Interim-Management: Chef für 100 Tage

Autor*innen
Anne Kremer
Im Anzug gekleideter Mann hält mit beiden Händen das Revers seiner Anzugjacke. Sein Kopf ist durch eine Trommel ersetzt, von der bunte Kreise aufsteigen.

Interim-Manager kommen, um zu gehen: Für wenige Monate füllen sie Personallücken oder meistern Projekte, bevor sie zum nächsten Kunden weiterziehen. Ihr Beruf ist abwechslungsreich, herausfordernd – und nicht zuletzt sehr lukrativ. Marcus Winterfeldt über einen Job, in dem das Wort Routine nicht vorkommt.

Herr Winterfeldt, was ist Interim-Management? Können Sie uns eine kurze Definition geben?

Interim-Manager sind Manager auf Zeit, die als Problemlöser in Unternehmen gehen. Wir unterscheiden zwischen Projekteinsätzen einerseits und Vakanzüberbrückungen andererseits, sprich kurzfristigen, zeitlich befristeten Vertretungen. Die Gründe, auf Interim-Management zurückzugreifen, sind vielfältig: Sie reichen von ungeplanten Freistellungen oder Ausfällen über Mutterschutz- und Elternzeitvertretungen bis zu mangelnder Fach-  oder Management-Expertise für ein Programm oder Projekt. Ein Mandat als Projektleiter oder Chef auf Zeit dauert meist nur zwischen drei und sechs Monaten. Für diese kurze Zeit lohnt sich für Unternehmen selten der Aufwand eines Recruiters.

Marcus Winterfeldt, Geschäftsführer der Interimhead GmbH, startete seine Karriere in der Sparkassenfinanzgruppe und ist nach mehreren Stationen in der Management- und IT-Beratung seit 2013 Interim-Manager.

Warum lohnt sich Interim-Management für Unternehmen auch abseits von Vertretungen?

Es ist nicht einfach, Unternehmer im Unternehmen zu finden, die bestimmten Projekten völlig gewachsen sind. Selbst zugekaufte Spitzenexpertise lässt, wenn die Arbeitnehmer abhängig beschäftigt sind, nur bedingt unternehmerisches Handeln zu. Interim-Manager hingegen sind freiberufliche Unternehmer mit langjähriger Expertise in verschiedenen Betrieben. Inhaltlich hat das viele Vorteile: Der Interim-Manager führt einen Fachbereich unter einem anderen Blickwinkel und exekutiert Veränderungen, indem er ausschließlich der Agenda seines Auftraggebers folgt. Bisher Unausgesprochenes wird ausgesprochen und entfaltet eine teils reinigende Wirkung.

Welche Unternehmen greifen auf Interim-Manager zurück?

Die meisten Anfragen für Interim-Manager in Deutschland kommen aus dem traditionellen Mittelstand, das heißt aus Unternehmen mit 501 bis 1000 Mitarbeitern. Die Einsatzfelder sind vielfältig: General Management (33 Prozent), Projektmanagement (18 Prozent), Restrukturierung/Sanierung (16 Prozent), Finanzen/Controlling (15 Prozent), Prozessoptimierung (13 Prozent) und Supply Chain Management (5 Prozent). Circa 50 Prozent aller Mandate für Interim-Manager kommen aus den Branchen Maschinen- und Anlagenbau, Chemie & Pharma, Informations- und Kommunikationstechnik und Automobilindustrie.

Der Einsatz erfolgt meist kurzfristig. Eine Besetzung innerhalb von wenigen Stunden ist mit modernen, digitalen Matching-Plattformen möglich. Etablierte Agenturen benötigen wenigstens 48 Stunden für eine Besetzung.

Wie hoch sind durchschnittliche Gehälter/Honorare/Tagessätze?

