Zurückweisung: "Strategien aus der Kindheit können uns als Erwachsene im Weg stehen"

Autor*innen
Theresa Tröndle
Ein Mann weist alle Sprechblasen von sich ab

Im Job, im Leben, in der Liebe: Zurückweisungen tun weh. Wer damit umgehen kann, spart sich Frust. Aber wie? Drei Expert:innen erklären professionelle Methoden dafür.

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Schwerpunkt der aktuellen Ausgabe: Wie du deinen Eltern nah bleibst – und trotzdem deinen eigenen Weg gehst.

Wie schafft man es, mit Zurückweisung umzugehen? Das haben wir drei Coaches und Therapeut:innen gefragt und ihnen fünf Szenarien gegeben. Wie mache ich weiter, statt beleidigt zu sein?

Übersicht

Beim Dating

Bei der Jobsuche

In der Öffentlichkeit

Im Job

Auf Social Media

In der Freundschaft 

Beim Dating

Das erste Date war super, wir haben viel gelacht und diskutiert, die Nummern ausgetauscht. Zwei Tage später schreibt er: "Sorry, irgendwie passt es nicht." Was kann ich tun?

Eric Hegmann ist Paartherapeut und sagt:

Fast alles. Meine erste Frage als Therapeut ist deshalb oft: Was möchtest du tun? Wer sofort eine Nachricht schreiben will, kann überlegen, woher dieser Impuls kommt und welche Emotion dahintersteckt. Ist es Ärger oder Wut, weil man sich verarscht fühlt und vielleicht glaubt, die andere Person hätte beim Date nur etwas vorgespielt? Oder ist es Traurigkeit, weil man das Gefühl hat, nicht zu genügen?

Die einen wollen unbedingt herausfinden, woran es lag. Die anderen schließen sofort damit ab: Okay, next! All diese Verhaltensweisen sind logisch und weder richtig noch falsch, man folgt einfach seinem Impuls. Trotzdem kann es sein, dass man seine Handlung im Nachhinein bereut. Denn nicht immer lassen sich starke Emotionen steuern. Es kann also sein, dass einem nach dem Abschicken der bösen Nachricht einfällt: Eigentlich waren wir ja noch nicht verheiratet. Eigentlich wähle ich Personen auch ab. Vielleicht war das jetzt übergriffig von mir.

Wer seit Monaten tindert, schöne Dates hat und dann doch wieder einen Korb kriegt, könnte sich anschauen, ob es daran liegt, dass die erste Begegnung nicht spannend genug ist. Wir gehen oft schon mit einer Schutzstrategie in ein Treffen rein und checken wie bei einem Bewerbungsgespräch ab: Was könnte diese Person tun, um mich zu verletzen? Wovor muss ich mich schützen? Solche Gedanken bereiten kein Date vor, sondern ein Katastrophen-Minimierungs-Programm, bei dem so viel Angst dabei ist, dass der andere gar nicht an einen rankommen kann. Deshalb sollte jede:r versuchen, nicht in anderen Personen Vertrauen zu finden, sondern zunächst in sich selbst. Das Wissen, dass ich nach Verletzungen heilen kann, dass ich Rückschläge überwinden und mit Zurückweisung umgehen kann, erlaubt wieder Freude an Begegnungen mit anderen.

Bei der Jobsuche 

Die Stellenausschreibung klang nach Traumjob, meine Bewerbung hat überzeugt. Ich wurde zum Auswahlverfahren eingeladen und schaffte es in die letzte Runde. Dann die E-Mail: "Leider müssen wir Ihnen …" Wie kann ich mich motivieren, weiterzusuchen?

Christine Werner ist Berufs- und Bewerbungscoach und sagt:

Wenn man Glück hat, steht in der E-Mail eine Begründung, in der Regel bekommen Bewerber:innen heute aber unspezifische Absagen. Ich würde auf jeden Fall nachfragen, woran es gelegen hat, am besten per Telefon.

Viele stürzen sich gleich in etwas anderes, um ihre Gefühle zu verdrängen oder lenken sich ab. Es spricht auch nichts dagegen, abends Freunde auf ein Bier zu treffen, nur sollte man sich auch Raum lassen für seine Gefühle: Es ist okay, enttäuscht zu sein, es ist okay, sich als Loser zu fühlen, es ist okay, dass da Selbstzweifel sind.

