Erfahrungsbericht – LL.M.: King's College

Autor*innen
Corinne Rüchardt
Frau sitzt mit Laptop auf Erhöhung und zeigt auf etwas in der Ferne

Corinne Rüchardt hat das LL.M.-Programm am King's College in London absolviert. Wie sie sich dort nicht nur sprachlich, sondern auch fachlich weiterentwickeln konnte, erzählt sie hier.

In meinem ersten Semester sagte eine Kommilitonin zu mir, LL.M.-Abschlüsse dienten nur zum Nachweis, dass man Englisch spricht. Nach meinem LL.M.-Studium am King’s College in London weiß ich: LL.M.-Programme sind viel mehr als das – es liegt ein spannendes und persönlich bereicherndes Jahr in einer Weltstadt hinter mir, in dem ich mich in fachlich hervorragenden Kursen auf die Rechtsgebiete spezialisieren konnte, die mich besonders interessieren, und das wissenschaftliche Arbeiten auf Englisch üben konnte.

Wettbewerbsrecht in London – wie wählt man das richtige Programm?

Einjährige Graduiertenstudiengänge, die sich vornehmlich an ausländische Jurist:innen richten, gibt es mittlerweile in vielen englischsprachigen Ländern. Für mich stand bereits zu Beginn meines Studiums fest, dass ich auch im Ausland studieren wollte, und ich habe vor meinem Jahr in London im Rahmen des Programms "Europäischer Jurist" der Humboldt-Universität zu Berlin in Paris Europarecht studiert. Am King’s College spezialisierte ich mich auf Wettbewerbsrecht, vor allem EU-Beihilfenrecht.

Unser Karriereratgeber Der LL.M. 2021 [Quelle: e-fellows.net]

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Eine zentrale Frage, die sich bei einem Auslandsjahr stellt, ist, ob man Wert auf eine allgemeine Weiterbildung in einem fremden Rechtssystem legt oder sich lieber spezialisieren möchte. Am King's College ist beides möglich, und in aller Regel ergeben die frei zusammengestellten Kurse genug Punkte für eine bestimmte Vertiefungsrichtung. Der Wettbewerbsrechts-Schwerpunkt des King's College genießt großes Renommee, in anderen Gebieten sind andere Universitäten bekannter. Da ich bereits während meines Studiums in Deutschland und Frankreich mein Interesse für das Wettbewerbsrecht entdeckt hatte, war ich am King's College sehr gut aufgehoben. Die Tatsache, dass die Dozierenden oft Praktiker:innen sind (Anwältinnen und Anwälte oder auch ehemalige Mitarbeiter:innen der EU-Kommission), verschafft echte praktische Einblicke, lehrt eine pragmatische Herangehensweise und gibt die Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen. Für die Wahl der einzelnen Kurse habe ich mir Rat bei früheren Absolvent:innen geholt, was sehr hilfreich war. Einige von ihnen arbeiten bereits in den Feldern, auf die sie sich spezialisiert haben, und haben Praktika bei der Generaldirektion Wettbewerb der EU-Kommission absolviert.

Wie überall in England nehmen die Kurse verhältnismäßig wenig Zeit ein, dafür sind als Vorbereitung auf die Vorlesungen lange Literaturlisten durchzuarbeiten. Eine entsprechende Selbstmotivation, Disziplin und die Fähigkeit, gute Arbeitsrhythmen zu entwickeln, sind gefragt. Bei deutschen Studierenden, die die Examensvorbereitung erfolgreich überstanden haben, entstehen hier selten Probleme. Wer sich schwertut, sollte überlegen, ein Auslandsstudium in einem "verschulteren" System, etwa in Frankreich, zu absolvieren. Ich habe es, gerade nach dem Jahr in Paris, sehr genossen, mir meine Arbeit und meine Zeit wieder selbst einteilen zu können. Als Kurzanleitung für die Wahl des LL.M.-Studiums würde ich daher empfehlen: 1. Sprache wählen, 2. inhaltliche Vertiefung wählen und 3. zwischen den dadurch ermittelten Möglichkeiten nach Attraktivität des Orts entscheiden.

Finanzierung

Ein Professor in London bemerkte einmal, wie froh das King's College über seine LL.M.-Studenten sei: Dank ihnen könne man sich stets die modernsten Geräte für die medizinische Fakultät leisten. In der Tat besteht eine Quersubventionierung der verschiedenen Fakultäten, wie auch an anderen Universitäten, und LL.M.-Programme gehören am King's College wie auch anderenorts zu den teuersten Studiengängen. Hinzu kommen die in London berüchtigt hohen Lebenshaltungskosten. Ein LL.M. in London will daher lange im Voraus geplant sein. Allerdings gibt es zahlreiche Stipendien und andere Möglichkeiten, die Kosten zu reduzieren.

Über universitäre Austauschprogramme gibt es oft Rabatte auf die Studiengebühren bis hin zu deren kompletten Erlass. Hier sollte man sich genau informieren, inwieweit Kooperationen der Heimathochschule bestehen. Die Begabtenförderungswerke, etwa die Studienstiftung des deutschen Volkes, zahlen zusätzlich zur üblichen finanziellen Unterstützung Auslandzuschüsse, die man allerdings auch als Stipendiat gesondert beantragen muss. Auch einige Großkanzleien vergeben Stipendien für LL.M.-Studierende, in der Regel in Höhe von 2.000 bis 3.000 Euro. Hierbei sind die Bewerbungsverfahren unterschiedlich, von rein schriftlichen Verfahren bis zu Auswahlwettbewerben.

Nebenjobs sind in London nicht allzu schwer zu finden und teils ist sogar eine fachlich passende Arbeit möglich. Ich habe im zweiten Semester als wissenschaftliche Mitarbeiterin am King's College London gearbeitet. Die Vergütung ist, entsprechend der abweichenden Kaufkraft, grundsätzlich spürbar höher als bei vergleichbaren Tätigkeiten in Deutschland und wurde in meinem Fall persönlich ausgehandelt. Die Auslastung im LL.M.-Studium erlaubt ohne allzu große Schwierigkeiten eine Nebentätigkeit.

Fazit

Ein Jahr lang in London zu leben war eine persönliche Bereicherung, und das Studium am King's College London hat es mir ermöglicht, mich fachlich meinen Vorstellungen entsprechend zu spezialisieren. Zu guter Letzt kann ich die meteorologischen Bedenken zerstreuen: Das Londoner Wetter ist nicht so schlecht wie sein Ruf, und ich habe die Stadt oft genug bei strahlend blauem Himmel genießen können.

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