Karriere im Huckepack

Autor*innen
Katja Scherer
Zwei Hände, deren Zeigefinger sich annähern. Zwischen den Fingern ein Blitz.

Gute Kontakte und verlässliche Allianzen sind entscheidend, um aufzusteigen. Doch wie knüpft und pflegt man sie geschickt, ohne dass es schleimig wirkt?

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Es war erst sein zweiter Tag als Trainee bei der Messe Düsseldorf – und schon musste Marius Berlemann zum Geschäftsführer. Nicht etwa, weil er Mist gebaut hatte. Im Gegenteil. Als er ins Eckbüro auf der zehnten Etage mit Blick über die ganze Stadt trat, saß sein Chef mit dem damaligen Leiter des Chinageschäfts zusammen und plante eine Weinmesse im Reich der Mitte. Berlemann hatte im Studium ein Semester in der ostchinesischen Stadt Qingdao verbracht. Der Chef wollte sein Wissen nutzen. Und erkundigte sich gleich, ob Berlemann nicht die Entwicklung des Messekonzepts übernehmen wolle. Berlemann sagte zu. Er wollte diese Chance nutzen. Eine Chance, wie sie sich nicht alle Tage bietet. Und eine, die sich gut 13 Jahre später auszahlen sollte: Seit Kurzem nämlich ist er Geschäftsführer bei der Messe Düsseldorf.

Berlemann hatte bei seinem Aufstieg die Unterstützung von gleich drei Führungskräften. Neben seinem Vorvorgänger, dem Mann, der ihm damals das Chinaprojekt übertrug, zählt er den aktuellen Vorsitzenden der Geschäftsführung, Wolfram Diener, zu seinen Förderern. Außerdem sei ein Bereichsleiter für seine Karriere wichtig gewesen, der ihm ebenfalls früh viel Verantwortung zugetraut habe, sagt Berlemann. Alle drei sahen offenbar Potenzial in ihm und setzten sich für ihn ein – etwa wenn es um wichtige Positionen im Unternehmen ging. So wurde Berlemann zunächst Projektleiter, dann 2019 Leiter des Chinageschäfts und nun Chef des operativen Messegeschäfts bei dem gut 600-köpfigen Unternehmen.

Möglichst nah an die Macht

Gute Verbündete helfen bei der Karriere. Vor allem, wenn sie selbst über viel Macht verfügen. Manager und Managerinnen also, die ganz oben stehen: Das zeigt nicht nur der Werdegang von Marius Berlemann. Kaum ein Dax-Chef ist ohne Förderer ins Amt gekommen. Der amtierende Henkel-Chef Carsten Knobel zum Beispiel zählt seine Vorgänger Ulrich Lehner und Caspar Rorsted zu seinen Unterstützern. Allianz-Chef Oliver Bäte galt bei seinem Amtsantritt 2014 als Kronprinz von Ex-Konzernchef Michael Diekmann, der dort heute den Aufsichtsratsvorsitz innehat. Und beim Autobauer Mercedes-Benz, wo in den kommenden Jahren voraussichtlich einige Vorstände in den Ruhestand gehen, bringt der amtierende CEO Ola Källenius bereits einige seiner Vertrauten als Nachfolger in Stellung.

Ein guter Draht zum Chef zahlt sich also oft aus. Aber wie schafft man das: seinem Chef aufzufallen? Ihm so zu imponieren, dass er einen auf seinem Karrierepfad mitnimmt und als Nachfolger fördert? Managementberater Michael Stoermer kennt die Dynamik von firmeninternen Netzwerken. Er hat früher selbst als Vorstandsvorsitzender gearbeitet, unter anderem bei einem Edelmetallhändler und -hersteller. Heute berät er Vorstände und Geschäftsführer. Er sagt: "Chefs sind oft einsam." Wer bei seinem Chef punkten wolle, müsse dessen Herausforderungen verstehen und vorausschauend Lösungen dafür anbieten. "Der Chef muss merken: 'Da sieht jemand meine Probleme und hilft mir dabei.' Dann wird er auch bereit sein, etwas zurückzugeben."

