IT-Fails: "Jemand suchte im Gebäude verzweifelt das Office 365"

Autor*innen
Stefanie Witterauf
Zwei Hände tippen Code in einen Computer [© master1305 – stock.adobe.com]

Passwort-Chaos, geschlossene Fenster, Cola in der Ladebuchse: Experten aus der Uni-IT erzählen von den Fails der Profs und Studierenden.

Logo von ZEIT Online

e‑fellows.net präsentiert: Das Beste aus ZEIT Online

Lies bei uns ausgewählte Artikel von ZEIT Online, Deutschlands führendem Portal für anspruchsvollen Online-Journalismus.

"Einer suchte verzweifelt das Office 365"

"Ein Erstsemester suchte im Gebäude verzweifelt das Office 365. Fairerweise muss man sagen: Die Kommunikation fand auf Englisch statt, es war ein internationaler Student. Im Rahmen seiner Immatrikulation hatte er die Anweisung bekommen, sich bei Office 365 anzumelden. Im Studierendenbüro haben sie eine Weile gebraucht, um zu verstehen, was das Problem des aufgelösten Studenten war. Dann haben sie ihm erklärt: Office 365 ist kein verstecktes Büro, sondern die Software, die wir hier in Mannheim für vieles benutzen." Martin Vollrath, 42, arbeitet im IT Service & Support der HdWM Mannheim.

"Er las vor, was er eingetippt hatte:
b e n u t z e r n a m e"

"An unseren Helpdesk wenden sich alle, die es nicht schaffen, sich in der Hochschul-Cloud anzumelden oder ins Uni-WLAN zu kommen. Wir erklären telefonisch, wie es klappt. Die meisten Dienste laufen über die Mailadresse der Hochschule. Wir sagen also: ›Geben Sie beim Log-in Ihren Benutzernamen ein und dann @hochschule-bc.de.‹ Bei einem Studenten funktionierte es einfach nicht. Nach ein paar Minuten bat ich ihn, mir zu buchstabieren, was er beim Log-in eingetippt hatte. Also las er vor: ›b e n u t z e r n a m e‹. Ich verkniff mir das Lachen und erklärte ihm: ›Der Benutzername ist Ihr Vor- und Nachname.‹ Beim Eingeben des Passworts kommt dieses Missverständnis auch oft vor: Studierende, Lehrende, auch meine IT-Kolleginnen und -Kollegen geben erstaunlich oft statt ihres Passworts das Wort Passwort ein und wundern sich, dass sie nicht ins System kommen. Wir versuchen, solche Missverständnisse zu minimieren. Ich habe mir angewöhnt, Anrufende nach ihrem Namen zu fragen. So kann ich statt ›Benutzername‹ einfach direkt ihren Vor- und Nachnamen sagen.

Wir aus der IT-Abteilung machen auch dumme Fehler. Einmal hat ein Kollege eine Mail rausgeschickt, in der noch eine interne Notiz war, die er hätte löschen sollen. Die Empfängerin nahm zum Glück mit Humor, dass in der Mail stand: ›Die checkt echt gar nix.‹ Ich selbst habe mal unbedacht eins der vielen Fenster geschlossen, die ich als Systemadministrator immer offen habe. Damit habe ich den Druckserver runtergefahren. Ich hätte das gerne verheimlicht, doch wir bekamen einfach zu viele Anrufe, dass die Uni-Drucker nicht funktionieren. Danach habe ich meine Fenster anders angeordnet." Peter Dieth, 56, leitet die IT-Abteilung der Hochschule Biberach.

"Eigentlich ist mein Motto: Kein Back-up, kein Mitleid"

"Manchmal staune ich, wie viel Technik unsere Studierenden besitzen. Fast alle haben Macbooks und Smartphones. Früher hatten wir noch Arbeitsplätze in der Bibliothek, weil nicht alle einen Computer zu Hause hatten, die Privilegierten besaßen irgendwann Klapphandys. Obwohl sich in meinen 25 Jahren als Uni-ITler so viel verändert hat, sind die Probleme erstaunlich ähnlich geblieben. Schon damals wurden viele, viele Passwörter vergessen.

