Erfahrungsbericht – LL.M.: University of Michigan

Autor*innen
Christian Pfengler
Ein Mann in Fußballkleidung kickt eine Kettlebell wie einen Fußball.

Diese Einschätzung des Alumnus James Earl Jones, der Darth Vader seine Stimme lieh, ist zu Beginn jedes Heimspiels des Football-Teams der University of Michigan in einem pathetischen Intro zu hören. Mag die Bewertung auch sicherlich übertrieben sein, so gehört die Universität, die überwiegend in Ann Arbor angesiedelt ist, doch in vielen Bereichen zur Spitze. Dies gilt allemal für die Law School, die stets zu den Top 10 in Amerika gezählt wird.

USA, aber wo genau?

Steht die Entscheidung fest, einen LL.M. im englischsprachigen Raum zu absolvieren, ist für viele zunächst eine Wahl zwischen Großbritannien und den USA zu treffen. Ausschlaggebend für mich war die Aussicht, in den USA voll integriert dieselben Vorlesungen besuchen zu können wie einheimische Studenten. Zudem erschien mir der häufig interdisziplinäre Zugriff auf das Recht interessant. So geht es in den Vorlesungen und Seminaren nicht nur darum, herauszufinden, was das Recht ist und wie es angewandt wird. Sondern es wird auch diskutiert, ob eine Regelung (politisch) richtig, gerecht oder aus anderen Gründen wünschenswert ist. Dabei stehen dann soziologische, ökonomische, historische, philosophische und weitere Überlegungen im Vordergrund. Schließlich erschien es mir auch spannend, in einem Wahljahr in die USA zu reisen.

Hat man sich für die USA entschieden, muss überlegt werden, welche Law School die richtige für einen ist. Bewerben sollte man sich jedenfalls bei einer Handvoll von Law Schools, weil man dadurch auch Argumente für das Nachverhandeln der (anteiligen) Studiengebührennachlässe erhält. Bei der Auswahl der Law Schools sollte allerdings das berühmte Ranking der Website usnews.com allenfalls als erste Orientierungshilfe dienen. Denn dieses und andere Rankings sind für amerikanische Studenten und Arbeitgeber entwickelt und berücksichtigten Kriterien, die für LL.M.-Studenten nachrangig sind. So spielt für die Rankings etwa eine Rolle, wie viel Prozent der amerikanischen Studenten nach Abschluss des Studiums eine gut bezahlte Anstellung finden, oder etwa, wie viel Geld die Law School für die amerikanischen Studenten ausgibt (z. B. für Events).

LL.M.-Studenten sind in diesem Kontext hingegen völlig unbedeutend. Im Gegenteil verzerren sie sogar die Statistik: Die Studiengebühren, die von ihnen gezahlt und für amerikanische Studenten ausgegeben werden, wirken sich positiv auf das Ranking aus. Daher besteht für amerikanische Law Schools ein erheblicher Anreiz, ein möglichst großes LL.M.-Programm zu unterhalten.

Doch nicht alle Universitäten unterwerfen sich dieser Logik: Während etwa die New Yorker Law Schools jedes Jahr Hunderte LL.M.-Studenten aufnehmen, gehört das Programm in Michigan zum zweitkleinsten Programm der Top-Law-Schools. Unsere Gruppe umfasste etwa 30 Studenten. Das hatte nicht nur den Vorteil, dass man sich untereinander sehr schnell kennenlernte. Zugleich war ich in vielen Vorlesungen und Seminaren der einzige LL.M.-Student, was nicht zuletzt den Kontakt zu den amerikanischen Kommilitonen erleichterte.

Die Erwartung, dass ein solch kleines Programm seine LL.M.- Studenten jenseits von finanziellen Aspekten wertschätzt, hat sich vor Ort vollkommen bestätigt. Dies kam auch darin zum Ausdruck, dass ein großer Teil der Gruppe großzügige Studiengebührennachlässe erhielt. Auch für mich waren der Nachlass von etwa zwei Dritteln der Studiengebühren sowie ein großzügiges Fellowship am universitätseigenen Weiser Center for Emerging Democracies von großer Bedeutung bei meiner Entscheidung für Ann Arbor. Zusammen mit einem Stipendium des DAAD war damit die Finanzierung meines Auslandsstudiums fast vollständig gesichert.