Reinhängen, aber richtig

Marius Berlemann fiel seinem Chef zunächst dadurch auf, dass er China, die dortigen Gepflogenheiten und Geschäftsbeziehungen gut kannte. Allein das hätte aber nicht gereicht, sagt er. "Ich habe mir das Vertrauen meiner Vorgesetzten hart erarbeitet." Er habe schon als Trainee an Projektentwürfen so lange gefeilt, bis er sie als "perfekt" empfunden habe, und dafür viele Überstunden in Kauf genommen. Später verbrachte er oft seine Wochenenden auf der Messe, um ausländische Geschäftspartner kennenzulernen. Und von 2019 bis 2024 leitete er von Shanghai aus das Chinageschäft der Messe Düsseldorf – davon einen großen Teil ohne Frau und Kinder, da seine Familie wegen der Restriktionen in der Coronapandemie nach Düsseldorf zurückging. "Meine Chefs investierten in mich, weil sie gesehen haben, ich investiere in die Firma", sagt er.

Der persönliche Draht zu seinen Vorgesetzten sei gut, aber nie privat eng gewesen. Wichtig sei ihm vor allem gewesen, sich beruflich mit seinen Chefs auszutauschen, insbesondere in Phasen, in denen er länger im Ausland arbeitete. Als Leiter des Chinageschäfts zum Beispiel besprach er regelmäßig, etwa alle drei Wochen, mit dem damaligen Messechef Wolfram Diener aktuelle Entwicklungen in der Branche und im Unternehmen per Videocall. Zwischendurch meldete sich Berlemann gelegentlich bei seinem Vorgesetzten, schickte mal den Link zu einem interessanten Artikel oder ein Foto von einer Innovation bei einer Messe in China, die auch für den deutschen Markt interessant sein könnte. Managementberater Michael Stoermer hält dies für klug. Wer Chefs auffallen wolle, müsse Präsenz zeigen und gute Anregungen liefern, betont er. "Laberer und Schleimer mag keiner gern."

Sich nur auf den Chef zu verlassen kann allerdings riskant sein. Das zeigt die Erfahrung von Sabine Jaskula, einst Personalvorständin beim Autozulieferer ZF, inzwischen Aufsichtsrätin bei dessen Rivalen Mahle. Ihre Karriere, sagt sie heute, wäre beinahe nie so richtig in die Gänge gekommen. Jaskula fing 2001 in der Autobranche an, bei einem Tochterunternehmen von Continental. Sie habe dort stets sehr gute Bewertungen erhalten – sei aber von ihrem Chef innerhalb des Unternehmens einfach nicht weiterempfohlen worden. Vielleicht weil Führungskräfte ihre besten Leute oft lieber gerne "an Bord" halten wollen, mutmaßt sie. Ihr selbst jedenfalls sei die fehlende Förderung damals lange nicht bewusst gewesen.

Assistenz als Sprungbrett

2004 lernte sie bei einem Strategieworkshop den Personalleiter einer anderen Division kennen, der beeindruckt war von ihren gut strukturierten Argumenten und klaren Worten. Er empfahl sie als Assistentin des damaligen Personalvorstands bei Continental, Thomas Sattelberger. Erst dadurch sei ihre Karriere in Schwung gekommen, sagt Jaskula. Ihr Fazit: "Verlass dich nie auf einen Vorgesetzten, sondern bau lieber ein breites Netzwerk auf."