Wir haben die IT-Abteilung ausgebaut und sind heute elf statt fünf Leute, wir schützen die Hochschule vor Hackern und versuchen mit lustigen Lehrvideos vor Phishingmails zu warnen. Unsere Hochschule ist verhältnismäßig kompetent im Umgang mit dem Computer. Die Lehrenden sind mit der Technik gewachsen, und die Studierenden, die bei uns anfangen, sind oft schon Mitte, Ende zwanzig. Sie haben ein Vorleben und vielleicht schon ein paar IT-Notfälle hinter sich, die sie selbst lösen mussten. Auf den Trick, mal aus- und anzuschalten, kommen sie meistens ohne uns.

Wir stellen uns als IT-Abteilung jedes Jahr in der Einführungswoche vor und erklären die Basics, empfehlen etwa Back-ups. Ich erkläre das Sohn-Vater-Großvater-Prinzip, also Sicherheitskopien auf unterschiedlichen Datenträgern anzulegen. Da verdrehen manche die Augen, weil es sich so offensichtlich anhört. Aber dann steht fast jedes Jahr kurz danach ein aufgelöster Student oder eine Studentin bei uns in der Tür, weil Kaffee in die externe Festplatte gelaufen ist und alle Fotos und Videos der letzten Jahre futsch sind. Bei einer Studentin war die gesamte Masterarbeit mit allen Entwicklungsstufen weg. Es war natürlich kurz vor der Abgabe. Eigentlich ist mein Motto: Kein Back-up, kein Mitleid. Aber natürlich berührt mich so was. Bei einem anderen Studenten, auch kurz vorm Abschluss, konnten wir die Daten retten, er war überglücklich. Manchmal bekomme ich sogar Schokolade oder Wein geschenkt. Bei kaputten Datenträgern versprechen wir nichts. Wir haben Erfahrung mit gelöschten Festplatten, aber wir sind keine Zauberer. Auch bei professionellen Datenrettern, die schnell ein paar Hundert Euro für das kassieren, was wir umsonst machen, gibt es keine Erfolgsgarantie. Ich würde schätzen: Acht von zehn Fällen haben bei uns ein Happy End." Mirco Schochow-Jenke, 61, leitet die IT-Abteilung der Filmhochschule Babelsberg.

"Bei manchen setzen wir das Passwort viermal im Semester zurück"

"Wer beim Onlineshopping sein Passwort vergisst, kann es meist mit einem Klick zurücksetzen lassen. Bei uns funktioniert das nicht. Wir dürfen nicht einfach neue Passwörter verschicken, Studierende müssen mit ihrem Ausweis persönlich vorbeikommen. In Ausnahmefällen geht das auch per Video. Bei manchen müssen wir das Passwort mehrmals im Semester zurücksetzen. Bei Extremfällen bis zu viermal! Manchmal landen auch Leute in unserem Büro, die gar keine IT-Probleme haben. Wir sind nicht dafür da, zu erklären, wo die Toiletten oder bestimmte Seminarräume sind. Aber wir helfen auch den Orientierungslosen.

In den fünfzehn Jahren, in denen ich hier arbeite, hat sich eine Sache deutlich verändert: Viele Studierende scheinen die Fähigkeit verlernt zu haben, Sachen genau durchzulesen. Wir bekommen oft Anrufe, die nicht nötig gewesen wären, wenn die Person einfach aufmerksam im Intranet nachgeschaut hätte. Mails sind oft auch viel sinnvoller als Anrufe. Ein Screenshot sagt mehr als tausend Worte.

