Hochschul-Knigge: Typologie der nervigsten Studenten
- e-fellows.net Redaktion

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Du findest deinen Dozenten völlig daneben? Er dich vielleicht auch! Wir haben Hochschullehrer gefragt, welche Studenten sie in ihren Seminaren am meisten stören – und warum. Eine Typologie der schlimmsten Seminarteilnehmer.
Typ Schlaubi Schlumpf
Schlaubi hat es drauf und weiß das auch. Doch was, wenn außer ihm niemand sein Genie bemerkt? Es gilt, ein für alle Mal Fakten zu schaffen! Schon wenn er aufgefordert wird, sich kurz vorzustellen, referiert Schlaubi deshalb zehn Minuten lang aus den Tiefen der Sekundärliteratur. Nach ihm die Stille!
Das eigentliche Seminar dient anschließend allenfalls als Stichwortgeber. Ob Schlaubis Wortmeldung das vorher Gesagte aufgreift, ist zweitrangig. Hauptsache, sie erschlägt möglichst viele andere Teilnehmer und zitiert zwei Texte, die selbst der Dozent nicht kennt. Wichtig auch die materielle Abgrenzung: Alle im Seminar inklusive Dozent tragen Jeans und T-Shirt? Schlaubi trägt Hemd/Bluse. Nach dem Seminar genehmigt man sich gerne mal ein kühles Helles? Schlaubi mischt sich nicht unter das gemeine Volk.
Dozenten-Tipp #1
"Intellektuelle Arroganz und Überheblichkeit nerven, und niemand zieht daraus Profit. Deshalb mein Rat: Ruhig Blut, Schlaubi. Jeder Dozent hat Interesse daran, talentierte Studenten zu erkennen – und ist dazu auch in der Lage. Du willst mir zeigen, was du kannst? Dann beteilig dich mit klugen Beiträgen an der Diskussion. Wenn du aber die Hälfte meines Seminars mit selbstzweckhaften Monologen füllst, erstickst du jede Diskussion und ruinierst langfristig das gute Klima. Und mal unter uns: Ein (un)gepflegtes Bierchen mit Kommilitonen hat noch niemandem geschadet."
Typ Terminator
Der Terminator fackelt nicht lange. Ein Seminar stinkt ihm? Dann ist es Zeit für einen filmreifen Abgang – und zwar mitten in der ersten Sitzung. Nur ein Idiot braucht 90 Minuten, um sich ein Urteil zu bilden. Zweite Chance nächste Woche? Fehlanzeige. He won’t be back.
Ist das Seminar eine Pflichtveranstaltung, köchelt der Terminator schweigend vor sich hin. Den offenen verbalen Schlagabtausch in einer Sprechstunde, per Mail oder in der Feedback-Umfrage scheut er – und schlägt dafür umso gnadenloser im Netz oder beim Tratsch unter Kommilitonen zu.
Dozenten-Tipp #2
"Talk to me, Arnie! Natürlich ist es dein gutes Recht, ein Seminar schlecht zu finden. Aber kannst du das wirklich schon nach fünfzehn Minuten wissen? Gib mir zumindest die erste Sitzung und/oder stell mir kritische Fragen. Ich kann das ab! Wenn du aber kommentarlos verduftest, kann ich mich nicht verbessern. Ich habe übrigens weder die Mensa verwanzt noch spioniere ich Facebook-Gruppen aus. Also sag mir doch lieber persönlich, was dich stört."
Typ Kleines Küken
Hilfe, wo bin ich? Das kleine Küken ist eben erst geschlüpft und vollkommen orientierungslos. Na gut, eigentlich turnt es schon seit Monaten an der Uni rum, aber aus Kükensicht dauert die Eingewöhnungsphase bis ins achte Semester.
Schon wieder will irgendein Lehrer – pardon: Dozent – ein Buch aus dieser Bib? Schnell noch einmal nachfragen, wo die eigentlich genau ist. Und wie leihe ich nochmal ein Buch aus? Wie viele ECTS bekomme ich für die Veranstaltung, wie lang muss die Hausarbeit sein, wo bekomme ich Kopierkarten und wer schmiert mir mein Pausenbrot?
