Prüfungsvorbereitung: So verbringt man den Tag vor der Klausur richtig

Autor*innen
Anton Dieckhoff
Frau mit Gewitterwolke überm Kopf als Stresssymbol

Der Druck vor Prüfungen ist im Studium sehr hoch. Was in den 24 Stunden vor der Klausur hilft - und wann man mit dem Lernen aufhören sollte.

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Nicole hat Angst vor Klausuren. "Wenn ich zu einem bestimmten Punkt Leistung erbringen muss, stresst mich das extrem", sagt sie. Zur Ruhe kommt sie davor nicht. Bis spät in die Nacht wiederholt die Soziologie-Studentin an der Freien Universität Berlin den gelernten Stoff - oft bis zwei oder drei Uhr morgens. "Dabei weiß ich, dass ich sowieso nie zu 100 Prozent vorbereitet sein werde", sagt sie.

Wie Nicole geht es vielen Studierenden. Aus Furcht vor schlechten Noten versuchen sie, sich den Prüfungsstoff bis zur letzten Minute in den Kopf zu hämmern. Internetforen zeigen das Ausmaß der Verunsicherung: "Sollte ich in den letzten 24 Stunden vor einer Klausur noch lernen?", fragen Nutzer. Oder: "Was macht ihr einen Tag vor der Klausur?" und "Durchmachen und lernen oder vier Stunden Schlaf?". Wie sollten Studierende die 24 Stunden vor der Klausur also verbringen, um das beste Ergebnis zu erzielen?

Von exzessivem Lernen kurz vor der Klausur rät Diana Lukschanderl-Girnus dringend ab. Sie arbeitet am Kompetenzzentrum der Technischen Hochschule Köln und berät dort Studierende zu Lernstrategien, Prüfungsvorbereitung und zum Umgang mit Stress und Prüfungsangst. Lukschanderl-Girnus empfiehlt: "Mindestens 24 Stunden vor der Klausur sollte das aktive, hochintensive Lernen abgeschlossen sein. Man sollte keine neuen Inhalte mehr lernen und nicht ins Paniklernen verfallen." Es gehe nur noch darum, Bekanntes zu überfliegen und leicht zu wiederholen. So könne man sogenanntes Bulimie-Lernen vermeiden - also große Mengen Stoff in kurzer Zeit aufzunehmen, um sie bei der Prüfung aus dem Kurzzeitgedächtnis abrufen zu können.

"Ich bin so gestresst, dass ich mich ständig ablenken lasse"

Die Berliner Soziologie-Studentin Nicole hält sich zwar an diesen Tipp. Sie lernt nichts Neues mehr, sondern wiederholt nur bekannte Inhalte. Zur Ruhe kommt sie dabei aber nicht - im Gegenteil. "Ich bin so gestresst, dass ich mich ständig ablenken lasse und eigentlich erst spät in der Nacht wirklich produktiv bin."

Die Sportpsychologin Johanna Belz meint, dass Studierende sich von Sportlern den ein oder anderen Kniff abgucken können. Sie coacht an der Deutschen Sporthochschule in Köln Leistungssportler mental. Belz arbeitet zum Beispiel für den Nachwuchsbereich des 1. FC Köln und mit Sportlern in Schweden und England. Ob Wettkampf oder Klausur - das macht für sie keinen Unterschied. "Der Tag davor sollte klar geplant sein", sagt sie. Sie rät Sportlern zu leichten Trainingseinheiten und Studierenden zu Lernwiederholungen. "Es ist dabei wichtig, ausreichend Pausen zu machen und sich mit anderen Dingen zu beschäftigen", sagt Belz.

Ein klarer Plan gebe ein Gefühl von Kontrolle, sagt die Coaching-Expertin. Das ist laut Belz besonders wichtig: "Wir können nicht kontrollieren, wie die Klausur abläuft: wann und wo sie stattfindet oder was drankommt. Deswegen kann es beruhigend sein, wenn wir alles andere rundherum im Griff haben." Dazu gehöre es, sich eine Routine zu überlegen und so wenig wie möglich dem Zufall zu überlassen: "Am besten suche ich mir am Abend vorher schon eine Bahn raus, packe meine Tasche und weiß, wo genau ich im Uni-Gebäude hinmuss." Wenn man sich nur auf das konzentriert, was man kontrollieren kann, sinken laut Belz die Anspannung und das Stresslevel.

Nicole bleibt am Tag vor einer Klausur meist in ihrer Wohnung. Sie geht weder spazieren, noch macht sie Sport, weil sie das zu sehr stresst. "Ich vergesse auch häufig, genug zu essen", sagt sie. Dabei könnte genau das für Entspannung sorgen, sagt Sportwissenschaftlerin Belz. "Bewegung kann Stress abbauen und die Konzentration fördern." Allerdings empfiehlt sie am Tag vor einer Klausur nur leichte Bewegung wie einen Spaziergang oder Yoga.

