Die Karrierefrage: Soll ich jetzt noch in den USA studieren?
- Victoria Robertz

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Lange waren die Vereinigten Staaten auch für deutsche Studenten ein Sehnsuchtsort. Doch die politische Situation unter Donald Trump lässt viele zweifeln – und es gibt sehr gute Alternativen.
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US-Universitäten ziehen Studenten aus der ganzen Welt an. Sie sind für viele ein Traum, der Realität wird, ein Film, der plötzlich das eigene Leben ist. Für deutsche Studenten gehören die USA sogar zu den beliebtesten Zielen im Ausland – eigentlich, muss man allerdings dazu sagen. Denn auch wenn sich noch kein wirklicher Trend ablesen lässt, macht sich unter deutschen Studenten mit dem Ziel USA gerade doch Unsicherheit breit.
Donald Trump und seine Regierung haben die Universitäten ins Visier genommen. Sie entziehen ihnen Forschungsgelder, erste Wissenschaftler verlassen das Land, die Terminvergabe für Visuminterviews wurde vorübergehend ausgesetzt. Selbst um Likes und Posts in sozialen Medien scheinen sich Studenten sorgen zu müssen. Besonders in Trumps Fokus steht die Eliteuniversität Harvard. Jüngst kündigte er an, dass fast allen ausländischen Staatsangehörigen, die in Harvard studieren wollen, die Einreise verwehrt werden soll. Ein Bundesgericht hat diese Entscheidung vorerst blockiert.
Was bedeutet all das für das Studieren in den USA, für den Alltag an der Universität? Könnte das politische Klima die Art der Lehre und Qualität der Bildung beeinträchtigen oder gar die Chancen, später mal Arbeitgeber hierzulande von sich zu überzeugen? Es drängt sich die Frage auf, ob ein USA-Studium jetzt noch sinnvoll ist. Zumal es gute Alternativen gibt.
Jetzt in die USA? "Auch eine große Chance"
Laut Hendrik Wilhelm von der Universität Witten/Herdecke kann das aktuelle Klima im Land den intellektuellen Austausch an Universitäten erschweren. "Wie die Trump-Regierung derzeit Universitäten einhegt, beeinflusst auch die Internationalität der Forschung und Lehre an US-Universitäten", sagt er. "Kollegen aus den USA berichten mir, dass sie das Auftreten der Regierung als Eingriff in die akademische Freiheit von Forschung und Lehre erleben." Es sei eine logische Konsequenz, dass auch bestimmte Inhalte aus politischen Gründen an US-amerikanischen Universitäten weniger Aufmerksamkeit im Lehrplan erhalten würden, etwa mit Blick auf Themen wie Diversität.
Auch Wirtschaftsrechtler Marc-Philippe Weller, an der Uni Heidelberg als Prorektor zuständig für Austauschangelegenheiten, betrachtet es als Einschränkung, dass Studenten vor Ort etwa nicht an Protesten teilnehmen sollten. Grundsätzlich müsse man aber zwischen Regierung und Universitäten unterscheiden. "Die Universitäten selbst wollen diese Einschränkungen ja nicht", sagt Weller. "Wenn Studierende erst einmal dort sind, sehe ich keine Gefahr für die Meinungsfreiheit innerhalb der Vorlesungen. Im Hörsaal kann noch normal debattiert werden."
Weller hält es daher auch jetzt noch für sinnvoll, zum Studieren in die USA zu gehen, auch mit Blick auf zukünftige Arbeitgeber. Ein USA-Aufenthalt würde sich noch immer gut im Lebenslauf machen, und die aktuellen Hürden für Visumvergabe und Einreise zu nehmen, zeige aus seiner Sicht sogar besondere Motivation und Einsatzfreude. "Wer jetzt einen Abschluss an einer US-Uni macht, hat keinen Makel durch die Trump-Regierung", sagt er. Außerdem betont Weller, dass es gerade eine besonders spannende Zeit sei, um dort vor Ort zu sein. "Wer die Möglichkeit hat, jetzt in die USA zu gehen und die dortige Politik hautnah mitzuerleben, für den ist das auch eine große Chance."
Wie sinnvoll es im Einzelfall sei, hänge natürlich auch von der Fachrichtung ab. Gerade für Studenten in Sozialwissenschaften, Politologie, Geschichte oder Jura seien die USA gerade ein interessanter Ort, an dem sich täglich neue Fragen stellten. Schwieriger sei es hingegen in Gebieten, die von der Kürzung von Forschungsgeldern durch die Trump-Regierung betroffen sind, etwa Klimastudien, Gender Studies oder das Gesundheitswesen.
