Kolumne "Uni Live": Auf die richtige Motivation kommt es an

Autor*innen
Laura Kinzig
Frau in kurzen Hosen und Blazer schwebt über einer Pyramide. Sie ist von Strahlen umgeben und liest ein Buch.

Die Motivation ist eine sprunghafte Begleiterin im Studium. Woher kommt sie? Warum ist sie so schwer zu finden? Und warum verschwindet sie manchmal so schnell wieder? Eine Spurensuche.

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An manchen Tagen sitze ich am Schreibtisch und warte auf meine Motivation. Ich selbst bin fürs Arbeiten bestens vorbereitet: Kalender und To-Do-Liste liegen vor mir, das Textdokument, an dem ich gerade arbeite, ist bereits auf meinem Laptop geöffnet. Doch die Motivation will trotzdem nicht kommen. Ohne motiviert zu sein, kann ich unmöglich anfangen zu arbeiten, denke ich. Na gut, dann mache ich eben zuerst noch einen Kaffee, schreibe eine E-Mail oder lese ein paar Zeitungsartikel. Irgendwann werde ich die Motivation schon finden. Manchmal erscheint sie auch von selbst, nur um dann nach einer Stunde wieder zu verschwinden – wohin, ist mir ein Rätsel.

In Situationen wie diesen helfen mir Tipps für diszipliniertes und produktives Arbeiten wenig – also solche wie: Handy in den Flugmodus stellen oder den Schreibtisch aufräumen. Auch der scheinbar naheliegende Ratschlag, doch einfach anzufangen, bringt mich nicht weiter, denn ich bin überzeugt, dass ich Motivation brauche, um lernen zu können. Wenn ich erst einmal motiviert bin, läuft alles wie am Schnürchen.

Irgendwann beschließe ich, dass es so nicht weitergehen kann. Ich möchte nicht länger das Gefühl haben, ohne Motivation nicht richtig arbeiten zu können, ich möchte sie verstehen und mir zunutze machen. Kurzerhand beginne ich zu recherchieren. Was ist Motivation eigentlich? Der Begriff kommt vom lateinischen Verb „movere“ und bedeutet, etwas zu bewegen oder anzutreiben. Motivation ist also jene Kraft, die uns dazu bewegt, etwas zu tun – zum Beispiel, eine Bewerbung zu schreiben oder unsere Oma anzurufen. Doch wie finden wir überhaupt die Motivation dafür, etwas zu tun?

Ein Teil von uns

Schon der griechische Philosoph Epikur hat sich mit derartigen Fragen beschäftigt. Er ging davon aus, dass Menschen stets versuchen, positive Zustände wie Freude und Vergnügen herbeizuführen, aber negative Zustände wie Schmerz oder Leid zu vermeiden. In der Motivationspsychologie wird dies das Lust-Unlust-Prinzip genannt. Motivation ist ein Überbegriff für alle menschlichen Bedürfnisse und Wünsche und umfasst alle Beweggründe und Einflüsse, die Menschen dazu bringen, irgendeine Art von Handlung auszuführen.

Wenn ich diesen begrifflichen Rahmen recht bedenke, merke ich, dass ich in meinem Umgang mit der Motivation ziemlich falsch gelegen habe. Schließlich ist sie ein Teil von mir und damit immer schon präsent – ich muss also gar nicht auf sie warten. Die Motivation ist nämlich nicht nur die Stimme der Vernunft oder der Tatendrang beim Lernen und Arbeiten, sondern ebenfalls die Energie, die mich dazu bewegt, überhaupt irgendetwas zu tun – also auch, ein Glas Wasser zu trinken oder einen Serienmarathon zu veranstalten. Sie ist ein wesentlicher Bestandteil unserer gesamten menschlichen Natur.