Wir neigen dazu, alles auf uns zu beziehen: Was habe ich falsch gemacht? Warum war ich nicht gut genug? Meist ist es nur Spekulation, dass es an einem selbst lag. Es kann ja auch sein, dass intern jemand bevorzugt wurde, oder jemand genommen wurde, der fünf Jahre mehr Berufserfahrung hat. Viele Faktoren, die in die Entscheidung mit reinspielen, können wir nicht sehen.

Wem häufig abgesagt wird, könnte jemand Externen um Rat bitten. Das lohnt sich. Wer Glück hat, kennt einen Personaler, sonst bietet sich eine Berufsberaterin oder ein Bewerbungscoach an, der oder die sich einmal das Auftreten anschauen kann. Da ist zum Beispiel die Körpersprache. Verschränkte Arme, kein Augenkontakt, so etwas fällt einem selbst nicht auf.

Ich stelle in meinem Coaching auch gerne die Frage: Was möchtest du ausstrahlen? Meine Klient:innen sollen dafür zwei Eigenschaften aufschreiben, zum Beispiel: Ich bin sympathisch und professionell. Das klingt einfach, hilft aber bei der inneren Einstellung, vor allem dann, wenn Aufregung dazukommt. Kein:e Personaler:in würde das sagen, aber am Ende sind sie auch nur Menschen, die Entscheidungen nach ihrem Bauchgefühl treffen. Deshalb ist die richtige Ausstrahlung so wichtig.

In der Öffentlichkeit 

Ich bin schüchtern, überwinde mich aber, in einem Café, wo ich kein Gast bin, nachzufragen, ob ich die Toilette nutzen darf. Der Kellner lehnt ab. Wie reagiere ich?

Martin Daume ist Psychotherapeut und sagt:

Man sollte sich für die Überwindung wertschätzen, sich aber gleichzeitig klarmachen, dass jede Bitte mit einem Nein enden kann. Eine Botschaft braucht immer einen Empfänger, in diesem Fall ist das der Kellner. Er entscheidet, ob ich die Toilette nutzen darf oder nicht, und das wiederum ist abhängig davon, mit welchem Ohr er meine Frage hört. Ist er gut gelaunt oder eher gestresst?

Am wichtigsten ist, dass man sich nicht selbst runtermacht. Eine Abfuhr tut jedem weh und hängt wenig mit der konkreten Situation zusammen, sondern damit, dass sie eine biografische Vorgeschichte aktiviert. Man sollte sich nicht selbst abwerten, sondern das Gegenteil tun und sich für den Schritt loben, den man gerade gewagt hat. Schüchternheit ist Teil der Persönlichkeit, man wird sie nie ganz ablegen können, aber man kann sie trainieren. Zum Beispiel, indem man gleich ins nächste Café geht und dort nach der Toilette fragt.

Im Job 

Der Chef macht Druck, die Abgabe auf jeden Fall einzuhalten. Ich mache Überstunden, um rechtzeitig fertig zu werden. Dann meldet er sich wochenlang nicht zurück. Wie sollte ich mich verhalten?

Christine Werner ist Berufs- und Bewerbungscoach und sagt:

Wenn man ein gutes Verhältnis hat, würde ich das Gespräch suchen und nachfragen, woran es liegt, dass bisher keine Antwort kam. Viele trauen sich nicht, so etwas anzusprechen, weil sie keinen Ärger wollen oder viel Verständnis für den Stress ihres Chefs oder ihrer Chefin haben. Meistens ist es aber so, dass keine besonderen Gründe vorliegen und es einfach immer stressig ist. Wenn man dann nichts sagt, staut sich das auf, man bleibt unzufrieden, die Situation wiederholt sich vielleicht, und es baut sich noch mehr Unzufriedenheit auf.

Wie man das Thema anspricht, hängt vom Umfeld ab. Wer in einer Bank oder einer Versicherung arbeitet, wo es noch starre Hierarchien gibt und die Chefs gesiezt werden, sollte sich nicht verletzt zeigen oder wütend. Gefühle können in einem solchen Umfeld noch als Schwäche ausgelegt werden. Besser ist es da, auf einer sachlichen Ebene zu argumentieren. Also klarzumachen, dass man seine Leistung mit der pünktlichen Abgabe erfüllt hat. Am wichtigsten ist die Frage: Wie gehen wir damit zukünftig um?

