Tipps für die Berufswahl: Sechs Wege, Deine Arbeit zu lieben, zu mögen oder wenigstens nicht zu hassen

Autor*innen
Christoph Farkas
Ein Geschäftsmann springt mit gespreizten Beinen in die Luft. Er macht einen Spagat zwischen einem unbeschriebenen Block und einem Taschenrechner.

Der erste Job muss nicht der Traum sein, das Team nicht die Familie. Wie man bei der Arbeit glücklich wird.

1. Akzeptiere, dass es Deinen Traumjob vielleicht nicht gibt. 

Hm, klingt das nicht unnötig realistisch? Kann man sich nicht später von seinen Träumen verabschieden, vielleicht so mit Mitte vierzig? Oder besser: niemals? Die Forschung sieht das anders. Vor einem Jahr veröffentlichten vier US-amerikanische Arbeitswissenschaftler:innen eine Metastudie darüber, welche Karrieretipps sich wirklich bewähren. Ihre Erkenntnis: Träume und Ziele sind nur dann sinnvoll, wenn man zum richtigen Zeitpunkt bereit ist, sie loszulassen. Wer dreimal die Biografie von Steve Jobs gelesen hat und sich darin verbeißt, bei Apple arbeiten zu wollen, verpasst vielleicht den Job bei einem fabelhaften Tech-Start-up in Dresden, das noch kein Mensch kennt.

bewerbunOkay ist natürlich auch, überhaupt nicht zu träumen, sondern einfach nur Geld verdienen zu wollen. In einer aktuellen Umfrage der Plattform JobTeaser sagten 84 Prozent der Befragten aus der Gen Z, gerade keinen klaren Karriereweg vor Augen zu haben. Opas alarmiert das, aber diese Zahl lässt sich auch optimistisch lesen: Wer nicht träumt oder noch nicht, wird auch erst mal nicht enttäuscht. Nicht jeder Beruf muss gleich eine Berufung sein. Und Träume kann man sich auch nach Feierabend erfüllen.

2. Nimm nicht das erste Angebot an, wenn es nicht richtig passt. 

Es ist eine verwirrende und belastende Zeit für alle, die jetzt oder in den kommenden Monaten ihren ersten Job anfangen. Jahrelang haben sie zu hören bekommen, wie paradiesisch die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist. Expert:innen sprechen längst von einem Arbeitnehmermarkt, das heißt: Unternehmen müssen sich um Bewerber:innen bemühen, nicht andersherum. Weil die Babyboomer bald in Rente gehen, wird es bis 2035 fünf Millionen weniger Deutsche im erwerbsfähigen Alter geben, schätzt das Statistische Bundesamt. Viele von uns werden die Freiheit haben, Angebote auszuschlagen. Und die meisten werden wahrscheinlich gut verhandeln können, gerade, wenn es um eine Vier-Tage-Woche oder mobiles Arbeiten von irgendeiner Kanareninsel aus geht.

Andererseits: Die Pandemie brachte auch Einstellungsstopps und Zukunftsängste, die Lage hat sich aber wieder entspannt. Zwar empfanden 43 Prozent der befragten Berufseinsteiger:innen einer LinkedIn-Studie im Herbst 2021 ihre Jobsuche zunächst als hoffnungslos. Trotzdem hatten sie im Schnitt nach fünf Wochen einen Job. Es scheint psychologisch nachvollziehbar, das erstbeste Angebot anzunehmen. Jede:r vierte Befragte der Studie hat das so gemacht. Doch nur 15 Prozent derjenigen sind immer noch zufrieden und suchen gerade keinen anderen Job. Wer nicht gleich vom ersten Job gefrustet sein möchte, wartet und wägt vielleicht etwas länger ab, als es sich erträglich anfühlt. Man kann sich ja auch bewerben, während man einen Sprachkurs in Montevideo macht.

3. Finde so viel wie möglich über das Unternehmen raus, bei dem Du arbeiten willst. 

Der Tipp ist wahrscheinlich so alt wie Bernie Sanders, aber dadurch nicht weniger wichtig. Sich überraschen zu lassen ist im Leben schön, im Job schön blöd. Je genauer du weißt, worauf du dich einlässt, desto zufriedener wirst du mit dem Unternehmen, den Kolleg:innen, den Vorgesetzten sein. Also: Schreib und triff dich mit Leuten, die in dem Unternehmen arbeiten oder dort gearbeitet haben, wo du hinwillst. Schau dir Portale wie Kununu an. Denk daran: Eine, die dort arbeitet, wird dir Blumigeres erzählen als einer, dem gekündigt wurde. Und nur weil auf einem Portal "Macht die Bude sofort dicht!" steht, ist es nicht ausgeschlossen, dass du in dieser Firma glücklich werden kannst.

Noch ein Pandemie-Aber: Es ist schwieriger als sonst, vorher schon ein gutes Gefühl für den Job und die Laune im Team zu bekommen. Viele kommunizieren immer noch über Zoom. Zwei Optionen: Frage im Bewerbungsgespräch offensiv nach: Wie würde ein klassischer Arbeitstag aussehen? Und was würden Sie gerne an der Stimmung im Team verbessern? Einen zweiten, etwas wilderen Tipp gab ein Karrierecoach vor Kurzem im Handelsblatt. Er sagte, man solle das Unternehmen ruhig vor dem Jobinterview von einer Parkbank aus beobachten, um eine Idee von der Stimmung zu bekommen. Warum nicht? Trenchcoat anziehen und ein Loch zum Durchgucken in diese ZEIT Campus-Ausgabe schneiden, dann wirst du weniger überrascht sein, wenn es losgeht.