Unterschieden wird zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation. Intrinsische Motivation ist eine innere Antriebskraft, die aus einem tiefen Interesse an einer Aktivität oder einem Thema hervorgeht. Die Begeisterung über das Ausüben einer Tätigkeit sorgt dann unabhängig von den Folgen für ein Gefühl der Zufriedenheit. Demgegenüber ist die extrinsische Motivation eine äußere Antriebskraft. Mit extrinsisch motivierten Handlungen will man ein erwünschtes Ergebnis herbeiführen, wenn man zum Beispiel lernt, um eine Klausur zu bestehen, oder ein unerwünschtes Ereignis zu vermeiden, indem man etwa das Bad putzt, um keinen Krach mit den Mitbewohnern zu riskieren. Die beiden Formen der Motivation schließen sich dabei nicht aus, sondern existieren nebeneinander. Ist man sich der verschiedenen Ursachen der eigenen Motivation bewusst, kann es leichter sein, sie aufrechtzuerhalten. Das gelingt zum Beispiel, indem man immer wieder bewusst jene Dinge tut, die einen begeistern oder sich kleine Aufgaben mit festen Deadlines setzt und sich Belohnungen für den Zeitpunkt überlegt, an dem man seine Ziele erreicht hat.

Eine heikle Sache im Studium

Die Fähigkeit, die eigene Motivation aufrechtzuerhalten, haben jedoch nicht alle Menschen in gleichem Maße. So stehen beispielsweise Menschen, die von der Aufmerksamkeitsstörung ADHS betroffen sind, vor deutlich größeren Herausforderungen, da sie nicht einfach entscheiden können, eine Aufgabe genau jetzt zu erledigen und Schwierigkeiten damit haben, bei einer Sache zu bleiben. Besonders im Gespräch mit anderen sollten wir deshalb bedenken, dass Motivation nicht das Allheilmittel für Probleme mit Produktivität oder Selbstorganisation ist und es viele andere Faktoren gibt, die dabei eine Rolle spielen können.

Vor allem in Bezug aufs Studium ist der Umgang mit der Motivation eine heikle Sache. Manchmal verschwindet die Motivation fürs Lernen oder Lesen von Forschungsliteratur einfach wieder, nachdem sie einmal da war. Woran liegt das nun wieder? Aus meiner Selbstbeobachtung sehe ich vor allem zwei Ursachen: Frust und Langeweile. Mir kommt die Motivation oft in den Momenten abhanden, in denen ich Frust darüber empfinde, das Gefühl zu haben, eine Sache tun zu müssen, statt sie tun zu wollen. Ärger stellt sich darüber ein, dass ich sie dann trotzdem nicht mache. In solchen Momenten versuche ich mich daran zu erinnern, dass ich nicht jede Aufgabe sofort, komplett und alleine lösen muss – und dass ich auch einer ganz anderen Tätigkeit nachgehen kann, die ich gerade wirklich gern machen möchte.

Manchmal verliere ich die Motivation auch, wenn ich mich langweile oder das Gefühl habe, in einer Routine festzustecken, die verhindert, dass ich mich weiterentwickle. Gerade durch die Arbeit an meiner Dissertation beschäftige ich mich über einen sehr langen Zeitraum mit den immer gleichen Themen. Wenn ich nicht ab und zu verschiedene Methoden für das wissenschaftliche Schreiben und Notizenmachen ausprobiere, oder versuche, meine Fragestellungen aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten, verliere ich zeitweise die Lust.

Ich denke, um die richtige Motivation für eine Sache zu finden, ist es am besten, ehrlich zu sich selbst zu sein und sich zu fragen, welche unterschiedlichen Wünsche und Bedürfnisse man gerade in sich spürt und ob man ihnen Raum geben möchte. Und ich denke, es ist wichtig, sich nicht zu verurteilen, wenn die Motivation für eine Ruhepause manchmal größer ist als die fürs Vokabelnlernen. Schon Oscar Wilde wusste: "Nichtstun ist die schwierigste Tätigkeit und zugleich die, die am meisten Geist erfordert."

Laura Kinzig, 26 Jahre alt, promoviert im Fach Literaturwissenschaft an der Universität Göttingen über das Verstehen literarischer Texte. Sie sammelt fremdsprachige Lieblingswörter wie andere Leute Briefmarken und fragt sich, wie man die Disziplin, sechs Bücher parallel zu lesen, zum Beruf macht.

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