Großkanzleien schrauben Gehälter hoch: 180.000 Pfund zum Berufseinstieg

Autor*innen
Marcus Jung und Philip Plickert
Ein junger Mann im Business-Dress surft auf einem Dollarschein

Großkanzleien in London schrauben ihre Gehälter hoch, angetrieben von der US-Konkurrenz. Auch in Deutschland dominieren Amerikaner den Markt.

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Die Einstiegsgehälter der internationalen Wirtschaftskanzleien in Großbritannien erreichen immer luftigere Höhen. Vor allem amerikanische Kanzleien heizen den Wettbewerb um die besten Talente und exzellenten Nachwuchsjuristen mit sehr hohen Angeboten an. Die Kanzlei Quinn Emanuel kündigte vergangene Woche an, die Gehälter für Berufseinsteiger (Newly Qualified Lawyers) am Londoner Standort um 18 Prozent auf 180.000 Pfund (umgerechnet 210.000 Euro) zu erhöhen.

Damit ist die auf Wirtschaftsprozesse spezialisierte US-Kanzlei kein absoluter Ausreißer. Konkurrentin Gibson Dunn zahlt das gleiche Gehalt, insgesamt bieten nach einer Recherche des Branchen-Magazins "The Lawyer" fast zwanzig Kanzleien, alle mit amerikanischem Mutterhaus, britischen Nachwuchsjuristen mehr als 150.000 Pfund – erst dann folgt mit Freshfields Bruckhaus Deringer die erste britische "Magic-Circle"-Kanzlei.

Noch vor einem Jahrzehnt wären solche Gehälter undenkbar gewesen. 2010 bot erstmals eine Kanzlei in London 100.000 Pfund für Berufseinsteiger. "Das erschien damals eine schockierend hohe Summe", erinnert sich Catrin Griffiths, Chefredakteurin bei "The Lawyer". Inzwischen haben die amerikanischen Kanzleien den Markt in London insgesamt noch viel weiter nach oben gezogen. Die Vergütungsschemata werden in den US-Zentralen beschlossen. "Die Gehälterinflation ist komplett aus New York importiert", betont Griffiths.

US-Kanzleien haben in den vergangenen Jahren in London massiv expandiert und deutlich an Marktanteilen gewonnen. Dabei werben sie aggressiv mit ihren Gehältern um Juraabsolventen. Bei den Einstiegsgehältern schienen die einheimischen Kanzleien inzwischen abgehängt. Freshfields ist die am besten zahlende britische Wirtschaftskanzlei. Sie hat kürzlich eine Gehaltserhöhung für Berufseinsteiger um 20 Prozent auf 150.00 Pfund beschlossen. Damit hat sie sich an die Spitze des altehrwürdigen Elitekreises der fünf einflussreichsten Kanzleien gesetzt, zu dem neben ihr noch Clifford Chance, Linklaters, Slaughter and May sowie Allen & Overy (von Mai 2024 an: A&O Shearman) gehören. Mit Ausnahme von Freshfields sind diese mit Einstiegsgehältern zwischen 115.000 und 125.000 Pfund weit von der US-Konkurrenz entfernt.

"Die Ankündigung von Freshfields ist ein Zeichen dafür, dass sich das Unternehmen bei seiner Talentstrategie nun an US-Normen orientiert", sagt Branchenkennerin Griffiths. Das gelte nicht nur für den Markt der Berufsanfänger, sondern vor allem für die Einstellung von Partner, wo Freshfields auch in den Vereinigten Staaten hoch dotierte Stellen geschaffen habe. Freshfields wollte sich aus dem "magischen Kreis" herauslösen und in Führung gehen, meint Griffiths. Man wolle eine Unternehmenskultur fördern, in der Mitarbeiter ihr Bestes geben können, sagte Mark Samson, in London Geschäftsführender Partner von Freshfields. "Die Londoner Gehaltserhöhungen folgen auf ein Jahr starken Wachstums für unser Londoner Geschäft dank des Engagements aller Mitarbeitenden."

Auch nach dem Brexit hat London seinen Status als wichtigster Standort für Anwaltskanzleien, insbesondere im Wirtschaftsrecht, in Europa und als größter Markt für Rechtberatung außerhalb der USA behauptet. Was die Kanzleien durch den Brexit an Geschäft verloren haben, wurde durch die enormen Summen, die Private-Equity-Investoren und Unternehmen für Fusionen und Übernahmen (M&A) zahlen, mehr als wettgemacht. So wird auch in diesem Jahr mit einem Anstieg des M&A-Geschäfts gerechnet, sodass die Gewinne der erfolgreichen Partner in London teilweise die Schwelle von vier Millionen Pfund überschreitet werden.

Auf der anderen Seite des Ärmelkanals, auf dem deutschen Kanzleimarkt, herrschen vergleichbare Kräfteverhältnisse. In den Jahren seit der globalen Finanzkrise 2007 sind hier die Einstiegsgehälter der Großkanzleien um bis zu 80 Prozent nach oben geschnellt. Damals zahlte die Marktspitze 100.000 Euro für die besten Nachwuchsjuristen. Heute liegt das Spitzengehalt, ebenfalls getrieben von einer Gruppe von US-Kanzleien, bei 180.000 Euro Grundgehalt im ersten Berufsjahr, das die Wall-Street-Kanzlei Milbank zu zahlen bereit ist. Ihr folgen eine Reihe prominenter US-Kanzleien, darunter mit Kirkland & Ellis und Latham & Watkins die beiden umsatzstärksten Kanzleien der Welt.

Trotz zwischenzeitlicher Nullrunden bei Gehaltserhöhungen ("pay freeze") und zum Teil deutlicher Währungsverluste zwischen US-Dollar und Euro haben sich diese Kanzleien im oberen Gehaltssegment – und in der Gunst mancher Bewerber – etabliert. Deutsche Einheiten folgen mit einigem Abstand: Die Top-Kanzlei Hengeler Mueller zahlt ihren Associates im ersten Jahr zwischen 150.000 und 160.000 Euro Grundgehalt, an der oberen Schwelle wie die M&A-Boutique Renzenbrink. Übertroffen werden beide nur von Poellath, deren Anwälte sich vor allem auf die umfassende Beratung von Fonds und Vermögensverwaltern konzentrieren. Alle potentiellen Arbeitgeber hierzulande stehen jedoch vor dem gleichen Problem: Die Zahl der Juraabsolventen in Deutschland sinkt. Der Wettbewerb um das knappe Angebot an exzellenten Nachwuchsjuristen wird mit jedem Jahrgang härter – und nicht selten über das beste finanzielle Angebot entschieden.

So hoch sind die Einstiegsgehälter für Anwälte in Kanzleien

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