Achtsamkeit: So lebst du im Hier und Jetzt

Autor*innen
Astrid Travi
Eine junge Frau beim Meditieren

Achtsamkeit gilt als Trend in unserer schnelllebigen Zeit. Wer achtsam lebt, ist entspannter, hat weniger Stress und fokussiert sich auf die wirklich wichtigen Dinge. Doch was genau ist Achtsamkeit? Und wie lässt sie sich trainieren? 

Weißt du noch, wie du heute Morgen ins Büro oder in die Uni gekommen bist? Jetzt denkst du sicher: Klar – zu Fuß, mit dem Fahrrad, dem Auto oder den öffentlichen Verkehrsmitteln. Doch kannst du dich auch noch an die genaue Strecke erinnern? Weißt du, wie du dich auf dem Weg gefühlt hast, wann du an der Ampel standst oder wie lange die Schlange beim Bäcker war, an dem du vorbeigelaufen bist? Nein? Damit bist du nicht allein. 

Unser modernes Leben zieht tagtäglich an uns vorbei. Ständig hetzen wir im Alltag von einer Sache zur nächsten und sind mit unseren Gedanken überall, nur nicht bei den Dingen, die wir gerade aktiv tun. Auf dem Weg ins Büro kreisen unsere Gedanken um die Arbeit, auf dem Heimweg beschäftigen wir uns wiederum bereits mit dem Abendessen. Die Folge: Wir fühlen uns gestresst und haben das Gefühl, dass uns die Zeit fehlt, um alle To-dos zuverlässig zu erledigen. Achtsamkeit kann uns dabei helfen, dieser Tretmühle zu entfliehen, denn: Entspannung entsteht im Kopf. Wie gestresst wir uns fühlen, ist auch eine Frage der Einstellung. 

Porträt Astrid G. [Quelle: stg – Die MitarbeiterBerater GmbH]

Über die Autorin

Astrid Travi ist geschäftsführende Gesellschafterin der stg – Die MitarbeiterBerater GmbH. Sie verfügt über 30 Jahre Beratungserfahrung als Sozialpädagogin mit Schwerpunkten auf der Begleitung beruflicher Veränderungen und der Krisenberatung. Diese Themen hat sie auch in leitender Funktion unter anderem bei Siemens verantwortet.

Was ist Achtsamkeit? Eine Definition

Achtsam sein heißt: Ich nehme wahr, was ist. Mit all meinen Sinnen. Mehr nicht.

Klingt einfach? Ist es aber nicht. Denn Achtsamkeit bedeutet auch, etwas weniger von dem zu tun, was wir sehr häufig machen: im "Autopilotenmodus" leben. Jeder Mensch funktioniert nach gewohnten Mustern und hinterfragt diese nicht mehr. Das ist zunächst auch gut so, denn sonst kämen wir im Alltag nicht zurecht. Ohne automatische Handlungen müsstest du dir vor jedem Schritt, jedem Kopfnicken und jedem Handgriff überlegen, wie die dazugehörige Bewegung aussieht.

Problematisch wird es erst, wenn der sogenannte "Autopilotenmodus" überhandnimmt. Wenn du alle Handlungen automatisch ausführst, bleibt für deinen Kopf genug Zeit, sich mit anderen Dingen zu beschäftigen. So steigt die Wahrscheinlichkeit, dass dein Denken, Fühlen und Handeln nicht (mehr) zur Situation passen. Du verhedderst dich in Gedankenschleifen und nimmst nur noch einen Bruchteil dessen wahr, was um dich herum geschieht. Auch deine Selbstwahrnehmung wird immer flacher. Irgendwann merkst du gar nicht mehr, wie es dir eigentlich geht. 

Durch das "bloße" Wahrnehmen ermöglicht dir Achtsamkeit einen klaren, unverstellten Blick auf dein Leben, wie es wirklich ist – nicht, wie es sein sollte oder könnte. Damit hast du etwas ganz Wichtiges erreicht: Du bist im Hier und Jetzt – und machst dir deutlich weniger Gedanken darüber, was in Zukunft sein könnte.

Achtsam leben: Was sind die Vorteile?

Steigerung deiner Selbstwirksamkeit

Durch Achtsamkeit lernst du, dich leichter von belastenden oder überwältigenden Gedanken und Gefühlen zu distanzieren. Denk dir immer: "Ich bin nicht mein Gefühl, sondern ich habe ein Gefühl". Während dich das "bin-Gefühl" überwältigt, kannst du das "habe-Gefühl" verändern. So bleibst du handlungsfähig.

Besserer Bezug zu dir selbst

Achtsamkeit fördert dein Selbstbewusstsein. Du lernst dich besser kennen und wirst präsenter. Vielleicht entdeckst du auch Muster in deinem Denken, Fühlen und Verhalten (dein "Autopilot"), die du hinterfragen kannst.

Stressreduktion

Wenn du im Hier und Jetzt lebst, ist dein Kopf damit beschäftigt, die Dinge um dich herum bewusst wahrzunehmen. So bleibt weniger Zeit, um über kommende To-dos oder Probleme nachzudenken. Damit befasst du dich erst dann, wenn du die Aufgabe aktiv angehst. Deswegen kann Achtsamkeit dazu beitragen, Stress zu reduzieren.

