Studienberatung: Wann ein Fächerwechsel die richtige Entscheidung ist

Autor*innen
Lima Fritsche
Eine Person von hinten. Sie steht vor einer Gabelung mit zwei Wegen. Um ihren Kopf schweben Fragezeichen.

Es ist kein Scheitern, sich nach wenigen oder auch mehreren Semestern einzugestehen, dass man im falschen Studiengang steckt. Ein neues Fach sollte immer eine Option sein – sofern einige Voraussetzungen erfüllt sind.

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Madeline Trappmann war in ihrer Schulzeit leidenschaftliche Musikerin. Gesang zu studieren kam für die 25 Jahre alte Frau trotzdem nicht infrage – dafür waren ihr die Berufschancen zu unsicher. Also schrieb sie sich nach ihrem Abitur im Jahr 2016 für Musik auf Lehramt an der Universität Köln ein. Anfangs hielt sie das für einen guten Plan, doch schon in ihrem ersten längeren Praktikum an einer Grundschule begann sie zu zweifeln. "Ich habe das erst mal als normale Studienzweifel verbucht", sagt sie.

In ihrem Praxissemester konnte sie die Augen aber nicht mehr davor verschließen, dass sie nicht als Lehrerin arbeiten möchte. Sie verbrachte die Zeit in einer internationalen Grundschule und sollte einer Horde Erstklässler, die teils Deutsch, teils Arabisch und teils Italienisch sprachen, das deutsche ABC beibringen. "Dafür muss man mehr unterrichten als musizieren wollen", sagt sie. Von Woche zu Woche seien die Zweifel gewachsen – bis sie eine Entscheidung traf. Seit dem Sommersemester 2018 studiert sie Jura. Damit ist Madeline Trappmann nicht allein. Aus der Studienverlaufsstatistik des Statistischen Bundesamts geht hervor, dass fast 14 Prozent der Studenten ihren Studiengang wechseln. Die höchsten Wechselquoten gibt es in den Naturwissenschaften und in der Mathematik, dicht gefolgt von den Geistes- und den Ingenieurwissenschaften.

Warum so junge Menschen ihren Studiengang wechseln, weiß Marco Blasczyk von der Zentralen Studienberatung der Goethe-Universität Frankfurt. Er sagt, dass die Mehrheit der Fachwechsel gleich im ersten Jahr stattfindet. Der Grund: "Viele Abiturienten fragen sich nur, wie sie durch die Tür kommen, aber nicht, ob der Raum dahinter überhaupt zu ihnen passt." Da es nur die wenigsten Studiengänge als Schulfächer gibt, sei die Wahl oft ein Schuss ins Blaue. Zudem führen die meisten Studiengänge nicht automatisch in einen bestimmten Beruf – das erscheine manchen Jugendlichen oder deren Eltern zu unsicher. "Deshalb studiert jemand, der sich eigentlich für eine Geisteswissenschaft wie Japanologie interessiert, oft trotzdem erst einmal ein berufsorientiertes Fach wie Jura."

"An sich ist es nie zu spät"

Aber es gibt auch Studienwechsler in höheren Semestern. Blasczyk sagt, sie haben teils länger gebraucht, um sich einzugestehen, dass ihr Studiengang nicht zu ihnen passt, und die entsprechende Konsequenz zu ziehen. Teils müssen sie aber auch feststellen, dass sie den Leistungsanforderungen ihres Studiums nicht gerecht werden. "Wenn man zweimal durch eine Prüfung gefallen ist, überlegt man sich, ob man noch einen dritten Versuch wagt." Wenn ein junger Mensch mit Studienzweifeln zu Blasczyk oder seinen Kollegen kommt, erstellen sie mit ihm eine Liste individueller Kriterien, die sein Studiengang erfüllen muss, um weiterstudiert zu werden. Sobald der Katalog steht, legen sie ein Datum fest, bis wann eine Entscheidung getroffen sein muss.

So sollen Studenten sich in der Zeit bis zu ihrem Fristende zum Beispiel fragen, ob sie überhaupt in den Berufen arbeiten wollen, in die ihr Studiengang führt, und wie realistisch es ist, dass sie das Studium abschließen. Auch Gefühle spielen eine Rolle: "Studieren muss nicht in jeder Sekunde Spaß machen, aber ein grundsätzliches tiefergehendes Interesse an den Studieninhalten sollte vorhanden sein."

Ist das nicht der Fall und passt obendrein die berufliche Perspektive nicht, dann sei ein Fachwechsel die richtige Entscheidung. "An sich ist es nie zu spät, um noch einmal zu wechseln", sagt Blasczyk. Es gebe aber auch ein paar Hemmnisse, vor allem das Thema Studienfinanzierung.