"Guter Schlaf hilft, Wissen zu festigen"

Studierende sollten nicht darüber nachgrübeln, ob die Klausur in die Hose gehen könnte, sagt Belz. Stattdessen sollten sie sich auf das Hier und Jetzt konzentrieren und sich fragen: "Was ist jetzt wichtig?" Auch mit sich selbst zu reden, kann helfen. "So kann man sich darin bestärken, was man schon erreicht hat oder was man kann." Ein weiterer Tipp der Expertin: "Studierende sollten das positive Ergebnis einer Klausur visualisieren." Also immer wieder im Kopf durchspielen, wie eine erfolgreiche Klausur ablaufen würde. Das sei bei Profisportlern eine beliebte Technik vor dem Wettkampf.

Nicole geht am Tag vor der Klausur zwei bis drei Stunden später schlafen als üblich: "Ich schlafe sehr unruhig gegen zwei oder drei Uhr ein." Das ist kontraproduktiv, erklärt die Schlafforscherin Christine Blume von der Universität Basel. Wer bis tief in die Nacht lerne, verringere die eigene Leistungsfähigkeit: "Guter Schlaf hilft, Wissen zu festigen", sagt sie. Wer abends vor Nervosität nicht gut einschläft, dem können Entspannungsübungen helfen - zum Beispiel die Atmung zu beruhigen und etwas länger aus- als einzuatmen. Diese Übungen müssen Studierende aber eventuell vorher üben. "Man kann sich zum Beispiel vorstellen, dass sorgenvolle Gedanken wie Wolken vorbeiziehen. Man nimmt sie wahr, schenkt ihnen aber keine besondere Beachtung."

Studierende sollten sich aber keine Sorgen machen, wenn sie in der Nacht vor der Klausur mal nicht so gut geschlafen haben, sagt Blume: "Eine Nacht mit etwas weniger Schlaf aufgrund von Nervosität hat normalerweise keine großen negativen Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit in der Prüfung." Blume rät dazu, auf das eigene Gefühl zu achten: "Man sollte einfach ins Bett gehen, wenn man wirklich müde ist. Wer zu früh ins Bett geht, dem fällt das Einschlafen schwerer - besonders bei Anspannung."

Den erfolgreichen Ausgang der Klausur vorstellen

Von Alkohol vor dem Zubettgehen rät Blume ab. "Alkohol kann beim Einschlafen helfen, senkt aber die Schlafqualität", sagt sie. Auch von Schlafmitteln hält sie nichts, weil sie den Schlaf verändern und möglicherweise dazu führen können, dass Studierende am nächsten Tag benommen sind. "Melatonin wird oft beworben, ist aber nicht sehr wirksam, wenn man aufgrund von Nervosität nicht schlafen kann", erklärt sie.

Wenn man im Klausurraum angekommen ist, empfiehlt Sportpsychologin Belz, sich noch einmal den erfolgreichen Ausgang der Klausur vorzustellen. Man könne sich sagen: "Ich habe gelernt, was ich gelernt habe. Mehr geht jetzt nicht, und das wird reichen." So könne man den Druck aus der Situation nehmen. Das empfiehlt Belz auch den Sportlern, die sie coacht.

Falls all diese Punkte nichts gebracht haben und man die Klausur nicht besteht, sei eins am allerwichtigsten, sagt Belz: "Seien Sie nicht zu hart zu sich selbst. Eine nicht bestandene Klausur ist nicht das Ende der Welt, notfalls kann ich diese Klausur auch noch mal wiederholen." Man solle mit sich umgehen wie mit einem guten Freund oder einer guten Freundin und Mitgefühl mit sich selbst haben.

Optimale 24 Stunden

  • 11 – 15 Uhr: Lernstoff wiederholen. Keine neuen Inhalte.
  • 15 – 16 Uhr: Laptop zuklappen. Lernen abschließen. Nach Hause fahren.
  • 16 – 17 Uhr: Erholungsphase.
  • 17 – 18 Uhr: Kleiner Spaziergang.
  • 18 – 20 Uhr: Wohlfühlessen zubereiten und essen.
  • 20 – 21 Uhr: Vorbereitung auf den nächsten Tag. Stifte, Ausweis und alles andere Benötigte rauslegen. Bahn raussuchen. Genug Puffer einplanen. Frühstück möglicherweise vorbereiten.
  • 21 – 23 Uhr: Serie oder Film gucken, Hobby nachgehen, baden, entspannen.
  • 23 Uhr: Zu Bett gehen, Ruhe einkehren lassen. Visualisierung der erfolgreichen Klausur. Positive Selbstkommunikation. Sorgen vorbeiziehen lassen. "Was passiert, passiert."
  • 08 – 10 Uhr: Aufstehen, frühstücken, Morgenroutine.
  • 10 – 10:30 Uhr: Auf den Weg zur Uni machen. Genug Puffer einbauen.
  • 11 Uhr: Klausur (hoffentlich erfolgreich) schreiben.

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