Effektiver Altruismus: Kann es etwas Besseres geben, als Gutes zu tun?

Autor*innen
Lisa Scheffold
Megafon in dem ein Blumenstrauß steckt

Was bewirkt mehr Gutes: a) als Ärztin oder Arzt in Afrika zu arbeiten oder b) als Unternehmensberater:in 90 Prozent des Einkommens zu spenden? Vermutlich b), sagen Anhänger:innen des effektiven Altruismus – vorausgesetzt, die Spenden landen an der richtigen Stelle. Biologie-Studentin Zoe (22) erzählt, wie die Bewegung des effektiven Altruismus ihr Leben beeinflusst hat.

Effektiver Altruismus klingt erst mal sehr technisch: Was soll das überhaupt sein?

Der effektive Altruismus (EA) ist eine Bewegung, die die Welt zu einem besseren Ort machen will – und zwar auf Basis von beweisbaren Erkenntnissen und wissenschaftlichem Denken. Hätten wir unbegrenzte Ressourcen, wäre es einfach, alle materiellen Probleme zu lösen. Leider ist das aber nicht der Fall. Wir müssen also entscheiden, was wir wo einsetzen. Deshalb sollten wir auch da effektiv und rational denken, wo wir Gutes tun wollen. Hier beginnen empirische Wissenschaft, angewandte Ethik und Betriebswirtschaft, sich zu vermischen. Im effektiven Altruismus verlassen wir uns darum eher auf wissenschaftliche Methoden – wie randomisierte Kontrollstudien – als auf Emotionen: Empirische Studien zeigen uns nämlich oft, dass bestimmte Spenden oder Taten einfach mehr Gutes bewirken als andere.

Zoe Cremer (22) studiert Biologie an der LMU München und ist im Vorstand der Hochschulgruppe "Effektiver Altruismus". Nach der Schule arbeitete sie in London und studierte zunächst Psychologie. Die nächsten Veranstaltungen der Münchner EA-Hochschulgruppe findest du hier.

Wie bist du selbst auf den effektiven Altruismus aufmerksam geworden?

Ein Freund, der in Oxford Philosophie studiert hatte, beschloss nach dem Studium, für die EA-Stiftung zu arbeiten. Das hat mich sehr beeindruckt. 2015 wurde ich dann in Bristol auf "80,000 Hours" aufmerksam: Das ist eine unabhängige Karriereberatung, die herauszufinden hilft, wie man seine Zeit am effektivsten für andere einsetzen kann. Als ich nach München wechselte, gründete sich dort gerade eine eigene EA-Gruppe.

Hat der effektive Altruismus deinen (Lebens-)Plan beeinflusst?

Definitiv! Ich hatte erst überlegt, in London Philosophie zu studieren, um das beste moralische System ausfindig zu machen. Dann dachte ich, dass ich mit einem Psychologiestudium mehr reale Gestaltungsmöglichkeiten hätte, vor allem in der Berufswelt. Damals war ich noch der Meinung, ich müsse "direkte" Arbeit machen, um etwas zu bewirken. Durch den EA habe ich aber verstanden, dass ich auch "indirekt" genauso viel (oder sogar noch mehr) helfen kann – beispielsweise durch Forschung. Ich begann, mich für Neurowissenschaft zu interessieren, und wechselte zur Biologie, um tiefer in die Naturwissenschaften einzusteigen.

Gerade die dortige Grundlagenforschung kann extrem viel bewirken, vor allem, wenn wir auch an die Menschen in der Zukunft denken. Unser momentanes Leiden ist nicht wichtiger als das Leiden in nachfolgenden Generationen. Wenn wir jetzt an Methoden arbeiten, die später Parkinson, Alzheimer oder Depressionen heilen können – und sei es erst in 100 Jahren –, ist das sehr effektiv.

Wie setzt du effektiven Altruismus in deinem Alltag um?

Ich spende – allerdings nur kleine Summen, mehr ist mir als Studentin nicht möglich. Diese Summen machen vermutlich nicht so viel aus, deshalb investiere ich im Moment vor allem meine Zeit, um den Gedanken des effektiven Altruismus anderen zugänglich zu machen. Wir wollen beispielsweise spendenwillige Menschen davon überzeugen, auch auf Effizienz und Effektivität ihrer Spenden zu achten, das kann sich auch darauf auswirken, dass Organisationen transparenter werden und ebenfalls ihre Erfolge belegen. Gerade Wissenschaftler:innen sind skeptisch, wenn jemand Geld einsammeln will, ohne Argumente mitzubringen. Deshalb haben wir Zahlen im Gepäck und versuchen, den Impact verschiedener Spendenoptionen so genau wie möglich darzustellen.

Schwierig wird es, wenn die Zahlen nicht die gewünschte Antwort geben: Wir haben das selbst erlebt, als wir uns mit Studien beschäftigten, die die positiven Folgen von Entwurmungen bei Schulkindern belegen sollten. Dabei kam heraus, dass wir uns der Effektivität nicht mehr so sicher sein durften, wie wir geglaubt hatten. Meiner Meinung nach wird es dann aber erst richtig spannend.

Welche kleinen Tipps gibt es, um sich Alltag effektiv altruistisch zu verhalten?

Erst einmal sollte man selbst mehr lesen und sich sicher sein, dass der EA eine unterstützenswerte Sache ist. Dann ist es hilfreich zum Beispiel in Facebook unsere Videos zu teilen und unsere Seiten zu liken, um den EA-Gedanken noch bekannter zu machen. Jede:r kann zu einem oder einer potentiellen Multiplikator:in werden, der/die später viel Gutes an den richtigen Stellen bewirkt.

Genauso wichtig sind gezielte Spenden. Kannst du zum Beispiel monatlich etwas Geld herausschlagen und damit Forschung in dem Bereich unterstützen? Eine empfehlenswerte Organisation des EA ist beispielsweise "GiveDirectly", die ein bedingungsloses Grundeinkommen in den ärmsten Ländern der Welt testet. 6.000 Menschen erhalten zehn Jahre lang direkte Geldzuwendungen von der Organisation, die wiederum auf Spenden angewiesen ist.

Ich empfehle natürlich auch die Karriereberatung von "80,000 Hours". Und selbstverständlich kannst du mit uns in Kontakt treten und beispielsweise in München zu unseren Treffen und Vorträgen kommen. In anderen deutschen Städten, in Österreich und der Schweiz haben wir ebenfalls Gruppen, die regelmäßig Events organisieren.

Vielen Dank für das Interview!

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