mit Bezug zu den Naturwissenschaften, wie zum Beispiel große Chemie- und Pharmakonzerne - nach wie vor Bewerber mit Doktorgrad bevorzugen.

Insgesamt schlossen 2023 laut einer weiteren Erhebung des Statistischen Bundesamtes aber lediglich gut fünf Prozent aller Absolventen in Deutschland ihr Studium mit einer Promotion ab. In der Medizin war es gut ein Viertel, in der Mathematik und den Naturwissenschaften waren es fast ebenso viele. Scheint der Studienabschluss der Promotion in den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften mit einer Quote von gut 20 Prozent und in den Ingenieurwissenschaften mit rund 17 Prozent ebenfalls noch einigermaßen lohnend, schlossen lediglich sechs Prozent ihr Studium der Geisteswissenschaften mit einem Doktortitel ab. Damit scheint er als höchster Bildungsabschluss je nach Disziplin eine unterschiedlich große Relevanz zu haben.

Erhards Mann, der promovierte Rechtswissenschaftler, kann rückblickend nicht davon berichten, dass der Titel seine berufliche Laufbahn entscheidend beeinflusst hätte. "In manchen alteingesessenen Kanzleien mag es für deren Prestigeverständnis noch wichtig sein, dass in den höheren Hierarchiestufen alle einen Doktortitel tragen." Gleichzeitig hat in den vergangenen Jahren der international anerkannte Abschluss "Master of Laws", kurz LL.M., seiner Beobachtung nach für alle an Bedeutung gewonnen, die als Anwälte in Großkanzleien oder Konzernen schnell aufsteigen und gut verdienen wollen.

Doktortitel weniger wichtig, als manche glauben

Da stellt sich die Frage, warum er sich die Strapazen einer Promotion angetan hat. "Interesse am tieferen akademischen Arbeiten und die Neugier, sich in ein Thema tief einzuarbeiten", lautet seine Antwort. Hinzu kam der Umstand, dass in den Rechtswissenschaften meist nur promovieren kann, wer mit Prädikat abschließt. Sein "vollbefriedigend" hatte Erhard zunächst überrascht. "Diese Chance wollte ich nutzen, auch wenn klar war, dass ich nicht in den universitären Betrieb gehen werde." Erhard spricht damit eine weitere wichtige Motivation für eine Promotion an: Wer in Deutschland eine akademische Laufbahn an einer Universität einschlagen, also forschen und lehren möchte, muss in der Regel promoviert haben, um zu zeigen, dass er selbständig wissenschaftlich arbeiten kann.

"In Unternehmen hingegen kommt es stärker darauf an, welche weiteren Fähigkeiten während einer Promotion erworben wurden", sagt Andranik Tumasjan, Lehrstuhlinhaber für Management und digitale Transformation an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz . Wer also seine Karrierechancen in der freien Wirtschaft erhöhen wolle, müsse in seiner Promotion Praxiserfahrungen sammeln und Anknüpfungspunkte in die Arbeitswelt schaffen, so der promovierte und habilitierte Wirtschaftswissenschaftler, der selbst Doktoranden betreut.

Ansonsten schätzt er den Einfluss einer Promotion auf das Karriere- oder Gehaltslevel als weniger wichtig ein, als manche glauben. Schon im Jahr 2016 hat er für die Firma Experteer, die vornehmlich Positionen im mittleren und oberen Management vermittelt, anonymisierte Datensätze von fast 7500 Beschäftigten aus dem höheren Management analysiert. Sein Augenmerk galt deren Karriere- und Gehaltsstufen, die er in Relation zu ihrem höchsten Bildungsabschluss setzte.

Das Ergebnis: Tatsächlich hatte ein Doktortitel einen positiven Einfluss auf Gehalt und Funktion, insbesondere in technischen Branchen wie der IT, der verarbeitenden Industrie und der Pharmabranche . Vor allem aber auch in Großunternehmen, in denen gut zwölf Prozent der gelisteten Geschäftsführer einen Doktorgrad führten. "In großen Unternehmen gibt es eine größere Varianz an Führungspositionen. Ein hoher akademischer Grad verschafft dann mehr Aufmerksamkeit, es ist einfacher, gesehen und gefördert zu werden", sagt Tumasjan.

Wer hoch ein-, schnell aufsteigen und viel verdienen wolle, für den sei ein anderer Abschluss aber wesentlich wichtiger geworden, so Tumasjan: der "Master of Business Administration", kurz MBA. Große Unternehmensberatungen finanzierten vielversprechenden Einsteigern sogar den Abschluss an einer Eliteuniversität wie Harvard . So werde der deutsche Doktorgrad immer öfter zum reinen Prestigetitel – und sei kein Garant mehr für lukrative Stellen.

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