Motivation: Mit Strategie vom Vorsatz zum Ziel: Der innere Schweinehund – Freund oder Feind?

Autor*innen
Isabel Eder
Eine Laufende Person, der komplette Oberkörper wurde durch eine Wanduhr ersetzt, die kurz vor 8 Uhr anzeigt.

Warum setzen wir unsere guten Vorsätze oft nicht um? In ihrem neu erschienenen Buch "Die Psychologie des Schweinehunds" gibt die Psychologin Daniela Bernhardt Antworten auf diese Frage. Wir haben uns von dem Buch inspirieren lassen und verraten dir Strategien, wie die "Zusammenarbeit" mit deinem inneren Faulpelz gelingt.

Dr. Daniela Bernhardt ist Psychologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentralinstitut für Wissenschaftsreflexion und Schlüsselqualifikationen (ZiWiS) der Universität Erlangen-Nürnberg und Autorin des Buches "Die Psychologie des Schweinehunds. In 6 Schritten vom guten Vorsatz zur neuen Gewohnheit".

Der innere Schweinehund – jeder kennt ihn, keiner mag ihn. Doch wer oder was ist der innere Schweinehund wirklich?

Der innere Schweinehund hat immer dann zugeschlagen, wenn wir einen gefassten Vorsatz nicht ausführen. Das heißt, wir wissen, was wir idealerweise tun sollten, müssen aber feststellen, dass wir es einfach nicht tun. 

Auch wenn es viele unterschiedliche Szenarien gibt, in denen der Schweinehund auftritt, machen es manche sozialen und situativen Faktoren wahrscheinlicher, dass wir Aufgaben aufschieben. Das ist vor allem bei unangenehmen To-dos der Fall. Wir neigen dazu, Positives zu suchen und unbequeme Aufgaben zu vermeiden. Klar, dass wir lieber unsere Lieblingsserie schauen, anstatt für die Klausur zu lernen.

Oft wird das auch dadurch verstärkt, dass die Deadline der Aufgabe weit in der Zukunft liegt. Das positive Gefühl, das sich einstellt, wenn wir die Aufgabe endlich geschafft haben, ist noch nicht greifbar. Dieser sogenannte zeitliche Diskontierungseffekt führt dazu, dass uns die zukünftige Belohnung viel weniger motiviert als 'instant gratifications'.

Unsere Motivation schwindet auch, wenn das Ergebnis einer unangenehmen Aufgabe für uns keine persönliche Relevanz hat. Wenn wir nicht wissen, warum unsere Arbeit eigentlich wichtig ist, sind andere Zeitvertreibe häufig reizvoller.

Das richtige Mindset: Warum ist es wichtig, sich mit seinem Schweinehund auseinanderzusetzen?

Dem Schweinehund hin und wieder nachzugeben, ist absolut kein Problem, sondern ganz normal. Manchmal müssen wir unsere Batterien wieder aufladen. Ertappen wir uns aber öfter dabei, dass wir dem Schweinehund erliegen, sollten wir uns genauer damit befassen. Ansonsten kann das dazu führen, dass unsere psychische und physische Gesundheit längerfristig darunter leidet.

Wenn wir ein langwierigeres Projekt endlich strukturiert umsetzen möchten, empfiehlt es sich, eine Art "Schweinehundmappe" anzulegen. Dort können wir alle Materialien sammeln, die im Laufe des Projekts anfallen und auch eigene Gedanken und Erkenntnisse schriftlich festhalten. 

Denn häufig finden wir scheinbar gute Gründe, warum wir ein bestimmtes Projekt immer wieder aufschieben. Die Klassiker sind "Ich habe einfach keine Zeit dafür!" oder "Ich kann nur unter Druck gut arbeiten!" – Doch ist das wirklich so? Oder handelt es sich eher um Ausreden?

Wenn wir uns schriftlich reflektieren, können wir erkennen, was uns tatsächlich von unseren Vorhaben abhält und und daraus etwas für zukünftige Projekte mitnehmen.  

Zielsetzung: Meine Ziele sollen für mich relevant sein. Warum brauche ich ein Warum für meine Vorhaben und wie finde ich es?

Wir sollten uns aus ganz pragmatischen Gründen fragen, ob und welches Ziel wir erreichen möchten. Denn die Zeit, die wir in die Erreichung dieses Ziels stecken, steht uns nicht mehr für ein anderes Projekt zur Verfügung. Die erste zentrale Frage ist daher: Passt dieses Ziel zu mir? Möchte ich meine Zeit dafür einsetzen?

Natürlich möchten wir oft viele Ziele gleichzeitig realisieren. Hier müssen wir zeitliche Prioritäten setzen: Worauf will ich mich in den nächsten drei Jahren, in diesem Jahr, in diesem Semester besonders konzentrieren?