Wenn Rückmeldungen immer wieder ausbleiben, obwohl man darüber gesprochen hat, kann es sein, dass es am Führungsstil liegt. Dass der Chef oder die Chefin unter Dauerstrom steht und grundsätzlich alles sofort fertig haben will. Hier sollte man sich selbst die Erlaubnis geben, Sachen liegenzulassen. Wer sich dauernd abhetzt, aber nicht gehört wird, sollte Verantwortung für sich übernehmen, denn letztendlich geht es auch um die eigene Gesundheit. Also einfach mal schauen, was passiert, wenn man eine Deadline nicht einhält. Man kann nicht beeinflussen, wie Führungskräfte handeln, aber man kann beeinflussen, wie man darauf reagiert.

Auf Social Media

Mein Bild auf Instagram hat kaum Likes bekommen. Es ist mir unangenehm, aber irgendwie verletzt es mich. Was kann ich tun?

Martin Daume ist Psychotherapeut und sagt:

Das alles hängt mit unserem Selbstwert zusammen. Wenn mir bewusst ist, was ich alles kann, wenn mir meine Fähigkeiten klar sind und ich in anderen Teilen meines Lebens selbstwirksam bin, ist mein Selbst weniger abhängig von externer Anerkennung. Was also kann ich tun, damit es mir egal wird, ob ich zehn Likes bekomme oder tausend?

Seinen Selbstwert stärkt man am besten, indem man sich immer wieder Bereiche sucht, die man selbst kontrollieren kann. Es geht darum: Was kann ich mit meiner eigenen Muskelkraft bewirken? Das können immer nur Dinge sein, bei denen niemand andere im Spiel ist.

Wir Menschen sind immer gefangen zwischen diesen drei Optionen: Change it, leave it or love it. Change it würde bedeuten, ich ändere etwas an mir für mehr Likes, leave it würde bedeuten, ich mache nichts mehr auf Social Media, weil ich es nicht steuern kann. Und love it würde bedeuten, ich akzeptiere es.

In der Freundschaft 

Seit dem Kindergarten sind wir miteinander befreundet. Einmal im Jahr fahren wir ein paar Tage miteinander weg. Auf einmal hat er andere Pläne und keine Zeit mehr für mich. Wie kann ich reagieren?

Eric Hegmann ist Paartherapeut und sagt:

Das kommt darauf an, wonach dir ist. Würdest du gerne anrufen und sagen, dass du enttäuscht bist? Oder ist das Gegenteil der Fall und du willst erst mal keinen Kontakt?

Unsere Emotionen sind in unserer Kindheit kalibriert worden. Zurückweisung fühlt sich im Erwachsenenalter meist genauso an, wie die schmerzhafteste Trennungserfahrung, die man als Kind erfahren hat. Damals hat unser integriertes Lernprogramm eine Strategie entwickelt, wie wir eine solche Erfahrung verhindern können. Diese kann uns als erwachsene Person im Weg stehen.

Letztendlich geht es in solchen Situationen um die Frage, wie wir mit unseren Emotionen umgehen, die wir währenddessen erleben: mit Wut, Enttäuschung, Angst, Hilflosigkeit, mit Ohnmacht und Selbstzweifeln. Die häufigsten Stressreaktionen darauf sind Angriff, Verteidigung, Rückzug, Blaming und Erstarren. Je stärker die Emotion, umso größer der Handlungsimpuls und möglicherweise eine unüberlegte und wenig hilfreiche Reaktion. Erst wenn man gelernt hat, welche Stressreaktion auf welche Emotionen folgen und man diese auch zulassen kann, kann man versuchen, neu damit umzugehen.

Was immer geht, ist ehrliches Interesse. Man kann zum Beispiel fragen: "Ich verstehe nicht genau, warum du abgesagt hast, würde aber gerne mehr darüber wissen." Denn wer weiß: Vielleicht hat man im letzten Telefonat etwas gemacht, was die Person total verärgert hat.

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