Erholsamer Urlaub: So schaltest du richtig ab

Autor*innen
Astrid Travi
Mann macht Spagat zwischen Laptop und Palmeninsel

Die letzte E-Mail ist geschrieben, der Koffer gepackt, aber deine Gedanken kreisen weiterhin um die Arbeit? Du freust dich auf die freien Tage, doch es gelingt dir kaum abzuschalten? Wir erklären dir, woran das liegt, und geben Tipps zum Runterkommen.

Das Meer glitzert, die Sonne strahlt, aber deine Stimmung ist schlecht. Vielleicht kennst du das: An den ersten Urlaubstagen bist du erschöpft, nicht gut drauf oder sogar mit Kopf- oder Halsschmerzen angeschlagen. All dies sind Symptome des sogenannten Poststress-Syndroms, das laut Stressforscher und Psychoneuroendokrinologe Professor Dirk Hellhammer auf das gefühlte Erschöpfungsniveau und eine Fehlregulation des Botenstoffes Noradrenalin zurückzuführen ist. 

Kurz vor dem Urlaub nimmt der Stress oft zu, weil du Projekte abschließen und alle E-Mails beantworten willst. Du reißt dich zusammen, ignorierst den Stress und funktionierst einfach. Doch damit steigt auch die Wahrscheinlichkeit, ein Poststress-Syndrom zu entwickeln. Das kannst du vermeiden, indem du deinen Urlaub umfassend planst – nicht nur organisatorisch, sondern auch mental. Denn alles spontan zu entscheiden, kann schnell schiefgehen und am Ende noch mehr Stress auslösen. 

Porträt Astrid G. [Quelle: stg – Die MitarbeiterBerater GmbH]

Über die Autorin

Astrid Travi ist geschäftsführende Gesellschafterin der stg – Die MitarbeiterBerater GmbH. Sie verfügt über 30 Jahre Beratungserfahrung als Sozialpädagogin mit Schwerpunkten auf der Begleitung beruflicher Veränderungen und der Krisenberatung. Diese Themen hat sie auch in leitender Funktion unter anderem bei Siemens verantwortet.

Erholsamer Urlaub trotz Stress: mit der richtigen Planung

Nimm dir ausreichend Zeit für die Planung deines Urlaubs. Es lohnt sich, vorab herauszufinden, welche Erholung dein Körper, deine Seele und dein Kopf brauchen. Was erwartest du von diesem Urlaub? Willst du einen Tapetenwechsel, etwas anderes hören, intellektuelle Anregung? Soll es ein Kultur- oder Bildungsurlaub sein? Oder willst du nichts sehen und hören, nur gut essen und in den Tag hineinleben? Passt ein Städtetrip zu deinen Plänen oder ist es besser, in die Berge zu fahren, zu wandern und weniger Menschen zu treffen? Frag dich, was der Hauptgrund ist, um Urlaub zu machen und wähl das Ziel nach deinen Bedürfnissen aus.

Außerdem solltest du mindestens einen Urlaubstag zu Hause einplanen, bevor du zu deinem Reiseziel aufbrichst. Eben noch von einem Meeting ins nächste, spät abends packen und dann direkt am Strand abschalten? Das klappt meist nicht und löst eher das Poststress-Syndrom aus. Wenn du den Übergang von der Arbeit zum Urlaub nicht so knapp planst, lassen sich plötzliche Infekte oder Erschöpfung oftmals vermeiden. Dabei helfen folgende Maßnahmen:

  • Überleg rechtzeitig, was du in deinem Job dringend noch vor dem Urlaub erledigen musst und bedenke, dass du wahrscheinlich nicht alle Projekte vollständig abschließen kannst.
  • Kümmer dich frühzeitig um deine Vertretung und nimm dir ausreichend Zeit für die Übergabe.
  • Stell dir im Kalender einen Termin für die Übergabe ein. Sonst beginnst du am letzten Arbeitstag um 17 Uhr damit.
  • Um den Kopf freizubekommen, leg dir eine Merkliste für den ersten Arbeitstag nach dem Urlaub an. So musst du dir im Urlaub keine Gedanken machen, dass danach etwas untergehen könnte.

Tatsächlich sind ein Tag fürs Kofferpacken vor und ein Tag fürs Wäschewaschen nach dem Urlaub sehr hilfreich. Sie nehmen den Druck raus und geben dir die Möglichkeit, vor dem Urlaub rechtszeitig abzuschalten und danach wieder im Alltag anzukommen.