Mehr Raum für dein intuitives Wissen und Verstehen

Achtsamkeitsübungen bringen dein Gefühl und deinen Verstand stärker in Balance. Das kann dir den Zugang zu deinem intuitiven Wissen und Verstehen (wieder) öffnen.

Achtsamkeit lernen: So geht's

Bei Achtsamkeit geht es um das "Was" und das "Wie". Denn achtsam zu sein bedeutet, Handlungen bewusst auf eine bestimmte Art und Weise auszuführen.

Die Was-Fertigkeiten der Achtsamkeit sind:

  • Wahrnehmen: Lass dich auf das ein, was gerade gegenwärtig ist.
  • Beschreiben: Finde Worte für deine Gedanken und Gefühle. Denn schon das Benennen schafft Abstand dazu.
  • Teilnehmen: Geh im gegenwärtigen Moment auf und lebe ihn.

Die Wie-Fertigkeiten der Achtsamkeit sind:

  • Annehmend: Nimm die aktuelle Situation wahr, ohne sie zu bewerten.
  • Konzentriert: Schenke dem, was du gerade tust, deine volle Aufmerksamkeit
  • Wirkungsvoll: Tu das, was gerade möglich ist. Und tu es so, dass es funktionieren kann.
Achtsamkeit Infografik [Quelle: stg die Mitarbeiterberatung]
Achtsamkeit ist ein Zusammenspiel der sogenannten Was- und Wie-Fertigkeiten

Achtsamkeit: Übungen für den Alltag

Achtsamkeit braucht Übung. Denn im Hier und Jetzt zu leben und dich ausschließlich auf die Dinge zu konzentrieren, die du in diesem Moment erlebst, ist gar nicht so einfach. Integrierst du in deinen Alltag regelmäßig Übungen, stellen sich erfahrungsgemäß nach etwa sechs Wochen erste Veränderungen ein. Du wirst merken, dass du ruhiger wirst oder dich Situationen nicht mehr so mitnehmen. Damit machst du dir das größte Geschenk überhaupt: Freiheit!

Achtsamkeit Übung 1: 5-4-3-2-1

Diese Übung kannst du im Stehen, Sitzen oder Gehen durchführen. Atme ein paar Mal tief durch und beginn:

  • Benenne (leise für dich) fünf Dinge, die du gerade siehst. 
  • Benenne vier Dinge, die du gerade fühlst, beispielsweise den Stoff des Pullis auf deinem Arm. 
  • Benenne drei Dinge, die du gerade hörst.
  • Benenne zwei Dinge, die du gerade riechst.
  • Benenne eine Sache, die du gerade schmeckst.  

Wenn dir beim Riechen oder Schmecken nur eine oder keine Sache einfällt, macht das nichts. Es geht darum, dass du dich einen Moment lang ganz auf deine Sinne konzentrierst. Wahrscheinlich tauchen während der Übung auch Gedanken oder Gefühle auf. Das ist absolut normal. Nimm diese kurz wahr und richte deine Aufmerksamkeit dann wieder auf deine Sinne.

Achtsamkeit Übung 2: Achtsames Warten

Achtsamkeit lässt sich sehr gut in unseren Alltag einbauen – zum Beispiel, wenn wir an der Kasse oder auf die S-Bahn warten. Meistens lenken wir uns dann ab. Wir greifen zum Handy oder lassen unsere Gedanken schweifen. Da ist er wieder, unser "Autopilot". Dabei lässt sich so eine Zwangspause auch dafür nutzen, einen Moment zur Ruhe zu kommen. Zum Beispiel so:

  1. Richte deine Aufmerksamkeit auf deine Füße. Spür den Boden unter den Zehen, Ballen, dem Mittelfuß und der Ferse. Wie stehst du da?
  2. Verlagere dann das Gewicht auf den rechten Fuß. Der linke Fuß liegt nur noch locker auf. Spürst du, wie der Boden dich trägt? Wie verändert sich die Auflagefläche? Nimmst du die Spannung im tragenden rechten Bein wahr? Beobachte deine Körperempfindungen.
  3. Wiederhole dasselbe mit dem linken Fuß.

Achtsamkeit Übung 3: Jonglieren

Jonglieren ist eine wunderbare Achtsamkeitsübung. Bist du nicht ganz bei der Sache, fällt einer der Bälle runter. Auch deinem Gehirn tust du damit etwas Gutes: Zur Koordination müssen beide Gehirnhälften zusammenarbeiten. Sie sind über den sogenannten "Balken" (Corpus Callosum) aus rund 300 Millionen Nervenfasern miteinander verbunden, der durch Jonglieren besonders aktiviert wird. Gleichzeitig regt das Werfen und Fangen die Durchblutung deines Körpers an. Dein Gehirn bekommt auf diese Weise mehr Sauerstoff. Außerdem baut die Bewegung Stresshormone ab.

Erste Erfolge im Jonglieren stellen sich erstaunlich schnell ein. Du wirst innerhalb weniger Minuten sicherer und das Glückshormon Dopamin wird ausgestoßen. So macht Achtsamkeit auch noch Spaß.

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