Jura-Staatsexamen: Das dicke Ende kommt zum Schluss

Autor*innen
Anna Karolina Stock
Ein Mann blickt zur Seite. Sein Kopf ist spiralförmig angeschnitten und die Spirale wird von einer Hand aufgezogen, so dass das ein Gehirn im Inneren des Kopfes sichtbar wird.

Selten hängen Existenzen so am seidenen Faden wie vor dem Staatsexamen in Jura. Panik und Selbstzweifel bestimmen den Alltag vieler Kandidat:innen. Welche kleinen und großen Schritte dir helfen, wieder Herr der Lage zu werden, erfährst du hier.

Jurastudent:innen können sich fünf Jahre lang mehr oder weniger gelassen von einer Hürde zur nächsten hangeln: Auf die Zwischenprüfung folgen die großen Übungen, dann die Schwerpunktwahl. Doch was lange währt, wird endlich akut, und auch das schönste Jurastudium endet einmal ‒ mit dem Staatsexamen. Ausgerechnet in dieser entscheidenden Phase geraten viele Jurastudent:innen doch noch ins Straucheln. Und pendeln dann monatelang zwischen Bett, Kühlschrank, Schreibtisch und manchmal auch der Therapiecouch: frustiert, gestresst und voller Versagensangst.

Ist es da nicht ein Glück, dass sie das unausweichliche Elend so lange so erfolgreich ausblenden konnen? Im Gegenteil: Wenn du so stressfrei wie möglich durchs juristische Staatsexamen willst, solltest du die zehn Semester bis dahin nutzen, um bestimmte Einstellungen zu deinen Fach zu verinnerlichen, die bei der Examensvorbereitung unverzichtbar werden.

Die Krise von Anfang an vermeiden

Von A bis Z und von Z bis A ‒ Jura ist so endlich wie ein Fass ohne Boden. Da unser Rechtssystem flexibel auf politische und gesellschaftliche Geschehnisse reagieren muss, kommen täglich neue Urteile und Gesetze dazu. Dass deshalb auch ein Volljurist nie ausgelernt hat, mussst du als Jurastudent:in erst noch verstehen ‒ am besten so schnell wie möglich. Denn je früher du dich damit abfindest, dass die Spitze des juristischen Eisberges unerreichbar ist, desto gelassener wirst du dem Lernpensum vor dem Staatsexamen gegenüberstehen.

Versuch deshalb schon während des Studiums, bei der Klausurvorbereitung nicht Themenblock für Themenblock auswendig zu lernen, sondern vorhandenes Wissen auf neue Sachverhalte zu transferieren: So perfektionierst du zehn Semester lang eine Lerntechnik, die dir beim Staatsexamen wöchentliche Krisen erspart. Unzusammenhängendes Auswendiglernen hingegen ist der sicherste Weg in die Verzweiflung. In den ersten Semestern mag es dir zwar ein Gefühl von Sicherheit vermitteln, doch der Schock dürfte umso heftiger ausfallen, wenn du erst bei der Examensvorbereitung merkst, dass dem Stoff so nicht mehr beizukommen ist.

Tapetenwechsel kurz vor dem Examen

Natürlich ist das erste Staatsexamen überall ein Brocken: Doch dieser Brocken ist nicht überall gleich hart. Je nach Bundesland gelten nämlich andere Prüfungsvoraussetzungen und -inhalte; und auch die Anzahl der angebotenen Examenstermine und die Zulassung zur Notenverbesserung sind deutschlandweit verschieden. Diese Umstände solltest du dir gezielt zunutze machen, wenn du merkst, dass dir die Prüfungsmodalitäten eines anderen Bundeslands besser liegen: Denn so fein die Unterschiede im nicht-universitären Teil des Staatsexamens auch sein mögen, bei der Endnote können sie den entscheidenden Ausschlag geben. Selbst ein Jahr vor dem Staatsexamen kann sich ein Blick auf den Jura-Ländervergleich noch lohnen.