Niveau, Prüfungen, Methode

Die Kurse konnten frei aus einem bunten Strauß von Vorlesungen, Seminaren, Clinics, Practice Simulations und sogenannten Mini-Seminaren, die im Haus des Professors stattfanden, gewählt werden. Wirklich zwingend verpflichtende Vorgaben für LL.M.-Studenten gab es nicht. Dafür wurden wir am selben Maßstab gemessen und geprüft wie amerikanische Studenten. Das Niveau war dabei überwiegend hoch, was vor allem am außerordentlich großen Lesepensum und dem damit erheblichen Vor bereitungsaufwand auf die jeweiligen Vorlesungen und Seminare lag.

In manchen Seminaren war mitunter zur nächsten Woche ein ganzes Buch zu lesen. Da die Lehrmethode fast durchweg "sokratisch" war, ähnelten die Vorlesungen ab und zu eher einem inquisitorischen Katz-und-Maus-Spiel. Allgemein scheint diese Methode zwar vorteilhaft, um den Studenten das juristische Argumentieren beizubringen. Andererseits ist diese Vorgehensweise nicht besonders effektiv, da die Inhalte durch mehr Frontalunterricht sehr viel schneller vermittelt werden könnten.

Die Prüfungen am Ende der Semester waren sehr fordernd. Das lag besonders daran, dass erwartet wurde, den ganzen Stoff des Semesters in relativ kurzer Zeit aufzuarbeiten und sich ein Skript (Outline) zu erstellen, mit dessen Hilfe die Examina zu schreiben waren. Zusätzlich mussten Seminarbeiten geschrieben werden. Im Grunde galt es stets, Praxisprobleme zu lösen. Allerdings waren meist mehrere kleine Sachverhalte vorgegeben, und die Lösung sollte nur auf die augenfälligen Probleme eingehen. Systematisches Vorgehen oder die formalistische Bearbeitung wie in Deutschland waren – wenig überraschend – nicht gefragt.

Trotz des hohen Niveaus und der strengen Benotung, die für die Jobaussichten der amerikanischen Studenten sehr wichtig ist, war die Stimmung unter den Studenten stets von ausgesprochener Kollegialität und Hilfsbereitschaft geprägt. Das mag auch an den vielen, fast täglichen Social Events liegen, die neben den häufigen Lunch Talks zur Auflockerung des Studienalltags und zu einem Gemeinschaftsgefühl beitrugen.

Kleinstadt mit großem Charme

Ann Arbor ist eine typische amerikanische Kleinstadt mit einem wundervollen historischen Campus im neugotischen Stil und großartigen Freizeitangeboten. So sind etwa regelmäßig hervorragende Orchester zu Gast. Daneben gibt es eine Vielzahl von Bars und Restaurants, einschließlich wöchentlicher vom Law School Student Senate veranstalteter Bar Nights. Als Ausflugsziel kommt, neben Chicago und Detroit, der Lake Michigan in Betracht. Dort konnten wir mit mehreren Kommilitonen über ein verlängertes Wochenende ein Ferienhaus mieten und die Natur genießen.

Mein persönliches Highlight im Freizeitbereich waren aber die Heimspiele des unieigenen Football Teams. Das Stadion ist eines der größten der Welt, die Mannschaft eine der besten im College Football. Bei Heimspielen steht die Stadt Kopf: An jeder Ecke findet Tailgating statt, Menschmenmassen wälzen sich Richtung Stadion, über das Kampf jets zur Nationalhymne vor Spielbeginn im Tiefflug donnern – ein einmaliges Erlebnis.

Der Autor steht bei Fragen gerne zur Verfügung: 

Christian Pfengler - Christian.Pfengler@posteo.de

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