Studienwechsel und Bafög

Das war auch für Matthias, der in Wirklichkeit anders heißt, bei seinem Studienwechsel im Jahr 2018 entscheidend. Der Potsdamer hatte sich nach seinem Abitur erst einmal für BWL eingeschrieben. Anfangs war er sich mit seiner Wahl sehr sicher. Aber: "Ich bin der erste Student in meinem Elternhaus, ich hatte keine Vorstellung davon, wie ein Studium abläuft." Beim Lernen für seine erste Statistikklausur begann er, über einen Studienwechsel zu witzeln. So ging es eine Zeit lang weiter, bis er einer guten Freundin anvertraute, dass mehr hinter den Witzen steckte. "Mir taugten die Studieninhalte nicht." Als seine Freundin dann von ihrem eigenen Studium berichtete, merkte er endgültig, wie unglücklich er mit BWL war. Ihr Studiengang Medienwissenschaften tat es ihm hingegen sehr an – und je länger er sich damit beschäftigte, desto sicherer war Matthias, dass der Studiengang, inklusive Nebenfach Geschichte, viel besser zu ihm passt.

Dann war da nur noch die Frage nach der Studienfinanzierung: "Ich war für mein Studium auf Bafög angewiesen." An sich war sicher, dass er trotz des Studienwechsels weiter Bafög bekommen könnte, auf seinen Bescheid habe er aber mehrere Monate warten müssen. Als er allerdings an Weihnachten 2018 im Supermarkt einkaufen wollte, sei seine Karte abgelehnt worden: "Ich hatte damals nur noch 55 Cent auf dem Konto", erzählt er. Er habe sich Geld bei Freunden geliehen, um über die Runden zu kommen, bis Mitte Januar 2019 endlich der Bescheid und somit auch eine hohe Nachzahlung kamen.

Das Studierendenwerk Frankfurt berät Studenten bei allen Fragen rund um Bafög. Eine Sprecherin des Werks gibt an, dass man einen Studienwechsel in der Regel begründen muss, um weiter Bafög zu beziehen. "Nur einem ersten Fachwechsel nach dem ersten oder zweiten Semester kann auch ohne Begründung stattgegeben werden." Bis zum dritten Semester müsse ein wichtiger Grund wie ein Neigungswechsel oder Eignungsmangel vorliegen, vom vierten Semester an hingegen ein unabweisbarer Grund, der eine Fortsetzung des Studiums unmöglich macht. So dürfe zum Beispiel eine Sportstudentin, die sich eine schwere Verletzung zugezogen hat, auch im vierten Semester ihres Studiums noch einmal wechseln und trotzdem weiterhin Bafög beziehen.

Fehler eingestehen lernen

Sobald die Finanzierung geklärt ist, müssen Studenten nur noch den Papierkram erledigen. Ist ihr neuer Studiengang zulassungsfrei, dann können sie einfach einen Fachwechselantrag stellen. Ist er zulassungsbeschränkt, sollten sie vor ihrer Bewerbung beim Prüfungsamt anfragen, ob sie sich Punkte aus ihrem alten Studiengang anrechnen lassen und sich somit zu einem höheren Semester bewerben können. Beachten müssen sie, dass bei zulassungsbeschränkten Fächern sehr oft auch in höheren Semestern Platzzahlen festgelegt sind. Solange diese Plätze belegt sind, kann niemand im höheren Semester aufgenommen werden. Gerade in beliebten Studiengängen wie Psychologie gebe es laut Blasczyk nur sehr selten einen freien Platz im höheren Semester.

Können Studenten keine Punkte mitnehmen, weil sich die bestandenen Module im alten Studiengang bezüglich des Inhalts und Umfangs zu sehr von denen im neuen Studiengang unterscheiden, dann müssen sie sich ganz normal zum ersten Semester bewerben. Wenn alles gut geht, bekommen sie einen Platz und können den alten Studiengang hinter sich lassen.

Bei Madeline und Matthias hat das funktioniert. Madeline hat ihr erstes juristisches Staatsexamen im Jahr 2022 abgeschlossen und promoviert jetzt in Rundfunkrecht. Sie sagt: "Ich weiß, wie es sich anfühlt, das Falsche zu studieren, deshalb bin ich jetzt umso sicherer, das Richtige zu tun." Auch Matthias ist glücklich mit seiner Entscheidung. Er arbeitet aktuell als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bundestag und möchte auf jeden Fall noch einen Master in seinem ursprünglichen Nebenfach Geschichte machen. Beide seien glücklich mit dem Wechsel. Marco Blasczyk von der Uni Frankfurt sagt: "Studenten sollten keine Angst haben, sich einen Fehler einzugestehen, und den Mut haben, noch einmal zu wechseln."

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