Die "Dachgesellschaft Deutsches Interim Management" (DDIM) geht zurzeit von einem durchschnittlichen Gehalt von 1.150 Euro am Tag aus; als Faustformel hat sich für eine Vollauslastung im Markt ein Prozent vom Bruttojahresgehalt etabliert. In der Praxis sind Tagessätze allerdings breit gefächert und abhängig von der zu besetzenden Position, ihrem Umfang, ihrer Bewertung und Verantwortung. Bei einer Auslastung von weniger als vier bis fünf Tagen pro Woche sind gegebenenfalls noch Aufschläge auf den Tagessatz möglich, in Abhängigkeit von der Budgetrestriktion des Auftraggebers. Spitzentagessätze können je nach Qualifikation und Position (etwa auf der Geschäftsführerebene) bei bis zu 3.000 Euro plus Spesen, Mehrwertsteuer und gegebenenfalls Erfolgsbeteiligung liegen. Wenn der Kontakt zum Auftraggeber über einen Provider vermittelt wurde, kommen diese Kosten der Vermittlung für den Auftraggeber noch hinzu. Diese liegen bei bis zu 40 Prozent vom Tagessatz.

Die durchschnittliche Auslastung eines Managers auf Zeit beträgt aus unserer Erfahrung circa 140 bis 150 Tage pro Jahr. Die verbleibende Zeit wird zum Großteil für Selbstmarketing und Vertrieb aufgewandt.

Welche Voraussetzungen sind für Positionen im Interim-Management relevant? Welches Profil, welche Persönlichkeit muss ich mitbringen?

Das traditionelle Bild des männlichen Wirtschaftswissenschaftlers oder Ingenieurs im Alter von 45 bis 65 Jahren ist heute überkommen. Entscheidend ist vielmehr die mehrjährige Erfahrung als Führungskraft. Gerade die aufstrebende deutsche Start-up-Szene bringt deshalb sehr junge, aber trotzdem sehr erfahrene Interim-Manager mit mannigfaltigem akademischem Hintergrund hervor. Trotz ihrer noch jungen Karriere können sie bereits Referenzen als Führungskräfte und ausgeprägte Facherfahrung vorweisen und sind mit dem gesamten Lebenszyklus eines Unternehmens vertraut.

Für den Job als Manager auf Zeit sind neben einschlägiger Führungserfahrung auch bestimmte persönliche Eigenschaften erforderlich. Interim-Manager sind erstens in hohem Maß flexibel, sowohl geistig als auch körperlich: 10-Stunden-Tage in einer 6-Tage-Woche sind nicht die Regel, aber möglich.  Es macht ihnen außerdem Spaß, sich kurzfristig und selbstständig auf neue Umstände, Umgebungen, Vorgesetzte und Mitarbeiter einzulassen. Je nach Art des Mandats leben sie meist im Hotel. Auch das muss einem liegen.

Darüber hinaus müssen Manager auf Zeit in der Lage sein, innerhalb kürzester Zeit in unbekannten Umfeldern Situationen und Probleme zu analysieren, die Führung zu übernehmen und passende Lösungen umzusetzen. Hierfür sind neben Erfahrung auch Empathie und Durchsetzungsstärke entscheidend. Als Unternehmer können sie Risiken gut abschätzen und sind gleichermaßen entscheidungsfreudig wie ergebnisorientiert.

Last, but not least sind Interim-Manager auch Dienstleister, die sich mit ihrer Überzeugungskraft und Kommunikationsfähigkeit von anderen Kandidaten abheben und ihre Kompetenzen und Stärken zu verkaufen wissen. Sie dürfen keine Scheu kennen, mit anderen schnell in Kontakt zu treten. Die meisten ihrer Mandate akquirieren sie selbst über ihr Netzwerk und ihre Reputation bei ehemaligen Auftraggebern oder beruflichen Kontakten. Ein breites Netzwerk zu ehemaligen Auftraggebern, Unternehmensberatungen, Banken, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Providern unterstützt ihre Akquise. Ihre Referenzen sind eine Reihe von erfolgreich abgeschlossenen Mandaten.

Herr Winterfeldt, vielen Dank für das Gespräch!

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