Um dir eine Ahnung davon zu vermitteln, was du dir mit einem strategischen Wechsel des Bundeslands ersparen kannst: Wusstest du, dass die Hamburger:innen ihr Staatsexamen an sechs Terminen im Jahr schreiben können, während in den meisten Bundesländern nur zwei Termine angeboten werden? Noch wichtiger: Der Prüfungsumfang schwankt bundesweit zwischen fünf und sieben Klausuren. Genauso plausibel kann ein Umzug vor dem Examen werden, wenn du dich informierst, wie unterschiedlich die Rechtsgebiete gewichtet werden: Wem Strafrecht nicht liegt, der sollte beispielsweise Berlin Lebewohl sagen, denn dort schreibt man nicht eine, sondern zwei Strafrechtsklausuren. Neben den Durchfallquoten und der Anzahl an Prädikatsexamen interessiert dich vielleicht auch, ob Unterstreichungen und Verweise im Gesetz erlaubt sind oder nicht.

Im Hinterkopf solltest du allerdings behalten, dass im Bereich des öffentlichen Rechts auch länderspezifische Gesetze Anwendung finden, welche du bei einem Wechsel natürlich selbstständig nachlernen musst!

Kaffeeklatsch verpflichtend!

Das Gefühl, alle Gesetzestexte, Skripte und Lehrbücher gegen die Wand pfeffern zu wollen, kennen wahrscheinlich alle, die Jura studieren. Verwunderlich ist das nicht, denn niemand kann tage- und wochenlang ununterbrochen lernen. Nein, auch du nicht. Also nichts wie raus aus dem stillen Kämmerlein und an die frische Luft, ins Kino oder mit Freunden zum Lieblingsitaliener. Ein schlechtes Gewissen brauchst du deswegen nicht zu haben, im Gegenteil: Denn was sich wie verbotenes Faulenzen anfühlt, ist tatsächlich notwendige Erholungszeit und hält dich langfristig produktiv.

Ablenkung und Austausch zugleich bietet auch die e-fellows.net community: Hier kannst du mit Gleichgesinnten plaudern, einen Bundeslandwechsel oder Lerntechniken besprechen ‒ oder einfach nur in vergangenen Unterhaltungen nach Tipps und Ratschlägen stöbern.

Durchgefallen, aber Volljurist:in

Wer in Deutschland zwei Mal durch das Jura-Staatsexamen fällt, wird bundesweit nie wieder zu einem Examen zugelassen. Da die Durchfallquoten sowohl im ersten als auch im zweiten Staatsexamen recht hoch sind, liegt die Frage nach einem Plan B nicht so fern. Die Antwort allerdings auch nicht: Denn ein Studium im Nachbarland Österreich bietet Juristen, die in Deutschland durchgefallen sind, die Chance auf einen gleichwertigen Abschluss. Praktischerweise kannst du dir beim Wechsel bestimmte Leistungen aus dem deutschen Jurastudium anrechnen lassen, um die Studienzeit in Österreich zu verkürzen: Oft bieten Universitäten sogar Fernprogramme an, die zwar kostspielig sind, dir aber den Umzug ins Nachbarland ersparen.

Schaffst du in Österreich dein Diplom, kannst du in Deutschland eine Gleichwertigkeitsprüfung ablegen, um zum Referendariat zugelassen zu werden. Natürlich ist dies nicht der schnellste oder günstigste Weg zur Anwaltsrobe ‒ aber ein Weg ist es allemal. Wer nach der Doppelpleite keinen Mut mehr für einen Neustart hat, für den gibt es das Beratungsprogramm "Staatsexamen Plan B", das von einem gescheiterten deutschen Jurastudenten eigens für Schicksalsgenossen ins Leben gerufen wurde und professionelle Hilfe beim Neuanfang bietet.

Habe nun, ach …

Wenn du deine Zukunft sowieso nicht in der klassischen Juristerei siehst, gibt es noch die Option, innerhalb des Fachgebiets zu wechseln. Viele deutsche Universitäten und Fachhochschulen bieten mittlerweile rechtswissenschaftliche Bachelorstudiengänge wie Wirtschaftsrecht oder Gesundheitsökonomie an. Das Anrechnen erbrachter Leistungen aus dem Jurastudium ist auch hier kein Problem: Konkrete Auskünfte über die Anrechnungsmodalitäten gibt es bei den Prüfungsämtern der jeweiligen Fakultäten. Ein Anruf genügt meist, um erste Informationen zu erhalten.

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