Die Rolle als Vorstandsassistentin war dafür perfekt: Jaskula war im direkten Austausch mit vielen Abteilungen, bekam Einblick in wichtige strategische Themen und konnte sich mit vielen Führungskräfte persönlich vernetzen. "Danach kannte man mich im Konzern." Und diese Bekanntheit baute die Managerin ganz gezielt aus, wechselte durch verschiedene Abteilungen vom Bereich Auslandsentsendungen bis hin zur Reifenherstellung, bis sie 2016 die Personalleitung über rund 43 000 Mitarbeiter bei der Firmentochter Contitech übernahm. Das breite Netzwerk, dass sie sich geschaffen hatte, habe ihr dabei geholfen, betont sie. "Durch die persönlichen Kontakte wusste ich genau: Was tut sich in welcher Abteilung? Wohin entwickelt oder verändert sich gerade jemand? Welche Kompetenzen sind wo gefragt? Und welche Themen sind insgesamt für das Unternehmen wichtig?" Neben diesem Wissensvorsprung habe ihr das Netzwerk aber auch persönlichen Rückhalt verschafft: Man habe sie nicht nur gekannt, sondern geschätzt, sagt Jaskula.

An der richtigen Stelle

"Nur wer durch alle Abteilungen hinweg gut vernetzt ist, kann als Vorstand oder Geschäftsführer Ideen durchsetzen", betont Managementberater Stoermer. Das gilt umso mehr, wenn man als Vorstand harte Maßnahmen wie Stellenstreichungen durchsetzen muss, so wie Sabina Jaskula später bei ZF, nachdem sie dort 2019 Personalvorständin geworden war. Deshalb sollte, wer Karriere machen will, nicht nur nach oben schauen – sondern genauso um sich herum, ja, auch nach unten. Ein firmeninternes Netzwerk sei essenziell, um überhaupt für Vorstandspositionen in Betracht zu kommen. Und später für den Machterhalt. Sonst sind Vorstände oft schnell wieder weg. Weil sie dann keine Fürsprecher im Unternehmen haben, die ihnen den Rücken stärken, wenn es Konflikte gibt. Mit ihren Ideen so seltener punkten und schnell als nicht durchsetzungsstark gelten.

Insbesondere haben das in den vergangenen Jahren Frauen erlebt, wie in jüngster Zeit Martina Merz bei Thyssenkrupp oder Carla Kriwet bei Fresenius Medical Care. Beide wurden extern angeworben und waren vorher in ganz anderen Branchen. Sich dann ein tragfähiges Netzwerk aufzubauen scheint schwer. Die Deutsche Telekom zum Beispiel holte einst die ehemalige baden-württembergische Kultusministerin Marion Schick in den Vorstand. Das war 2012, als Frauen in Führungspositionen noch viel seltener waren. Schick blieb als Personalvorständin nur zwei Jahre. Wohl auch, weil sie zwar über ein Netzwerk in Politik und Wissenschaft verfügte – nicht aber im Konzern.

Dem neuen Geschäftsführer der Düsseldorfer Messe, Marius Berlemann, ist die Bedeutung verlässlicher Beziehungen bewusst. Der Aufsteiger ist daher nicht nur in der Führungsetage gut vernetzt, sondern in allen Bereichen des Unternehmens. Berlemann sei als Leiter des Chinageschäfts während seiner Besuche in Düsseldorf immer mal wieder persönlich in anderen Abteilungen vorbeigekommen, erzählt ein Mitarbeiter. Er stelle Nachfragen und höre zu. "Mir ist es wichtig, zu verstehen, was in den einzelnen Bereichen des Unternehmens los ist und was die Kollegen aus den Abteilungen umtreibt", sagt Berlemann selbst.

Aufrichtiges Interesse zu haben, anstatt vorgeschobenes Interesse zu heucheln – genau das sei das Erfolgsgeheimnis guten Netzwerkens, sagt Gudrun Happich. Die studierte Biologin berät seit mehr als 25 Jahren Geschäftsführerinnen und Vorstände. Sie betont, es gehe beim Netzwerken nicht darum, Visitenkarten einzusammeln. "Das allein schafft noch keine Kontakte, die einen später weiterbringen." Vielmehr gelte es, mit Kollegen und Vorgesetzten eine zwischenmenschliche Beziehung aufzubauen. Und das wiederum setze Wertschätzung und ein echtes Interesse am Gegenüber voraus. Es gehe darum, zu verstehen: Wer ist mein Gegenüber? Was macht er? Was treibt sie an? "Denn dann weiß man auch, was kann ich dieser Person anbieten, was für sie von Interesse ist, sodass sie danach bereit ist, mir wiederum zu helfen."