Unser Nordcampus liegt nah an einem Wald, gelegentlich verlaufen sich Eichhörnchen und andere Nagetiere in die IT. Die Kabel haben die Tiere aber nie angefressen. Computerprobleme sind immer noch meist menschlich verursacht: Kaffee über der Tastatur, Cola in der Ladebuchse, Reinigungspersonal, das den Stecker vom Drucker gezogen hat. Ich empfehle: Stellt keine Getränke im Umkreis von einem Meter um den Rechner auf. Niemals." Horst Westergom, 61, leitet den IT-Service-Desk am Karlsruher Institut für Technologie.

"Manchmal ist es eine Null, die riesige Auswirkungen hat"

"Ich sammle leidenschaftlich Computerpannen. Seit neun Jahren stelle ich meine Lieblingsgeschichten in der Weihnachtsvorlesung meines Kurses Algorithmen und Programmierung vor. Pannen von unserer TU Chemnitz haben es noch nicht in die Vorlesung geschafft, aber hier sind zwei meiner Lieblingsanekdoten:

An einer Uni in North Carolina hat sich Ende der Neunziger mal ein Mitarbeiter beschwert, dass er seine Mails nicht weiter als in einem Radius von 850 Kilometern verschicken kann. Bei der Überprüfung stellte sich heraus, dass das Timeout auf null stand. Theoretisch bedeutete das, dass seine Mails null Sekunden lang verschickt wurden. Praktisch, dass alle Verbindungen nach drei Millisekunden abgebrochen wurden. Das zeigt: Manchmal ist es eine Null, die riesige Auswirkungen hat. Ein anderer prominenter Fall: Vor ein paar Jahren sollte unser Chemnitzer Basketball-Team auswärts in Paderborn spielen. Doch das Match konnte nicht pünktlich anfangen, weil ein Update der Anzeigetafel nicht gestoppt werden konnte. In den Regeln stand: Das Team, das die Verzögerung zu verschulden hat, verliert. Die Paderborner mussten aus der 2. Liga absteigen." Matthias Werner, 56, ist Professor für Betriebssysteme an der TU Chemnitz.

"Und na ja, der Drucker war doch nicht eingesteckt"

"Der Prof sagt: Der Drucker funktioniert nicht. Ich: Sind Sie sicher, dass das Kabel eingesteckt ist? Prof: Ja, aber es funktioniert nicht. Ich: Welche Fehlermeldung zeigt er denn an? Prof: Da steht nichts. Ich: Sind Sie sicher, dass er Strom hat? Prof: Ja, ich bin doch nicht blöd. Ich: Dann komme ich gleich vorbei.

Ich kam vorbei, und na ja, der Drucker war doch nicht eingesteckt. Das ist Alltag in der Hochschul-IT. Etwa 80 Prozent aller Probleme kann ich mit der Frage lösen, ob ein Neustart gemacht wurde oder das Kabel eingesteckt ist. Ich muss viel lachen und könnte jede Woche einen Podcast aufnehmen. Wenn ich mich auf die Bildschirme von Lehrenden und Studierenden schalte, um ihnen bei einem Problem zu helfen, sehe ich, welche Seiten sie noch geöffnet haben. Einer hatte mal eine Stellenanzeige von einer anderen Hochschule offen, eine andere Kleinanzeigen, weil sie gerade Schuhe kaufen wollte. Bei einer Kollegin war ich remote auf ihren Bildschirm zugeschaltet. Sie hatte alle möglichen Fenster offen. Ich habe sie gebeten, die Fenster zu schließen, um den Datenschutz zu wahren. Es war kurz still, aber nichts passierte. Ich fragte, ob sie die Fenster nun geschlossen hat. Sie versicherte, ja, alle Fenster zu. Dabei waren offensichtlich alle noch offen. Es dauerte ein paar Sekunden, bis mir klar war: Sie hatte die Fenster ihrer Wohnung geschlossen. Sascha Schröder, 32, leitet die IT der Alanus Hochschule in Alfter und Mannheim.

Bewertung: 5/5 (1 Stimme)