Die Karrierefrage: Soll ich Bildungsurlaub nehmen?

Autor*innen
Uwe Marx
Die Frau steht auf einem Buch und dieses wiederum wird von einer Hand getragen

Die Sache scheint eindeutig; viele Beschäftigte haben ein Recht auf Bildungsurlaub. Bisweilen aber regt sich bei ihnen das schlechte Gewissen. Ist das nicht so ähnlich wie: die Kollegen einfach hängen lassen?

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Die Frage, ob Bildungsurlaub genommen werden sollte, ist eindeutig und vielfach beantwortet worden. Jedenfalls von Menschen, die bereits Bildungsurlaub genommen haben, bei einem der vielen Anbieter fündig geworden sind und hinterer auf deren Internetseiten schwärmen – wie wunderbar doch der Sprachkurs in der Provence gewesen sei oder das lange Yoga-Wochenende an der Nordsee oder die Entschlackung im Allgäu oder die Burnout-Prävention im Elsass. Oder was auch immer, denn die Möglichkeiten sind vielfältig. Alles super jedenfalls, was an diesen Stellen ja auch nicht anders zu erwarten war.

Rechtlich ist die Sache ohnehin eindeutig. In 14 von 16 Bundesländern gibt es einen Anspruch auf Bildungsurlaub, nur Sachsen und Bayern mauern bisher. Dieser Anspruch gilt für Beschäftigte in Vollzeit, aber auch für solche in Teilzeit, zum Beispiel Minijobber, und auch für Auszubildende. Nur die Probezeit muss vorüber sein. Fünf bis zehn Tage im Jahr sind drin, je nach Bundesland, und die Chancen steigen, je größer ein Arbeitgeber ist. Konzerne tun sich hier leichter als – pardon – Klitschen. Auch in einzelnen Branchen ist die Zurückhaltung größer als in anderen. Zum Beispiel im Handel. Alles in allem, so heißt es, machen Beschäftigte immer noch zu selten Gebrauch von ihrem Recht. Hier spielt Unwissenheit eine Rolle. Oder übertriebene Vorsicht.

Und was denken die Kollegen und Kolleginnen?

Die ließe sich leicht ausräumen, zumindest was die Auswahl unter den vielen Angeboten betrifft. Vor allem sollte das Angebot – das Ziel, der Kurs, der Lerninhalt – als Bildungsurlaub anerkennt sein. Das ist zwar meistens auf den ersten Blick zu erkennen, denn die Zahl der Anbieter ist in den vergangenen Jahren gewachsen – aber eben nicht immer. Deshalb sollten Interessenten lieber auf Nummer sicher gehen und zweimal hinschauen.

Die Stiftung Warentest empfiehlt außerdem, dass die Beschäftigung im Bildungsurlaub etwas mit der alltäglichen Arbeit zu tun haben sollte – denn dann würden "Chef und Kollegen die Abwesenheit nicht übelnehmen". Atmosphärische Auswirkungen sollten also nicht unterschätzt werden. Besonderen Einsatz signalisierten zudem diejenigen, die für einen Teil ihrer Bildungstage auch regulären Urlaub nehmen. Eine gewisse Pflicht zur Sozialverträglichkeit wird also auch von einer der bekanntesten deutschen Verbraucherorganisationen ins Spiel gebracht – Recht auf Bildungsurlaub hin oder her.

Fokus auf Fehlzeiten, nicht auf die Förderung

Lara Körber weiß genau um die Fallstricke in der ach so verlockenden und vielfältigen Bildungsurlaubswelt. Die Mitgründerin des Start-ups "Bildungsurlauber.de" ist die meistzitierte Frau des Landes, wenn es um dieses Thema geht, und sie sagt, dass das "Märchen vom lebenslangen Lernen" zwar gerne erzählt werde, es in der Praxis aber noch zu oft klemme.

Da gebe es Misstrauen, Ablehnung und eben keine Einsicht, dass Bildungsurlaub für Fortbildung und persönliche Weiterentwicklung stehe, die auch Arbeitgebern zugute kommt, und eben nicht für eine willkommene Verlängerung des regulären Urlaubs. Oft werde zu sehr die Fehlzeit gesehen, nicht die Förderung. Körber hat beobachtet, dass viele Beschäftigte zwar ausgelaugt und am Limit seien, sich aber nicht trauen, Bildungsurlaub zu nehmen, weil sie das ihrem Team, ihren Kollegen nicht zumuten wollen.

"Nein" sagen, um gemocht zu werden

Florian Becker von der Wirtschaftspsychologischen Gesellschaft in München warnt davor, es dem Kollegenkreis mit aller Macht Recht machen zu wollen. Viele Menschen seien ohnehin "überangepasst", wollten es anderen unbedingt Recht machen und sprängen gewissermaßen "über jedes Stöckchen". Das Motiv liege auf der Hand. Sie wollen geliebt oder wenigstens gemocht werden. Dabei würden Menschen, die zu allem Ja sagen, gerade nicht geliebt und noch nicht mal respektiert.

Ein Verzicht auf Bildungsurlaub, um anderen zu gefallen, hätte noch einen Nebeneffekt: Er würde einen neuen Standard setzen, hätte also auch für andere Konsequenzen. Motto: Wenn Müller auf Bildungsurlaub verzichtet, dann werden Meier oder Schulze ebenfalls nicht auf die Idee kommen. Auch das mache im Kollegenkreis schnell unbeliebter, sagt Becker. Zumal Missgunst und Neid hierzulande recht ausgeprägt seien.

Der Psychologe empfiehlt einen Doppelpass mit Vorgesetzten, der eben nicht zu vorauseilendem Verzicht führen sollte, sondern zu Transparenz und – vor allem – einer klaren Führungslinie. Es gehe dabei um ein scheinbares Paradox: "Gleichbehandlung durch Ungleichbehandlung". Was den einen untersagt wird, kann anderen erlaubt werden – es muss nur gut begründet und transparent sein. Akuter Personalmangel oder aktuelle Projekte und Aufträge können ja durchaus gute Gründe sein, um einen Bildungsurlaub abzulehnen.

"Ich würde gehen", sagt Becker ganz allgemein – und persönlich – zum Thema Bildungsurlaub. Aber eine Führungskraft müsse das Ganze im Kollegenkreis klar kommunizieren und begründen, "damit mir das nicht als Vetternwirtschaft auf die Füße fällt". So oder so: "Niemand muss hier falsche Rücksicht nehmen."

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