Konfliktmanagement: Die Kunst des Streitens

Autor*innen
Franziska Telser
Zwei Männer stehen sich mit angehobenen Händen gegenüber, sie tragen große Himbeeren wie Boxhandschuhe an den Händen.

Wie sich Meinungsverschiedenheiten im Arbeitsalltag gut lösen lassen, verraten Angestellte aus verschiedenen Branchen. Hier ihre Best-Practice-Tipps.

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Eine Meinungsverschiedenheit mit der Chefin, der immer laute Kollege im Großraumbüro, ein aufbrausender Kunde, der mit dem Produkt unzufrieden ist: Konflikte lassen sich bei der Arbeit nicht immer vermeiden, denn hier treffen sehr unterschiedliche Menschen aufeinander.

Damit Konflikte nicht eskalieren und in Streit ausarten, sind Fingerspitzengefühl und Diplomatie gefragt. Auf der einen Seite hat jeder seinen Standpunkt, auf der anderen soll und will man aber auch am nächsten Tag wieder gut zusammenarbeiten und muss sich dafür arrangieren. Da ist ein gutes Konfliktmanagement gefragt.
Wie man gekonnt Konflikte entschärft, wissen Sabrina Matuschka, Martin Graetz und Alexander Marth: Die Mitarbeiterin in einem Callcenter, der Gerichtsvollzieher und der Flugbegleiter müssen in ihrem Arbeitsalltag häufiger in emotionalen Situationen deeskalieren. Dem Handelsblatt haben sie ihre vier besten Strategien zum Konfliktmanagement verraten.

Ich-Botschaften statt Befehlston

Alexander Marth arbeitet seit 18 Jahren als Kabinenchef bei der Lufthansa, also als leitender Flugbegleiter. Er ist die erste Anlaufstelle an Bord für unzufriedene Fluggäste. Sein Ziel: Konflikte vermeiden, bevor sie entstehen.

Weigert ein Gast sich, sein Telefonat vor dem Start zu beenden oder sein Handgepäck richtig zu verstauen, bleibt Marth auch nach mehrmaligem Bitten sachlich. "Entscheidend ist, wie man den Gast adressiert", sagt er. Er fordere den Gast nicht im Befehlston auf, den Laptop nun zuzuklappen. Stattdessen informiere er den Gast, dass es seine Aufgabe sei, für Sicherheit beim Start zu sorgen und erklärt, warum das Gerät gerade nicht genutzt werden kann.

Eine Strategie, die auch Sabrina Matuschka oft anwendet. Sie arbeitet in einem Callcenter in Nürnberg, ihr Auftraggeber ist ein Energieunternehmen. Sie beantwortet also häufig Anrufe von Kunden, deren Stromrechnungen zuvor deutlich gestiegen sind. Die Gespräche sind oft sehr emotional.

Wird ein Anrufer laut oder beleidigend, sendet auch sie Ich-Botschaften aus. "Ich erkläre, dass ich respektvoll behandelt werden möchte", sagt sie. Sammelt sich der Anrufer auch dann nicht, vermittelt sie ihm ruhig, dass sie auflegen muss, wenn er sich weiter im Ton vergreift. "So weit ist es aber noch nie gekommen", erklärt Matuschka.

Die Harvard-Methode: Konflikt und Mensch trennen

Eine andere Strategie, auf die Callcenter-Mitarbeiterin Matuschka setzt, ist die Harvard-Methode. Streiten zwei Menschen, vermischen sie oft Sachprobleme mit Persönlichem. Eine sachliche Feststellung zum Beispiel wird schnell als Vorwurf oder Beleidigung aufgenommen. Die Anwendung der Harvard-Methode soll dem entgegenwirken. Dabei gelten vier Grundsätze:

  • Trenne strikt Mensch und Sache.
  • Verhandle Interessen, nicht Positionen.
  • Finde Optionen, die allen Vorteile bringen.
  • Wähle die Lösung nach objektiven Kriterien aus.

Für Matuschkas Arbeitsalltag bedeutet das konkret: Wird ein Anrufer aufbrausend, versucht sie das Gespräch auf eine sachliche Ebene zu bringen. Matuschka signalisiert dann, dass sie selbst nicht das Problem ist, sondern die Situation. "Ich erkläre dem Kunden, dass ich nicht gegen ihn arbeite, sondern ihm helfen will", sagt die Callcenter-Mitarbeiterin. Sie macht klar, dass es nicht darum geht, sich an einzelnen Positionen hochzuschaukeln, sondern darum, gemeinsam eine Lösung zu finden.

Dazu sei es wichtig, sich in den Gesprächspartner einzufühlen und vor allem erst mal zuzuhören: "Je mehr Empathie man zeigt, desto mehr Respekt bringen einem die Anrufer entgegen." Ist jemand am Telefon dennoch unhöflich, versucht sie das nicht persönlich zu nehmen.

Hintergründe richtig und sachlich erklären

Empathie braucht auch Martin Graetz. Er arbeitet seit 25 Jahren als Gerichtsvollzieher. Zu seiner Arbeit gehören nicht nur Zwangsvollstreckungen, sondern auch Wohnungsräumungen. Er ist zudem zuständig, wenn das Jugendamt Kinder aus einer Familie holen muss.

"Oft sind die Menschen mit der Situation überfordert", sagt Graetz. Muss er zum Beispiel eine Wohnung räumen, erklärt er genau die Hintergründe und macht auf ruhige Weise klar, dass die Entscheidung hierfür nicht bei ihm liegt, sondern von einem Gericht getroffen wurde.

Außerdem bietet er Hilfe an und erklärt, an wen sich die Menschen nun wenden und was die nächsten Schritte sein können. Ist er etwa im Auftrag des Jugendamtes bei einer Familie, versucht er den Eltern zu vermitteln, dass das Jugendamt nicht ihr Feind ist und es unbedingt notwendig ist, mit dem Amt zusammenzuarbeiten. "Auch wenn ich die Situation nicht ändern kann, ist es wichtig, Verständnis zu zeigen", sagt er.

Die Arbeit von Graetz ist natürlich eine Extremsituation. Aber auch im Bürokontext müssen oft zuerst die Hintergründe eines Konflikts geklärt werden, damit eine gemeinsame Lösung erarbeitet werden kann.

Im Zweifel vor einer Eskalation andere hinzuziehen

Droht eine Situation dennoch zu eskalieren, kann es helfen, andere hinzuzuziehen. Das tut Alexander Marth beispielsweise, wenn ein betrunkener Fluggast 12.000 Meter über dem Atlantik eine Kollegin oder einen Kollegen anpöbelt: "In Konfliktsituationen kann es auch helfen, wenn ein anderer Flugbegleiter zu dem Gast geht und mit ihm redet."

Ansonsten komme er als Purser, so nennt die Lufthansa ihre leitenden Flugbegleiter, ins Spiel. "Man hat eine gewisse Autorität", sagt er. Wird es besonders unangenehm, muss Marth eine Warnung aussprechen – nämlich zwischenzulanden, sollte sich der Gast nicht beruhigen. "Das ist aber das letzte Mittel", sagt er.

Der Vorteil: Bekommen andere den Konflikt mit, ist es leichter diesen später zu reflektieren. Man redet im Team darüber, was passiert ist, wie man sich dabei gefühlt hat – und ob man richtig und angemessen gehandelt hat.

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