Raus aus der Komfortzone

Klingt berechnend? Eher taktisch klug, findet Gudrun Happich – und empfiehlt, sich vor Netzwerkveranstaltungen entsprechend vorzubereiten. Sinnvoll ist aus ihrer Sicht, sich zum Beispiel vor einem Firmenevent zu überlegen, ob dort Leute aus einer bestimmten Abteilung oder auch Hierarchieebene teilnehmen, für die man perspektivisch gerne arbeiten möchte. Dann gilt es, gezielt auf diejenigen zuzugehen und einen ersten persönlichen Kontakt aufzubauen. Vielen falle so etwas im ersten Moment schwer. Natürlich sei es einfacher, in der eigenen Komfortzone zu bleiben und sich mit den Menschen aus dem eigenen Team zu unterhalten, die man eh schon gut kenne. "Aber Karriere macht man dann eben nicht", betont Happich.

Wer ganz nach oben wolle, müsse vor allem die Meinungsmacher im Unternehmen hinter sich haben – und das seien oft Betriebsräte oder auch mal die Sekretärin des Chefs, sagt Happich. Sie rät zudem, sich auch außerhalb der Firma gut zu vernetzen, etwa mit Kunden, Branchenverbänden und Kollegen aus anderen Unternehmen. Die heutige Mahle-Aufsichtsrätin Sabine Jaskula bestätigt das. Sie habe als Personalvorständin ein Netzwerk aus vertrauten Vorstandskollegen gehabt, mit dem sie sich über die Herausforderungen ihrer Arbeit ausgetauscht habe, erzählt sie. Und fachlich habe ihr der gute Draht zu Kollegen aus anderen Automobilfirmen genutzt. So bekam sie mit, welche Personalthemen dort diskutiert wurden.

Bereit für Abwege

Ein Netzwerk über die Unternehmensgrenzen hinweg erhöht zudem die Karrierechancen. Denn nicht jeder Aufstieg verläuft gradlinig in einer Branche. Der Manager Hermann de Jong zum Beispiel hat gute Erfahrung mit häufigen Wechseln gemacht. Er startete einst beim Chemiekonzern BASF und dessen Tochter Wintershall, wurde dann Finanzvorstand bei einem Bauzulieferer und später CEO bei einem Strumpfhersteller. Mittlerweile führt er das Unternehmen Nicocyl, das Recyclingböden für Industriebetriebe herstellt. Es sei spannend, all diese Branchen kennenzulernen, sagt er. "Und auch so ein Werdegang ist ohne gute Kontakte nicht möglich."

Enge Kontakte pflegt er zu vielen früheren Kollegen, die er über die Jahre kennengelernt hat – und zu Personalberatern. Sein Name, so sagt er, stehe bei über 100 Headhuntern auf der Liste. Und vielen davon sende er regelmäßig seinen aktualisierten Lebenslauf zu. Denn Karriere lasse sich selten gezielt planen. "Gerade in großen Unternehmen hängt es auch vom Glück ab, ob man zur richtigen Zeit auf der richtigen Position ist." Wer aufsteigen wolle, sollte daher immer in viele Richtungen blicken, lautet sein Rat. Und auch in viele Richtungen signalisieren, dass man viel leisten kann und leisten wolle, verlässlich sei und Leidenschaft für eine bestimmte Branche mitbringe. Sich im Voraus gezielt einzelne Menschen herauszusuchen, die man für wichtig hält, und nur diese Beziehungen pflegen – das funktioniere einfach nicht. Keiner habe Lust, für andere lediglich den Steigbügelhalter zu spielen. "Wer das versucht, wird früher oder später Schiffbruch erleiden."

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