Generation Z: "Junge Menschen wollen nicht weniger arbeiten"
- Lukas Haas und Alisa Schellenberg
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Die Generation Z habe ja keine Lust zu arbeiten, sagen viele. Stimmt nicht, sagt der Arbeitsmarktforscher Enzo Weber. Was die Jungen wirklich wollten, sei etwas anderes.

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Die Generation Z ist auf dem Arbeitsmarkt angekommen und mit ihr viele Stereotype: Sie sei faul, fordere viel Geld und noch mehr Flexibilität. Seitdem wird über die Arbeitsmoral und Leistungsfähigkeit derjenigen diskutiert, die zwischen 1995 und 2010 geboren wurden. Viele Annahmen über die Jungen lassen sich wissenschaftlich nicht halten, sagt Enzo Weber. Der Ökonom forscht zur Arbeitsmarktentwicklung und demografischen Wandel.
Enzo Weber
Enzo Weber ist Ökonom. Er forscht zur Arbeitsmarktentwicklung und dem demografischen Wandel auf der Basis von statistischen Erhebungen. Weber leitet den Forschungsbereich Prognosen und gesamtwirtschaftliche Analysen am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und ist Professor für empirische Wirtschaftsforschung an der Universität Regensburg.
Immer wieder heißt es, die Generation Z will wenig arbeiten, fordert viel und wenn ihr der Job nicht passt, dann kündigt sie sofort. Herr Weber, sind junge Menschen fauler und fordernder geworden?
Das sind Annahmen, die ich oft höre. Darin wird aber einiges vermischt. Dass junge Menschen weniger arbeiten wollen, stimmt zum Beispiel überhaupt nicht. Das zeigen die Daten einfach nicht. Was sich geändert hat, ist das Ausmaß an Arbeitszeitflexibilität und mobilem Arbeiten, das heute verlangt wird. Die Jungen wollen etwa ein Recht auf Homeoffice. Das wäre vor zehn Jahren nicht denkbar gewesen. Das hat aber nichts damit zu tun, dass die heutige Generation fauler wäre oder mehr Freizeit wollte, sondern mit der Arbeitsmarktlage. Weil es auf dem Arbeitsmarkt so viele offene Stellen gibt, können Arbeitnehmer ihre Wünsche besser durchsetzen. Es fordern alle Arbeitnehmer mehr, nicht nur die Jungen.
Die Generation Z tickt also nicht anders als die Generationen zuvor?
Über die heutigen 25-Jährigen heißt es: Generation Z, eine Kohorte, die denken alle gleich. Aber wenn man ihre Präferenzen abfragt, zum Beispiel was die Arbeitsmodelle angeht, dann stellt man fest: Die ticken nicht alle gleich, die ticken total unterschiedlich. Einige wollen weniger arbeiten, andere mehr. Wer einen Minijob hat, will oft deutlich mehr arbeiten. Wer mehr als 40 Stunden pro Woche arbeitet, weniger. Schaut man sich die Generation davor an, bemerkt man Ähnliches. Man kann sagen, die statistischen Unterschiede zwischen den Generationen sind viel kleiner als die Unterschiede zwischen den Menschen innerhalb einer Generation.
Aus der Soziologie weiß man, dass Faktoren wie die soziale Klasse oder Bildung die Sicht von Menschen auf die Welt maßgeblich prägen. Der Begriff Generation hingegen erklärt die Weltsicht verschiedener Menschen anhand des Zeitpunkts ihrer Geburt und der damit verbundenen Erfahrungen. Taugen Generationen überhaupt als Erkläransatz in der Arbeitsmarktforschung?
Das Alter ist nur eins von vielen Dingen, die einen Menschen ausmachen. Trotzdem hat es seine Berechtigung. Man kann sich schon anschauen, wie sich eine Generation verhält im Vergleich zu einer vorherigen Generation. Nur die Unterschiede sind meist nicht so groß, dass es unbedingt einen Buchstaben wie Y oder Z geben müsste, um das zu beschreiben. Ich habe nichts gegen die Kategorisierung, aber man sollte nicht zu viel reinlesen.
"Auch ein junger Maurer wird sich heute mehr Flexibilität wünschen, als das früher noch der Fall gewesen wäre."
Weniger arbeiten zu wollen, muss man sich erst einmal leisten können. Viele Handwerker:innen können kein Homeoffice machen. Beziehen sich die Aussagen über eine Generation oft nur auf eine privilegierte studentische Gruppe?
Es ist schon so. Typische Bilder der Generationenforschung sind oft von Akademikern über Akademiker. Trotzdem verändern sich auch bei anderen sozialen Gruppen die Einstellungen zur Arbeit. Auch ein junger Maurer wird sich heute mehr Flexibilität wünschen als das früher noch der Fall gewesen wäre. Und da ist mehr möglich, als man denkt, wenn auch kein Homeoffice.
Gibt es also doch Bereiche, in denen sich die Generation Z von vorhergehenden Generationen unterscheidet?
