Erfahrungsbericht – LL.M.: Hebrew University

Autor*innen
David Bieger
Ein Mann tanzt auf einer altmodischen Stereoanlage mit Plattenspieler

Für den LL.M. gehen viele Studierende nach Australien, Großbritannien oder die USA. Mit seinem rechtswissenschaftlichen Masterstudium an der Hebrew University in Jerusalem gilt David demnach eher als Exot. Das hegt Aufmerksamkeit bei Bewerbungsgesprächen.

Jiddisch-sprechende ultraorthodoxe Juden, die in schwarzen Anzügen durch die Straßen huschen; Shisha-rauchende muslimische Palästinenser, die gemeinsam das Fasten brechen; feierwütige Israelis, die in alternativen Clubs zu arabischen Technobeats raven; christliche Pilger, die auf Jesus’ Kreuzweg wandeln – und das alles in einem Radius von 500 Metern? Willkommen in der kontroversen und faszinierenden Heiligen Stadt.

Wie landet man in Jerusalem?

Nach Bewerbungen für Glasgow, Edinburgh und London wollte ich auch eine ungewöhnliche Option unter meinen möglichen Master-Zielen haben und entschied mich für Jerusalem. Ausschlaggebend war für mich neben einem englischsprachigen Völkerrechtsprogramm auch die Möglichkeit, die arabische Sprache weiter zu vertiefen. Trotz interessanter Programme "auf der Insel" fiel die Entscheidung zugunsten guten Wetters und Essens.

Neben einem völkerrechtlichen Schwerpunkt, großem Interesse am Nahen Osten – das ich vermutlich mit einigen Lesern teile – und rudimentären Arabischkenntnissen bestanden zunächst nicht viele Anknüpfungspunkte. Weder war ich zuvor bereits in Jerusalem gewesen, noch hatte ich familiäre oder religiöse Verbindungen dorthin, außer dass mir einige Orte aus dem Religionsunterricht geläufig waren. Den meisten dürfte klar sein, dass man sich mit einem Studium im Nahen Osten auf schwieriges politisches Terrain begibt. Israel polarisiert, und es vergeht kaum ein Tag, an dem die Region nicht im medialen Fokus steht.

Dennoch kann man sich vor Ort wohl das beste Bild von der Situation machen und das nötige Fingerspitzengefühl entwickeln. Wenn man sich auf Land und Leute einlässt, werden so manche Vorstellungen, die man vorher hatte, auf den Kopf gestellt – etwa wenn man orthodoxen Juden begegnet, die den israelischen Staat aufs Schärfste ablehnen, und Arabern, die in der israelischen Armee dienen. Aber hier wird jeder seine eigenen Erfahrungen machen.

Die Universität und das Programm

Die Hebrew University liegt auf dem Mount Scopus in Ostjerusalem (gleich neben dem aus der Bibel bekannten Ölberg) in einer jüdischen Enklave im sonst arabischen Teil der Stadt. Sie hat einen wunderschönen Campus, von dem man auf die Altstadt und bei gutem Wetter bis zum Toten Meer und nach Jordanien blicken kann. Ich habe dort das Programm "International Law and Human Rights" absolviert. Es ist in erster Linie an der juristischen Fakultät angesiedelt und wird in der Regel gemeinsam mit israelischen Jura-Studenten und internationalen Studenten des M.A.-Programms "Transitional Justice" abgehalten. Entsprechend sind auch einige Nichtjuristen – vor allem Politikwissenschaftler – in den Kursen vertreten, was ich oft als sehr erfrischend empfunden habe.

Teilweise werden auch (Sprach-)Kurse an der Rothberg International School angeboten, einer Art allgemeinen Fakultät für Auslandsstudenten. Das Studium ist unterrichtsbasiert, und für das Bestehen muss man eine bestimmte Anzahl von Credit Points durch erfolgreich absolvierte Kurse erreichen. Anhand der Bewertungen in den Kursen wird dann aus dem Durchschnitt die Abschlussnote gebildet. Eine Master-Arbeit kann, muss aber nicht geschrieben werden. Dabei gibt es unterschiedliche Kursarten, in denen teils Klausuren, teils Präsentationen oder Hausarbeiten angefertigt werden.

Insgesamt hat mir dieses recht verschulte System mit kleinen Kursen und viel mündlicher Beteiligung sehr gut gefallen. Die Kursauswahl ist groß und beinhaltet neben erwartbaren Themen ("UN Law", "International Humanitarian Law", "International Criminal Law" etc.) auch Kurse wie "The Role of International Law in Solving the Middle Eastern Conflict", "Terrorism, Counter-Terrorism and Human Rights" oder "China and International Law".

Besonders hervorzuheben sind die exzellenten Dozenten, von Malcolm Shaw über Yuval Shany und David Kretzmer bis hin zu Praktikern wie dem früheren Chefankläger des IStGH Ocampo, ehemaligen israelischen Regierungsberatern und UN-Mitarbeitern. Gerade das hohe Niveau der Kurse und die unterschiedliche Herkunft, Religion und politische Einstellung der Kursteilnehmer sorgten für spannende und kontroverse Diskussionen in Workshops, Seminaren und bei anderen universitären Veranstaltungen.

Daneben gibt es die Möglichkeit, Arabisch- und Hebräisch-Kurse unterschiedlicher Niveaustufen zu belegen, am Hochschulsport teilzunehmen, sich in Uni-Gruppen zu organisieren oder am Freizeitprogramm für Auslandsstudenten teilzunehmen, das Exkursionen, gemeinsame Festivitäten oder Sprachtandems anbietet.

Gewohnt habe ich das erste halbe Jahr auf dem Campus in einem modernen, aber recht teuren Studentenwohnheim mit anderen internationalen Studenten. Für die zweite Hälfte zog ich in die Innenstadt, wo man mehr am pulsierenden Stadtleben teilnimmt und aus der "Uni-Bubble" herauskommt.

Für Ausflüge ist Jerusalem ideal gelegen: Ramallah und Bethlehem sind nur einen Katzensprung entfernt, in einer Stunde ist man in den Wüstenlandschaften am Toten Meer oder an den Stränden von Jaffa und Tel Aviv. Als Wochenendtrip bieten sich vor allem Jordanien, der Golan oder das Rote Meer an.

Fazit

Vor der Entscheidung für das Programm erwartete ich, in Israel zwar ein spannendes Jahr zu verbringen, bei künftigen Arbeitgebern aber schlechtere Karten als mit einem LL.M. aus Glasgow oder London in der Hand zu haben. Bisher ist jedoch das Gegenteil der Fall: Bei jedem Bewerbungsgespräch war das Interesse enorm, und meine Entscheidung wurde – soweit ich das beurteilen kann – regelmäßig sehr positiv bewertet, da sie wohl unter der wachsenden Anzahl von LL.M.-Graduierten besonders hervorsticht. Daher möchte ich alle Interessierten daran erinnern, dass es auch abseits von Westeuropa, Nordamerika oder Australien unzählige Möglichkeiten für einen LL.M. gibt. Mit etwas Mut und Kreativität kann man nicht nur persönlich, sondern auch für die spätere Karriere von diesem Alleinstellungsmerkmal profitieren. Yalla!

Der Autor steht bei Fragen gerne zur Verfügung:

David Bieger - davidbieger@web.de

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