Insgesamt ist es wichtig, dass die Zielerreichung kein Zwang wird. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, ein Ziel zu erreichen. Nun gilt es zu experimentieren und herauszufinden, welcher Weg am besten für uns funktioniert.  

So kannst du dir den Weg zum Ziel angenehmer machen

  • Alternativen finden: Werd gerne kreativ! Welche Sportart macht dir am meisten Spaß? Gibt es ein anderes Fitnessstudio, das näher liegt? Oder findest du einen Artikel, einen Podcast oder ein YouTube Video, die dir deine Klausurvorbereitung erleichtern?
  • Das Unangenehme mit dem Schönen verbinden: Mit guter Musik oder einem spannenden Hörbuch macht das Joggen gleich viel mehr Spaß und durch den Einsatz verschiedener Farben kannst du mit deinen Skripten besser lernen.

Planen: Oft haben wir uns zu viel vorgenommen. Wie plane ich realistisch?

Auch und gerade wenn du nicht alle To-dos geschafft hast, darfst du dir eine Liste mit den Dingen machen, die du erledigen konntest. Das ist deine Haben-Seite, die dir keiner mehr nehmen kann.

Um zukünftig von vornherein realistischer zu planen, hilft es, einen Schritt zurückzutreten: Woran lag's, dass du nicht alles geschafft hast? Hast du dir vielleicht insgesamt zu viel vorgenommen?

Folgende Punkte können dir helfen, dein Gesamtpensum zu überdenken

  • Pufferzeiten einplanen: Hans-Werner Rückert, Experte zum Thema Aufschieben, empfiehlt 50 Prozent deiner Zeit als Puffer zu kalkulieren – das ist vielleicht wenig realistisch, macht aber deutlich, wie wichtig Zeitpuffer sind. Es ist auch hilfreich, von vornherein Zeit für bestimmte Dinge zu blocken: Wann sind deine Essenszeiten, wann schmeißt du deinen Haushalt, wer hat wann Geburtstag?
  • Pausen einplanen: Wir wissen: Pausen müssen gemacht werden! Sie können sogar als Teil der Arbeitszeit gelten, weil unser Gehirn währenddessen Eindrücke verarbeitet und wir Energie für neue Aufgaben tanken. Dementsprechend zeigen Studien, dass Leute, die ohne Pause arbeiten, weniger schaffen. Je nach Aufgabe brauchst du mehr oder weniger Pausen – probier am besten verschiedene Pausenabstände aus. Überleg dir auch, wie du deine Pausen verbringen möchtest. Wenn du durch deine Social-Media-Kanäle scrollst, wird es anstrengend, dich ihrem Sog wieder zu entziehen. Bewegungspausen an der frischen Luft hingegen revitalisieren.
  • Hindernisse einplanen: Stell dich drauf ein: Wenn du ein Projekt angehst, wirst du auf Hindernisse stoßen. Das ist ganz normal und gehört dazu. Mit diesem Wissen kannst du dir von vornherein überlegen, was du tun kannst, wenn ein bestimmtes Hindernis auftritt. Erstell dir einen Notfallplan und rüste dich schon einmal mit Problemlösestrategien aus.
  • Von hinten her planen: Du hast an einem bestimmten Tag eine Abgabe? Dann frag dich: Wie viel Zeit möchtest du haben, um deine Arbeit davor noch einmal durchzugehen? Wie viel Zeit brauchst du, um sie in Ruhe anzufertigen? Zäume deine Aufgabe von hinten her auf und setz dir davon ausgehend dein Startdatum und deine Teilziele.
  • Profitier von Erfahrungen anderer: Wenn du dir nicht sicher bist, wie lange du für eine Aufgabe brauchen wirst, frag andere. Dank dieser Erfahrungswerte kannst du die Aufgabendauer grob überschlagen.
  • Hinterfrag deinen Perfektionismus: Für dich ist das, was du tust, meistens nicht gut genug? Dann bist du auf einen Glaubenssatz gestoßen. Hinterfrage, ob wirklich immer alles perfekt sein muss, oder manchmal auch weniger mehr ist – nämlich mehr Zeit für andere Dinge. Unterscheide bewusst und am besten schriftlich, bei welchen Aufgaben du volle 100 Prozent geben möchtest und bei welchen vielleicht auch 80 Prozent ausreichen. Dadurch wirst du flexibel im Denken und in deiner Aufgabengestaltung.

Handeln: Wir alle möchten in unserer Tätigkeit versinken und die Zeit dabei vergessen. Wie komme ich in diesen Aktiv-Modus?

Wenn wir ganz in unserer Arbeit aufgehen, sind wir im sogenannten 'Flow'. Tätigkeiten, die uns in diesen Zustand versetzen, sind herausfordernd, aber gleichzeitig machbar. Das heißt wenn uns eine Aufgabe überfordert, sollten wir versuchen, sie in überschaubare Teilaufgaben zu gliedern. Finden wir eine Aufgabe langweilig, sollten wir sie so gestalten, dass sie uns mehr fordert.

