Resilienz: Gescheiter scheitern

Autor*innen
Brigitta Ernst
Eine Hand gießt mit einer Gießkanne. Statt Wasser kommt ein Zweig mit grünen Blättern aus der Kanne.

An Problemen wachsen statt in Selbstmitleid und Ohnmacht versinken: Wer würde das nicht gern können? Coach Brigitta Ernst verrät, wie du aus deinen Misserfolgen lernst und Schritt für Schritt Resilienz im Studium und auch im Beruf aufbaust, um Krisen gut zu überstehen.

Im Studium rasselst du trotz gründlicher Vorbereitung durch eine Klausur, als Absolvent klappt es bei der Jobsuche nicht auf Anhieb, im Berufsleben scheiterst du an der Work-Life-Balance. Manchmal kommt es noch schlimmer: Du wirst krank oder verlierst einen Menschen, der dir nahe steht. Krisen, Hindernisse und Schicksalsschläge tun sich im Leben immer wieder auf. Doch während manche Menschen an ihnen verzweifeln, scheinen andere aus jedem negativen Ereignis neue Kraft zu schöpfen. Wie funktioniert das? Und vor allem: Kannst du das lernen?

Resilienz Beispiel & Vorbild: Hochseilartist

Stell dir einen Hochseilartisten vor, der über einer tiefen Schlucht auf einem dünnen Seil balanciert. Er macht seinen Job gut, und dennoch passiert etwas Unvorhergesehenes. Er tritt ungeschickt auf, rutscht leicht ab, findet aber glücklicherweise die Balance wieder.

Instinktiv hat dieser Hochseilartist vier Dinge richtig gemacht, anstatt sich von seinem Fehler "aus der Bahn" werfen zu lassen: Er hat den Fehltritt wahrgenommen, ausgeglichen, aus ihm gelernt, und ist einfach weitergelaufen. Diese Reaktion des Hochseilartisten hilft prinzipiell bei jeder Art von Rückschlägen – und auch du kannst lernen, so zu reagieren. Wenn du dich also fragst, wie es kommt, dass manche Menschen echte Lebenskrisen oder schwere persönliche Rückschläge besser meistern als andere, dann lautet die Antwort: Weil sie Resilienz entwickelt haben.

Was ist Resilienz?

Resilienz bezeichnet die Widerstandsfähigkeit gegenüber Krisen: die Fähigkeit, sich in noch so widrigen Situationen wie ein Stehaufmännchen immer wieder aufzurappeln. Es ist eine mächtige Kompetenz, aus Fehlern und Krisen zu lernen statt sich von ihnen unterkriegen zu lassen.

Eine resiliente Reaktion besteht aus vier Handlungsmomenten:

  1. Akzeptanz der veränderten Realität
  2. Ausbalancieren, also das Sich-Anpassen an die neuen Umstände
  3. Lernen aus Vergangenem
  4. Weitermachen

Was prägt deine Widerstandskraft?

Wie resilient du bist, hängt von verschiedenen Faktoren ab: persönlichen Faktoren (zum Beispiel Erziehung, Intelligenz, Religion, Emotionalität, Toleranz, Überzeugungen), Umwelteinflüssen (zum Beispiel Familienzusammenhalt, soziales Netzwerk/Freundschaften, schulisches/berufliches Umfeld) und sogenannten Prozessfaktoren (zum Beispiel Perspektiven beziehungsweise Perspektivenwechsel, Akzeptanz, Problemlösungsorientierung, Ausgeglichenheit).

In der Psychologie ist oft von den "Sieben Säulen der Resilienz" die Rede. Diese sieben Resilienzfaktoren beeinflussen, wie widerstandsfähig du bist und wie gut du mit Krisen umgehst. Je ausgeprägter sie bei dir sind – das heißt, je mehr du sie stärkst – desto größer ist deine Widerstandskraft.

Diese Verhaltensweisen und Einstellungen helfen dir, Resilienz zu entwickeln:

  • Optimismus: Glaub an dich und deine Fähigkeiten
  • Akzeptanz: Akzeptiere, dass es gerade nicht so gut läuft
  • Lösungsorientierung: Such eine Lösung für deine Krise
  • Opferrolle verlassen: Setz dich aktiv mit deiner Situation auseinander und gib nicht anderen Menschen oder Umständen die Schuld
  • Verantwortungsbewusstsein: Übernimm Verantwortung für dich und deine Taten
  • Soziales Netzwerk: Bau ein soziales Netzwerk auf und erweitere es
  • Zukunftsorientierung: Definiere für dich realistische Ziele

Welche Bedeutung hat Resilienz für dich und deine Ziele?

Nicht nur im Privatleben bietet dir ein gesundes Level an Resilienz viele Vorteile. Auch während des Studiums und im Berufsalltag wirkt sie unterstützend, wenn du dich an neue Gegebenheiten anpassen oder mit einem schnelllebigen Berufsleben und steigenden Stresspegeln umgehen musst. Resiliente Menschen sind gelassener und können flexibel auf persönliche Krisen wie eine Kündigung oder Mobbing reagieren.

