Karriere als Fachexperte: Chef sein – lieber nicht?

Autor*innen
Victoria Mrosek
Eine Person hebt ratlos die Hände. Ihr Kopf wurde durch eine Glühbirne ersetzt, neben der eine Denkblase mit einem Fragezeichen schwebt.

Als Berufseinsteiger wirst du von Unternehmen oft mit Trainee-Programmen umworben, die auf eine Führungslaufbahn vorbereiten – doch nicht jeder gute Mitarbeiter wird ein guter Chef. Warum fachliche Exzellenz nicht immer ausreicht, und wann eine Karriere als Experte die bessere Wahl ist.

Viele Berufseinsteiger betrachten Führungspositionen als einzige Möglichkeit, um Karriere zu machen: Zu Unrecht, denn auch andere berufliche Entwicklungen - beispielsweise zum Fachexperten - ermöglichen wiederkehrende Erfolgserlebnisse und eine vielfältige Laufbahn. Ob du dich für eine Führungs- oder Expertenkarriere entscheidest, solltest du deshalb allein von deinen Kompetenzen und Interessen abhängig machen.

Der Fachexperte: hochgeschätzt und doch unsichtbar

Als Fachexperte hast du während deiner Ausbildung oder im Studium bereits Wissen erworben, das dich als Spezialist für ein Thema qualifiziert. Für deinen Arbeitgeber hat das den Vorteil, dass du mit deinen Kompetenzen komplexe Sachverhalte analysieren und ihren Nutzen für das Unternehmen bewerten kannst. Im Lauf deiner Karriere musst du als Experte immer auf dem neusten Stand deines Fachgebiets bleiben und dein Wissen kontinuierlich erweitern: Eine Expertenkarriere eignet sich also besonders für neugierige Menschen, denen es nichts ausmacht, nie ausgelernt zu haben.

Das Unternehmen erwartet von seinen Experten außerdem, dass sie Probleme schneller lösen als andere Mitarbeiter und ihr Wissen gerne teilen. Das bedeutet, dass du als Fachexperte auch Management-Entscheidungen vorbereitest und Empfehlungen aussprichst: Entsprechend sind Kommunikationsgeschick und Durchsetzungsvermögen auch für eine Fachkarriere von Bedeutung.

Experten arbeiten hauptsächlich in ihrer eigenen Abteilung statt teamübergreifend, denn aufgrund ihres Spezialwissens sind sie nur in einem begrenzten Bereich einsetzbar. Wenn du bei deinem zukünftigen Job Wert auf Sichtbarkeit und Networking-Optionen legst, solltest du diesen Punkt gut bedenken.

Die Führungskraft: gut bezahlt, aber immer unter Druck

Eine kompetente Führungskraft versteht sich als Spezialist für Menschen, genauer gesagt: für Mitarbeiter. Um Verantwortung für Budget und Personal zu übernehmen, musst du neben Fachkenntnissen auch eine hohe Belastbarkeit und kommunikative Kompetenzen mitbringen. Wer sich für eine Führungskarriere entscheidet, muss zudem ehrgeizig, empathisch und entscheidungsfreudig sein - was oft schon schon bei der Urlaubsplanung anfängt.

Gute Gehaltsaussichten und schnelle Aufstiegschancen machen Führungskarrieren für viele attraktiv. Die Sandwichposition zwischen Geschäftsführung und Mitarbeitern bringt allerdings auch mit sich, dass du viel Verantwortung tragen musst und einer höheren Belastung ausgesetzt bist als Fachkräfte.

Karriere mit Wohlfühlfaktor

Für eine Führungskarriere qualifiziert also weit mehr als nur fachliche Expertise: Es kommt sogar in erster Linie auf völlig andere Kompetenzen an. Wider besseres Wissen wird in der Unternehmenspraxis trotzdem oft die beste Fachkraft zur Führungskraft gewählt. Aus organisationspsychologischer Sicht ist das nicht sinnvoll, denn nicht jeder fachlich hervorragende Mitarbeiter will automatisch führen und verfügt noch dazu über das notwenige Kommunikationstalent. Fachkräfte haben im Gegenteil oft gar kein Interesse, Verantwortung und Kontrolle zu übernehmen und sich mit Konflikten auseinanderzusetzen. Doch nur in der richtigen Position können Menschen ihr Potenzial voll entfalten und ihre Motivation aufrechterhalten: Deshalb solltest du dich auf keinen Fall von deinem Unternehmen in die eine oder andere Position drängen lassen.

Was kannst du und wohin willst du?

Gerade in jungen Jahren ist deine Selbsteinschätzung oft noch nicht gefestigt genug, um ad hoc und mit Sicherheit entscheiden zu können, welche Position besser zu deiner Person und deinen Fähigkeiten passt. Viele Eigenschaften oder Talente entwickeln sich erst noch oder konnten noch nicht in Erscheinung treten. Wenn du trotzdem schon zu Beginn deiner Karriereplanung nach dem passenden Berufsweg suchen möchtest, könntest du folgende Fragen hilfreich finden:

  1. Was treibt dich an, und was möchtest du im Leben erreichen? Wie sehr schätzt und brauchst du regelmäßige berufliche Auszeiten, beispielsweise mit der Familie? Oder würdest du dich als Workaholic beschreiben, der auch nach Feierabend viel und gerne über betriebliche Aufgaben nachdenkt?
  2. Bist du ein neugieriger und detailfokussierter Mensch, der gerne dazulernt und unzufrieden ist, wenn er einmal dem aktuellen Stand seines Fachs hinterherhinkt? Oder interessieren dich neben der fachlichen Seite deines Jobs auch kommunikative Aufgaben? Siehst du dich im Vorstand eines Unternehmens oder in der Entwicklungsabteilung?
  3. Empfindest du Verantwortung als Last oder als Herausforderung?
  4. Welche fachliche Qualifikation bringst du mit? Welchen Uniabschluss hast du, und welche Fächer haben dir während deines Studiums besonders Spaß gemacht? Überlege auch, welche Aufgaben dich in deinen Praktika besonders interessiert haben.
  5. Welche Soft Skills würdest du dir zuschreiben?

Fazit: Wer sucht, der findet

In der Praxis hat die Fachkarriere aufgrund schwächerer Gehaltsaussichten sowie geringeren Prestiges im Unternehmen gegenüber Führungskarrieren oft noch das Nachsehen. Viele Unternehmen arbeiten allerdings daran, beide Laufbahnen gleichzustellen, und entwickeln für die Fachlaufbahn neue Aufstiegsmodelle und bessere interne Kommunikationsmaßnahmen.

Prestigedenken oder die Erwartungen von Freunden und Verwandten sollten dich bei deiner Entscheidung für die eine oder die andere Laufbahn ohnehin nicht beeinflussen. Wenn du merkst, dass eine Karriere als Fachexperte besser zu dir passt, dann steh zu deinen Talenten und investiere deine Zeit nicht in Spekulationen über mögliche Nachteile, sondern in die Suche nach einer Arbeitsstelle, die dir gerecht wird: Denn nur dann kannst du deinem Job wirklich gerecht werden.

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