Ein gewisser Zeitdruck kann uns beispielsweise herausfordern. Die näher rückende Frist gibt uns einen Kick und die negativen Konsequenzen, die uns bei ihrer Nichteinhaltung drohen, können wir uns jetzt plastisch vorstellen.

Gleichzeitig sollten wir uns allerdings auch fragen, ob es wirklich stimmt, dass wir zwingend Zeitdruck brauchen, um eine Aufgabe zu erledigen. Denn vor allem kreative Einfälle kommen oft dann, wenn wir nicht gehetzt sind.

So gelingt es dir, aktiv zu werden

  • Einfacher Einstieg: Aller Anfang ist schwer. Doch das muss nicht sein. Mit ein paar Vorbereitungen kannst du dir deinen Start vereinfachen. Gestalte deinen Arbeitsplatz, verabrede dich zum Sport und leg dir deine Lern- und Sportsachen schon am Abend vorher bereit. Am Morgen darauf kann es dann direkt losgehen.
  • Gönn dir eine Belohnung: Es gibt Aufgaben, die einfach keinen Spaß machen. Wenn sie erledigt sind, hast du dir eine Belohnung wahrlich verdient. Schau einen guten Film, koch ein leckeres Abendessen oder genieß einen Feierabendausflug.
  • In Zwischenetappen zum großen Ziel: Es wartet ein Mammutprojekt auf dich? Führ eine Planungsrecherche durch und überleg dir, wie du das große Ziel in mehrere Teilaufgaben aufspalten kannst. Formuliere für jeden Schritt ein Etappenziel und schätze ab, wie lange du dafür brauchen wirst. Setz dir dafür jedoch einen festen Zeitrahmen, zum Beispiel maximal vier Stunden. Sonst läufst du Gefahr, vor lauter Recherchieren wieder nicht loszulegen.

Reflexion: Warum ist es wichtig, dass wir während des Projekts unseren eigenen Fortschritt dokumentieren?

Die Dokumentation des eigenen Fortschritts dient als Orientierung. Sie zeigt uns, wo wir stehen und was wir schon alles geschafft haben. Das stärkt unsere Selbstwirksamkeitserfahrung und motiviert: Zehn Haken hab ich schon auf meiner To-do-Liste? Den elften schaffe ich auch noch.

Gleichzeitig können wir anhand unserer Dokumentationen auch eine zurückblickende Bestandsaufnahme machen: Was habe ich gut geschafft? Was hat mir geholfen? Was hat nicht geklappt? Indem wir uns das aufschreiben, sammeln wir Daten über uns, die wir dann auswerten können.

Dranbleiben: Ich stecke mitten im Projekt und habe keine Lust weiterzumachen. Ist das normal, oder soll ich das Projekt abbrechen?

Es ist ganz normal, dass du mal einen Durchhänger hat. Fühlst du dich aber dauerhaft unwohl, solltest du dieses Signal ernst nehmen. Nimm dir eine bewusste Auszeit, um zu prüfen, ob du noch auf dem richtigen Weg bist: Ist das Ziel noch erreichbar und/oder attraktiv für dich? Oder würdest du das Projekt lieber abbrechen und deine Zeit für etwas anderes nutzen? Sei dabei so offen und ehrlich zu dir selbst wie möglich. Denn deine Zeit ist wertvoll!

Hat der Schweinehund seinen schlechten Ruf zurecht?

Oft reden wir davon, dass der innere Schweinehund ein Saboteur ist, den wir besiegen müssen. Damit tun wir ihm aber unrecht, denn eigentlich will er uns nichts Böses: Er drängt darauf, dass unsere aktuellen Bedürfnisse erfüllt sind und es uns gut geht. Leider denkt er dabei aber nicht an das "morgen".

Natürlich warten auch unangenehme Aufgaben auf uns, wenn wir langfristig wichtige Ziele erreichen wollen. Es mag dann ein wenig Zeit und Mühe kosten, unsere aktuellen Bedürfnisse (Lieblingsserie bingen) mit den Bedürfnissen unseres "zukünftigen Selbst" (Klausur bestehen) in Einklang zu bringen – aber es zahlt sich definitiv aus!

Mehr über deinen inneren Schweinehund, wie er tickt, und wie du ihn dauerhaft an die Leine bekommst, erfährst du im utb-Studienratgeber:

Dr. Daniela Bernhardt: Die Psychologie des Schweinehunds. In 6 Schritten vom guten Vorsatz zur neuen Gewohnheit

Narr Francke Attempto Verlag, 262 S., 17,90€

ISBN: 978-3-8252-5420-9


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