Und dann das eigentliche Problem: Diese Texte sind doch viel zu schwer. Und zu lang. Ist das wirklich alles klausurrelevant? Flugs zu Hause die erste Seite angemarkert – den Rest wird mir dann schon irgendjemand vorkauen.
Dozenten-Tipp #3
"Meine Berufsbezeichnung kommt vom Lateinischen "docēre" (lehren, unterrichten). Was du brauchst, ist ein Pädagoge, vom Griechischen pais (Knabe, Kind) und agogos (Begleiter) – oder einfach einen Ausdruck deiner Prüfungsordnung. Mich als Dozenten interessiert es nicht, ob du weißt, wo die Bib ist; es ist auch nicht mein Job, es dir zu zeigen. Du fragst ja auch nicht die Kassiererin, wo man eigentlich dieses Geld herbekommt. Außerdem – und wichtiger noch – hältst du mit deinen Fragen mein Seminar auf und vergeudest die Zeit deiner Kommilitonen, die etwas von mir lernen wollen. Deshalb lern du lieber schleunigst, dir selbst zu helfen. Fachliche Fragen beantworte ich übrigens sehr gerne, aber nur, wenn du vorher wenigstens versucht hast, es selbst zu verstehen."
Typ Phantom
Sie zeigen sich nur äußerst selten und sind nie so wirklich da: Studenten vom Typ Phantom. Weil mehr als drei Erscheinungen pro Semester ohnehin nicht drin sind, lohnt es sich für Phantomstudenten auch nicht, die ganze Seminarlektüre zu kaufen. Was in all den Wälzern drinsteht und was man in den letzten vier Sitzungen verpasst hat, fasst der Dozent sicher gerne bei Gelegenheit zusammen.
Dozenten-Tipp #4
"Da sein oder nicht da sein, das ist gar keine Frage! Immerhin bist du Vollzeitstudent. Deswegen bekommst du BAföG, deswegen sind deine Eltern unterhaltsverpflichtet und deswegen profitierst du von Studentenrabatten. In diese privilegierte Position, einfach nur lernen zu dürfen, wirst du so schnell nicht wieder kommen: Drum nimm an der Uni mit, was du kriegen kannst. Dann brauchst du auch nicht mich zu deinem persönlichen Repetitor zu machen – denn dafür haben ich und der Rest des Seminars keine Zeit. Übrigens: Wenn deine anderweitigen Verpflichtungen eigentlich nur Ausreden sind, denk mal drüber nach, ob du das Richtige studierst. Man kann sein Fach auch wechseln – oder gar nicht studieren."
Typ König der Welt
Wenn seine Majestät beschlossen haben, ein Seminar mit seiner Anwesenheit zu beehren, möge der Dozent ihm alle Aufmerksamkeit widmen. Obwohl Majestät wöchentlich in der Sprechstunde Themenhilfe einfordern, möge der Dozent Verständnis haben, wenn Majestät seine Lehren bloß als gute Ratschläge verstehen – und in der Seminararbeit dann doch etwas anderes schreiben. Schriftliche Nachfragen seiner Hoheit sind postwendend zu beantworten.
Dozenten-Tipp #5
"Erstens: In meinem Seminar sitzen zwischen 20 und 35 gleichberechtigte Studenten. Zweitens: Ich bin weder dein Privatdozent in Vollzeit, noch lehre ich überhaupt in Vollzeit. Deshalb ist meine Zeit auch knapp bemessen und ich schätze es gar nicht, wenn ich mir in der Sprechstunde den Mund fusselig rede, du aber dann doch machst, was du willst.
Du fragst, was ich denn sonst zu tun habe? Wie du auf meiner Website lesen kannst, bin ich wissenschaftlicher Mitarbeiter und forsche an meinem Lehrstuhl, oder ich arbeite 40 Stunden in der freien Wirtschaft (und bekomme pro Semester bloß einen Tausender Aufwandsentschädigung – vor Steuern). So gerne ich auch Dozent bin, so dankbar wäre ich doch, wenn du ein grundsätzliches Verständnis dafür entwickeln würdest, was ich unter den gegebenen Umständen überhaupt leisten kann."