4. Sei ehrlich mit dem, was Du kannst und was nicht. Oder lüge, wenn Du glaubst, es schnell genug lernen zu können.

Ein verlässlicher Weg ins Unglück, gerade in den ersten Monaten im neuen Job, ist konstante Über- oder Unterforderung. Die hat oft damit zu tun, dass dir und deinem Unternehmen vorher nicht ganz klar war, was verlangt wird und was du draufhast. Ist dein Englisch wirklich "verhandlungssicher" oder nur noch ein eingerosteter Erasmus-Rest? Weißt du bloß, wie man Excel öffnet, oder kannst du damit zaubern? Wenn du das Gefühl hast, überschätzt oder unterschätzt zu werden, besprich das am besten schnell, vielleicht erst mal mit deiner Lieblingskollegin. Gerade Unterforderung ist für viele Berufseinsteiger:innen ein Problem. Nach einer Studie der Plattform JobTeaser aus dem vergangenen Herbst arbeiten mehr als ein Fünftel der Befragten in einem Job oder in einer Position, für die sie überqualifiziert sind.

Man kann natürlich versuchen, sich an coolere, verantwortungsvollere Aufgaben ranzubluffen. Im Kinofilm Licorice Pizza gibt es dafür ein schönes Beispiel. Gary empfiehlt seiner Freundin Alana, bei der Bewerbung um Schauspieljobs immer erst mal alles zu bejahen. Portugiesisch? Kann ich. Reiten? Na klar. Fechten? Aber ja. In der Wirklichkeit ist es ideal, wenn man noch etwas Zeit zum Lernen zwischen der Behauptung und dem Moment hat, wo es auf die Fähigkeit ankommt.

5. Es gibt immer Dinge, die Du ändern kannst, wenn sie beknackt sind. 

Du kannst und solltest Dinge besprechen, wenn sie dich länger als zwei, drei Wochen nerven. Oder es zumindest versuchen. Das gilt für deine Aufgaben, siehe Punkt 4, aber auch für alles andere. Wenn deine Chefin oder dein Chef ständig samstagabends "dringende" E-Mails schreibt und Antwort erwartet, wenn Nachmittagskonferenzen regelmäßig so überzogen werden, dass du es nicht mehr zum Kickboxen schaffst, wenn du mehr Feedback willst – rede darüber. Job Crafting, also erst mal selbst zu versuchen, was zu ändern, ist eine okaye Alternative zur sofortigen Kündigung. Veränderung ist realistischer als früher, weil Unternehmen heute wissen: Wer wütend ist, kündigt schneller, weil der Markt es hergibt.

Auch die Unternehmenskultur lässt sich stärker beeinflussen als in den vergangenen Jahrzehnten. Selbst bei E-Scooter-Verleihern oder Supermarktketten erwarten Mitarbeiter:innen heute, dass ihre Unternehmen sich zu Black Lives Matter, der Klimakrise oder dem Krieg in der Ukraine verhalten. Und viele Konzerne tun das, wenn auch manchmal dämlich. Wenn neue Büros gebaut oder für hybrides Arbeiten umgerüstet werden, kannst du wahrscheinlich mitreden. Wenn es einen Betriebsrat gibt, kannst du eintreten. Wenn’s keinen gibt, versuche einen zu gründen. Und wenn dir das zu viel ist, unterstütze die richtigen Leute.

6. Du musst nicht mit Kolleg:innen befreundet sein. Aber es hilft, mal zusammen einen draufzumachen. 

Einen draufmachen ist eigentlich immer eine gute Idee, im Job erst recht. Ständiges Homeoffice kann dazu führen, dass man sich von Kolleg:innen entfremdet oder erst gar keine Beziehung aufbaut. Die ist aber wichtig: Studien zeigen, dass das Burn-out-Risiko und die Qualität von Beziehungen im Job zusammenhängen. Wenn die Stimmung passt, sind alle zufriedener und produktiver – das ist auch nett für die Firma. Nicht alles lässt sich mit Indoor Skydiving, Escape Rooms oder anderen Fantasie-Team-Events beschwören. Meistens ist es schöner, selbst was zu planen, und wenn es nur ein Feierabendbier im Park ist.

Komplizierter ist in der Regel das Verhältnis zu Vorgesetzten. Da musst du ausloten: Wie offen könnt ihr reden? Und was behältst du besser für dich? Viele sind überfordert, wenn Einsteiger:innen gleich in der ersten Woche von der Scheidung ihrer Eltern oder ihrer Periode reden wollen. Frag dich, was du selbst alles hören wollen würdest und was nicht. Und noch was: Wenn es in deinem Job Assistent:innen gibt, ein IT-Team, Leute am Empfang oder einen Hausmeister, sei besonders freundlich zu ihnen. Das ist ganz leicht, denn die sind meistens die allerbesten Kolleg:innen. Wer sie auf seiner Seite hat, dem kann nicht mehr viel passieren.

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