Ein paar fundamentale Dinge haben sich geändert, zum Beispiel die Lebens- und Haushaltsmodelle. Das Alleinverdienermodell existiert in dieser Generation so gut wie nicht mehr. Die Erwerbstätigkeit beider Partner ist für eine große Mehrheit der Normalfall. Daraus folgen neue Präferenzen: flexible Arbeitszeiten, die sich dem Leben anpassen. Außerdem gab es jüngst den Corona-Schock. Die vorige Generation ist vor Corona in den Arbeitsmarkt eingetreten. Die jüngere Generation fängt jetzt an, zu arbeiten. Sie hat während der Pandemie gesehen: Es geht auch anders. Wenn man einen heute 25-Jährigen für einen Job haben will, bei dem Homeoffice potenziell möglich ist und man das trotzdem nicht anbietet – dann kriegt man den nicht mehr.
Und was ist mit dem sogenannten Quiet Quitting: Es heißt, die Generation Z erfüllt im Job nur minimale Anforderungen, ist leidenschaftslos, gibt sich keine Mühe. Ist die Arbeitsmoral der Jungen anders?
Das würde ich aufgrund der Daten bezweifeln. Aber es kann gegenüber Älteren so wirken. Diese haben Zeiten miterlebt, in denen es eine hohe Arbeitslosigkeit gab, etwa in den 2000ern, und sind eher nicht gewohnt, dass jemand Forderungen stellt. Da kann man schnell denken: Im Leben noch nichts geleistet, aber Flexibilität fordern? Übrigens, die These, dass junge Menschen ständig ihre Jobs wechseln, stimmt auch nicht.
Woran machen Sie das fest?
In den USA gab es während und nach Corona die sogenannte great resignation, viele Menschen haben ihren Job gewechselt. In Deutschland ist während der Pandemie genau das Gegenteil passiert, deutlich weniger Menschen haben gekündigt.
Und wie stehen Sie zur These, dass die Generation Z keine Überstunden mehr leisten will?
Generell kann man sagen, dass die Überstunden in Deutschland seit ein paar Jahren sinken. Das lässt sich aber nicht mit weniger Bindung zum Arbeitgeber erklären, sondern mit den Arbeitsausfällen während der Pandemie und einer Rezession in der Industrie in den Jahren 2018 und 2019. Das gilt auch für die jungen Arbeitnehmer.
Von alten Patriarchen
Vor einigen Jahren hieß es, die Millennials verändern die Arbeitswelt, sie wollen eine andere Work-Life-Balance und suchen nach Sinn im Job. Inzwischen sind sie um die 30 Jahre alt, arbeiten in herkömmlichen Bürojobs und machen Überstunden. Droht der Generation Z ein ähnliches Schicksal?
Klar, wenn man erst mal Haus, Hof und Kinder hat, dann verhält man sich anders. Dagegen sind die Jungen immer die Rebellen. Sie haben weniger Zwänge und Pflichten.
"Bei den Arbeitgebern geht die Angst um, dass jetzt alle eine Viertagewoche wollen und keiner mehr richtig anpackt."
Hat also die Haltung zur Arbeit weniger mit der Generation zu tun als mit dem jungen Lebensalter?
Das junge Lebensalter steht mit Sicherheit für sehr viel größere Unterschiede als die Generation. Das war wahrscheinlich zu jedem Zeitpunkt der Geschichte so.
Sie haben gesagt, die großen Unterschiede bei den jungen Menschen lägen vor allem bei der Flexibilität. Sie wollen sich ihre Arbeitszeit einteilen und ortsunabhängig arbeiten. Ecken sie damit nicht bei älteren Kolleg:innen an, die auf Präsenz Wert legen?
Bei Kollegen, aber auch bei Arbeitgebern. Denken Sie mal an einen Mittelständler, einen Patriarchen von altem Schrot und Korn. Wenn zu dem jetzt junge Menschen kommen, die ihre individuelle Arbeitsweise umgesetzt haben wollen, kann man sich mögliche Konfliktlinien gut vorstellen. Bei den Arbeitgebern geht die Angst um, dass jetzt alle eine Viertagewoche wollen und keiner mehr richtig anpackt. Den Jungen geht es aber um ein Anders, nicht um ein Weniger. Das ist der entscheidende Punkt. Die Aufgabe der Arbeitgeber ist deshalb, eine Organisationsweise zu finden, in der sie auf den Wunsch nach flexiblen Arbeitszeiten eingehen und trotzdem gut wirtschaften – oder gerade deshalb.
Wenn Sie Unternehmensberater wären, was würden Sie Arbeitgebern raten, um die Bedürfnisse junger Menschen besser anzusprechen?
Sie sollten davon ausgehen, dass die Menschen nicht fauler oder schlechter geworden sind, sondern sich ihre Wünsche anhören. Das gilt nicht nur für jüngere Mitarbeiter, sondern auch für ältere. Die wenigsten wollen Silicon-Valley-Wohlfühllandschaften in ihrem Büro, sondern sehr konkrete Dinge, die sich auf die Arbeit in ihrer Lebenssituation beziehen. Diese individuellen Wünsche zu ermöglichen, also keine Extrawürste zu braten, sondern transparent und mit allen Beschäftigten auf Augenhöhe darüber zu kommunizieren, das ist der Schlüssel.
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