Preisfindung in der Versicherungsbranche: Eine komplexe Aufgabe

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Beim Thema Pricing in der Versicherungsbranche gilt das Motto 'garbage in, garbage out'. Im Interview erklärt Allianz-Spezialist Matthias Trüstedt, wie Versicherungsbeiträge entstehen und warum bei aller Mathematik und Statistik der gesunde Menschenverstand wichtig ist.
Die Preisfindung in der Versicherungsbranche ist um einiges komplexer als etwa in der Automobilindustrie: Kostet ein Auto beispielsweise in der Produktion 20.000 Euro und wird für 25.000 Euro verkauft, liegt der Gewinn bei 5.000 Euro. Das ist bei jedem Kunden gleich. Schließt ein Kunde aber eine Haftpflichtversicherung ab, bekommt er erst einmal "nur" das Versprechen, dass die Allianz im Schadenfall für ihn da ist. Kosten entstehen bis dahin nur durch die Ausstellung der Police und die Provision.
Die tatsächlichen Kosten, die die Allianz in der Zukunft begleicht, wenn etwas schiefgeht – also ein Schaden passiert – sind beim Vertragsabschluss für ein einzelnes versichertes Risiko unbekannt. Gleichzeitig müssen sie vorab möglichst gut prognostiziert werden, da sie in der Regel den größten Anteil an der notwendigen Prämie ausmachen. Für solche Prognosen sind Matthias Trüstedt, Fachbereichsleiter Sach-Produkte und Aktuariat, und sein Team zuständig.
"Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Schaden eintritt, unterscheidet sich deutlich zwischen unterschiedlichen versicherten Risiken und hängt in der Regel auch maßgeblich davon ab, wer die Versicherung kauft. Ein Beispiel: Peter Müller schließt eine Autoversicherung ab. Er ist 18 Jahre alt und hat seit zwei Wochen seinen Führerschein. Aktuarielle Statistiken belegen, dass bei Fahranfängern das Unfallrisiko – bei ansonsten vollkommen identischen Merkmalen – um ein Vielfaches höher ist als bei erfahrenen Autofahrern. Hinzu kommen im Durchschnitt höhere Schäden. Daraus folgt: Höheres Risiko gleich höhere Kosten, und das spiegelt sich auch in einer höheren Prämie wieder", so Trüstedt.
Neue Risiken sind immer ein bisschen wie ein Sprung ins kalte Wasser, aber gleichzeitig eine spannende Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln.
Im Vergleich mit der Automobilindustrie verkauft die Allianz als Versicherung ein Produkt, dessen 'Herstellungskosten' beim Verkauf nicht fix sind und nur möglichst gut statistisch ermittelt werden können. Das mache es zusätzlich notwendig, die Kalkulation und die Annahmen dahinter regelmäßig zu überprüfen und bei Bedarf kurzfristig anzupassen.
Aus den Schadenerfahrungen der vergangenen Jahre entstehen mathematische Prognosen. Diese Erfahrungen liefern alle Allianz-Kunden mit ihren jeweiligen Merkmalen und ihrer Schadenhistorie sowie der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Letzterer allerdings auf gröberer Ebene. "Mittels statistischer und stochastischer Methoden erkennen wir aus den Daten Zusammenhänge und leiten daraus Prognosen ab. Diese werden sowohl auf historische Daten überprüft, die nicht Teil der Modellierung waren, als auch laufend im Vergleich mit dem, was aktuell passiert. Schwierig wird es, wenn es wenig oder gar keine Schadenerfahrung gibt – keine Daten, keine statistische Prognose", sagt Trüstedt. Das passiere unter anderem bei völlig neuen Versicherungsleistungen.
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Zum Beispiel bei der Mitversicherung von Haftpflichtschäden in der Privathaftpflicht, die durch Hobby- und Freizeit-Drohnen verursacht werden. Hier kann die Schadenabteilung helfen und man braucht gemeinsame Überlegungen mit unterschiedlichen Experten, in diesem Fall zum Beispiel aus der Luftfahrtversicherung: Wie häufig kann etwas passieren und wie teuer wird das?
"Die Drohne könnte außer Kontrolle geraten, abstürzen, der Akku ausfallen, die Technik versagen oder durch einen bloßen Bedienfehler einen Schaden verursachen. Der Super-GAU: Die Drohne fliegt über einer Autobahnbrücke in ein Fahrzeug hinein, das Auto stürzt von der Brücke und ein LKW-Fahrer rast gegen den Brückenpfeiler, woraufhin die gesamte Brücke erneuert werden muss und monatelang gesperrt ist. Daran sieht man, dass wir uns jedes Mal fragen müssen, was wir versichern und in welcher Höhe? Neue Risiken sind dabei immer ein bisschen wie ein Sprung ins kalte Wasser, aber gleichzeitig eine spannende Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln", sagt Trüstedt.
Dass Prognosen sich auch als ziemlich falsch herausstellen können, zeigt ein Blick in die Versicherungshistorie: Früher spielte es eine Rolle bei der Autoversicherung, ob man eine Garage besitzt. Es galt: Wer eine Unterstellmöglichkeit für sein Auto hatte, hatte weniger beziehungsweise weniger teure Schäden. "Wenn aber fast alle Versicherten angeben, eine Garage zu haben, muss ich mich als Mathematiker frühzeitig fragen, wie glaubwürdig ist das?", sagt Matthias Trüstedt.
"Entsprechen die Prognosen nicht der Realität, liegt das meist an den Daten oder deren mangelnder Qualität – nach dem Motto 'garbage in, garbage out' ('Unsinniger Input ergibt unsinnigen Output'). Bei aller Mathematik und Statistik sollte man deshalb immer den gesunden Menschenverstand anschalten und die Augen in Richtung Wettbewerber und Marktentwicklung offenhalten."
Dieser Artikel wurde zuerst im Webmagazin der Allianz Deutschland AG veröffentlicht.