Wenn du an deiner Resilienz arbeitest, fühlst du dich zufriedener und weniger angreifbar. Das hat auch positive Auswirkungen auf deine Gesundheit: Du beugst zum Beispiel einem Burnout vor, da du weniger gestresst bist. Davon profitiert wiederum dein Blutdruck, deine Blutfettwerte und so weiter.

Zehn Tipps für mehr Resilienz

Die Fähigkeit, in Krisensituationen ein resilientes Reaktionsmuster abzurufen, ist nicht jedem in die Wiege gelegt. Oft stehen tief verankerte Denkmuster, Glaubenssätze oder Ansprüche an sich selbst im Weg. Diese lassen sich durch gezieltes Resilienz-Training überwinden, so dass du gestärkt aus einer Krise hervorgehst.

Wenn es alleine nicht klappt, kann dir auch ein Psychologe weiterhelfen. Das ist insbesondere dann wichtig, wenn du zum Beispiel ein frühes Trauma erlebt hast und es dir daher an Resilienz mangelt.

So wirst du mit Rückschlägen besser fertig

  1. Verabschiede dich von deinem Perfektionismus. Denn – frei nach Voltaire: Das Bessere ist der Feind des Guten. Fehler passieren, und nichts läuft hundertprozentig perfekt. Weder bei dir, noch bei deinen Mitmenschen.
  2. Akzeptiere Krisen nicht nur als Teil des Lebens, sondern als Lektionen, an denen du reifst und die dich voranbringen. Eine alte chinesische Weisheit sagt: Wenn der Schüler bereit ist, wird der Lehrer kommen.
  3. Glaub an dich. Auch andere Leute vor dir haben ähnliche Situationen unter noch schlechteren Bedingungen erfolgreich gemeistert. Du kannst das auch. Vertrau darauf, dass alles gut wird.
  4. Versink nicht in Selbstmitleid. Ein bewährtes Gegenmittel ist ein kurzer Blick auf die Nachrichten: Du wirst dankbar sein, dass deine eigene Situation – existenziell gesehen – weniger bedrohlich ist.
  5. Coach dich selbst, sonst coacht dich keiner. Niemand kann es dir abnehmen, am Umgang mit Rückschlägen zu arbeiten. Aber Freunde, Therapeuten oder Ratgeber helfen dir, einen Ausweg aus dem destruktiven Gedankentunnel zu finden.
  6. Betrachte deine Krisen als Chancen. Jede Krise – wie der Waldbrand in der Natur – birgt immer auch die Chance für einen Neuanfang. Sieh das Gute im vermeintlich Schlechten und frag dich, welche Optionen dir die Krise eröffnet hat.
  7. Grüble nicht, handle. Denk dabei an ein Stehaufmännchen: Das zögert nicht lange, sondern tut, was zu tun ist. Akzeptiere die neue Realität, werde aktiv und mach das Beste aus der Veränderung.
  8. Bleib optimistisch – oder werde es endlich. Schwarzmalerei bringt nichts. Sag dir lieber voller Überzeugung: "Es hätte schlimmer kommen können!" Oder: "Ich bin dankbar für die Chance, mich weiterzuentwickeln."
  9. Such dir resiliente Vorbilder. Es gibt unzählige Menschen, die trotz vieler Rückschläge ihr Ziel erreicht haben: schwerverletzte Sportler beispielsweise, die später bei den Paralympics eine Medaille gewonnen haben. Lies ihre Biographien und lass dich von ihnen motivieren.
  10. Schreib dir deinen eigenen Ratgeber. Die Ergebnisse deines Entwicklungsprozesses hältst du am besten in einem Tage- oder Notizbuch fest. So vergisst du bei der nächsten Krise nie, dass du eine ähnliche Prüfung schon einmal gemeistert hast.
Brigitta Ernst

Brigitta Ernst ist leitende Redakteurin im Verlagshaus der Augsburger Allgemeinen, Sachbuchautorin und mit Management-Trainings selbständig als Wirtschafts- und Organisationspsychologin. Sie hat erst Karriere und dann die dafür nötige Ausbildung gemacht. Auf ihrem Erfolgsweg begegneten ihr immer wieder Rückschläge, Zeitnot und ungesunder Perfektionismus. Wie man damit umgeht, lehrt sie seit zehn Jahren in ihren Seminaren und Vorträgen.

Im e-fellows.net-Expertenforum "Rückschläge wegstecken" kannst du weitere Tipps von Brigitta Ernst oder ihren ursprünglichen Beitrag "Schöner Scheitern" nachlesen. Mehr unter www.brigitta-ernst.de

Bewertung: 4/5 (45 Stimmen)

Weitere Artikel zum Thema Motivation