Abschalten im Urlaub: die richtige Einstellung

Eine Vollbremsung ist selten gut. Das gilt auch für den Verstand und vor allem für den Körper. Entspannung stellt sich nicht auf Knopfdruck ein – auch nicht, wenn du den ganzen Tag nichts tust oder plötzlich extrem aktiv bist. Stattdessen können mentales Training und spezielle Atemtechniken dabei helfen, im Urlaub wirklich zur Ruhe zu kommen:

  • Einfach mal akzeptieren: Ganz schnell ist das Essen "gut" oder "schlecht", das Hotelzimmer "muffig" oder "fantastisch". Diese automatischen Bewertungen in deinem Kopf tragen nicht zur Entspannung bei. Verzichte bewusst auf jede Bewertung und lass alles einfach mal so, wie es ist. Bewerte auch dich selbst nicht. Wenn du nach einer halben Woche Urlaub noch total unter Strom stehst, ist das eben so. Nimm es an und versuch, die Zeit zu genießen.
  • Atemübungen, um zur Ruhe zu kommen: Wir nehmen unseren Atem selten bewusst wahr. Dabei kann eine bewusste Atmung zur Entspannung beitragen. Meist geht es darum, bewusst ein- und auszuatmen und das Ausatmen dabei zu verlängern wie zum Beispiel bei der "Ich-Atmung".

Übung: "Ich-Atmung"

  1. Stell einen Timer auf drei Minuten.
  2. Atme ein und denk dabei "Ich".
  3. Halte den Atem für etwa drei Sekunden an (Atempause).
  4. Atme dann langsam aus, möglichst doppelt so lange wie du eingeatmet hast. Sagt dabei: "bin"
  5. Wiederhol den Vorgang mehrmals: einatmen, Atem anhalten, ausatmen – im Rhythmus drei – drei – sechs Sekunden.
  6. Versuch dich auf die Atmung und die Worte "Ich" und "bin" zu konzentrieren. Wenn deine Gedanken abschweifen, fang in Ruhe von vorne an.
  7. Wiederhol diese Übung am besten täglich.

Wenn du dich mit "Ich bin" nicht identifizieren kannst, wähl deine eigene Kombination wie zum Beispiel "tief entspannt" oder "meine Zeit". Wichtig ist nur, dass du keine negativen Wörter wie "kein Stress" wählst. Denn so würdest du deine Konzentration wieder auf das lenken, wovon du dich lösen willst.

Arbeiten im Urlaub?

In manchen Unternehmen gehört es scheinbar zum guten Ton, sich aus dem Urlaub zu melden oder sogar "nebenbei" an einem Call teilzunehmen. Doch mit jedem Telefonat steigst du inhaltlich wieder voll in den Beruf ein. Letztlich musst du selbst entscheiden, was wirklich notwendig ist. Ein Kompromiss ist, zumindest nur zu schreiben und nicht zusätzlich mit den Kolleg:innen zu sprechen. Non-verbal kannst du den Abstand leichter bewahren.

Definier aber unbedingt ein Zeitfenster, in dem du deine E-Mails liest. Leg das Smartphone oder den Firmenlaptop anschließend auch wirklich wieder zur Seite. Neue Ideen entstehen nämlich nur, wenn dein Kopf abschalten kann. Wenn du weißt, dass das durch die ständige Erinnerung an den Job bei dir nicht funktioniert, ist es besser, komplett offline zu bleiben. 

So bleibst du auch nach dem Urlaub erholt

Sportpsychologen nutzen im mentalen Training die Kraft der inneren Bilder. Davon kannst auch du profitieren, wenn du während des Urlaubs Bilder von schönen oder glücklichen Momenten sammelst. Und zwar nicht, indem du auf den Auslöser der Handykamera drückst, sondern indem du die Situationen mit allen Sinnen erlebt. Das geht so:

  • Halte inne, brems dich, wenn du auf dem Gipfel eines Bergs stehst oder bevor der Nachtisch serviert wird.
  • Welche Farben und Formen siehst du? Wie ist die Konsistenz des Essens, wie riecht es? Welche Gerüche liegen in der Luft?
  • Wie reagiert deine Haut auf den Windzug und die Mittagssonne auf dem Gipfel? Was sagen Füße, Waden und Oberschenkel nach drei Stunden Aufstieg?
  • Gibt es ein Gefühl zu dieser Situation? Woran erinnert dich dieser Moment? Was willst du jetzt am liebsten tun?
  • Siehst du etwas, das du als Symbol mitnehmen kannst?

Immer wenn du dich im Büro an diese Momente erinnerst, entspannt sich dein Körper. So verschaffst du dir zurück im Alltag eine kleine Auszeit, die länger währt als der Urlaub selbst.

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