Wunsch nach Umfeld und beruflichem Netzwerk einbeziehen
Von einer positiven Entwicklung im Technologiebereich berichtet Noelle Ponasik aus dem Dezernat Internationales der Frankfurt University of Applied Sciences. Studenten, die ihren Abschluss in MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) machen, dürften im Anschluss an ihr Studium noch drei Jahre in den USA arbeiten – üblicherweise ist es mit einem Studentenvisum nur ein Jahr. "Natürlich kommt es auf die Branche an, in der man ist. Aber gerade im Bereich Technologie und wenn man später mit Start-up-Kultur zu tun haben möchte, sind die Möglichkeiten in den USA größer als in Deutschland", sagt Ponasik. "Ein Auslandsstudium ist auch immer eine gute Gelegenheit, Kontakte zu knüpfen, um vielleicht nach dem Studium ein Praktikum dort zu machen oder sogar ein Jobangebot zu bekommen."
Das Netzwerk findet auch Wilhelm von der Uni Witten/Herdecke entscheidend. Er verantwortet dort den Bachelorstudiengang Management und rät Studenten, bei der Wahl ihres Bildungsumfelds ihre Karrierevorstellungen einzubeziehen. "Wenn man sich eine internationale Karriere bei einem US-amerikanischen Konzern wünscht, kann es durchaus sinnvoll sein, sich zumindest ab dem Master an einer führenden US-Universität umzuschauen", sagt Wilhelm. "Neben der akademischen Ausbildung spielt auch das soziale Umfeld, in dem man sein berufliches Netzwerk aufbaut, eine entscheidende Rolle."
Fachlich sind die USA im Bereich der Betriebswirtschafts- und Managementlehre noch immer relevant. "In meinem Fach liegt ein wichtiger Schwerpunkt in den USA, aber es wäre falsch zu sagen, dass man eine hervorragende Ausbildung nur dort bekommen kann", sagt Wilhelm. "Dafür ist das gesamte Feld zu international, und viele exzellente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler lehren außerhalb der USA, darunter viele in Europa."
Und das Interesse, aus den USA nach Europa zu wechseln, steigt derzeit. Was bedeutet das für Studenten, die sich vom Schritt in die USA besonders gute Professoren erhoffen? Wilhelm hält das Abwandern erster Wissenschaftler zumindest für Bachelor- und Masterstudenten nicht für problematisch. Das Professorenkriterium spiele eher bei der Promotion eine Rolle, wenn es darum gehe, konkret mit jemandem zusammenzuarbeiten.
Sehr gute Alternativen von Kanada bis Taiwan
Allerdings wirbt er dafür, gerade in diesen Zeiten auch andere Länder für das Studium in Betracht zu ziehen. Wer auf den nordamerikanischen Kontinent wolle, könne beispielsweise auch in Kanada eine hervorragende Ausbildung im Bereich Management bekommen. Ebenso mithalten könne Europa. "Wenn man an einer traditionsreichen und forschungsstarken Universität im Ausland studieren möchte, braucht man nur nach Großbritannien mit Oxford und Cambridge zu schauen. Und wer einen explizit US-amerikanischen Bezug haben möchte, kann sich über die American Universities Abroad informieren", sagt Wilhelm. "Das ist ein Verbund privater US-amerikanischer Universitäten, die vollständig im Ausland aktiv sind, aber als amerikanische Bildungsträger anerkannt."
Weller nennt neben den Commonwealth-Staaten Kanada, England und Australien in Europa vor allem die Niederlande und Skandinavien als sehr gute Alternativen zu den USA. "Aber es gibt auch in Asien eine große Auswahl an englischsprachigen Studiengängen, zum Beispiel in Indien, in Singapur und in Taipeh an der National Taiwan University." Wer sich für sein Fachgebiet unsicher sei, solle auf Rankings schauen, meinen die Professoren.
Und wer sich doch nicht von seinem USA-Traum trennen will? Der Deutsche Akademische Austauschdienst DAAD rät allen Unsicherheiten zum Trotz weiterhin zu einem Studium in den Vereinigten Staaten. "Die USA bleiben weltweit der führende Wissenschaftsstandort mit zahlreichen exzellenten Hochschulen", heißt es auf Anfrage. Das unterstreicht auch Ponasik von der Frankfurt University of Applied Sciences. Sie war kürzlich auf der Konferenz der Bildungsorganisation NAFSA in San Diego, wo sich Hochschulen aus aller Welt vernetzen. "Die Bereitschaft zu kooperieren hat sich seitens der Universitäten in den USA nicht verändert", ist ihr Eindruck. Um die Studienbedingungen vor Ort müsse man sich keine Sorgen machen. "Man muss einfach vorbereitet sein, wissen, was das Auswärtige Amt sagt. Aber eins steht fest: Die Universitäten wollen die internationalen Studierenden und setzen sich für sie ein."
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