Mitbewohner: 13 Geschichten, die dir nur in einer WG passieren

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e-fellows.net Redaktion
Zwei freigestellte Münder auf einer Couch. Ein Mund scheint den anderen anzuschreien, der andere lächelt leicht.

30 Prozent der deutschen Studenten durchleben freiwillig oder unfreiwillig die Höhen und Tiefen des WG-Alltags. Was bleibt, sind Erinnerungen an skurrile, unappetitliche, furchterregende und doch l(i)ebenswerte Momente, die nur in Wohngemeinschaften möglich sind. 

Spanische Sauberkeit

Die einzige Hürde, die sich mir zu Beginn meines Auslandssemesters in Spanien stellte, war die Wohnungssuche. Nach vielen Verständigungsproblemen und zwei enttäuschenden Besichtigungen traf ich Marisol. Sie war zwar schon 34, vermietete aber zwei ihrer vier Zimmer regelmäßig an internationale Studenten und bestritt damit ihren Lebensunterhalt. Direkt nach der Wohnungsbesichtigung schleppte sie mich mit ihrer Schwester und deren Freundin in eine Bar, um Fußball zu schauen. Die Truppe gefiel mir und so bezog kurz entschlossen ein 6 Quadratmeter großes Zimmer in Marisols Wohnung.

Wenig später gesellte sich auch noch eine junge Holländerin zu uns. Obwohl ich zuvor noch nie in einer WG gewohnt hatte, fand ich durchaus Gefallen an dem Konzept. Lynn war wie eine kleine charmante Schwester, Marisol wie eine große verrückte Schwester mit einem kleinen Alkoholproblem. In den kommenden Monaten zeigte sich, dass Marisol eine waschechte Andalusierin war. Abends zogen wir durch Tapas-Bars oder saßen auf der Dachterrasse. Und Marisol sang und tanzte Flamenco.

Nur in einer Sache war sie eine veritable Spießerin: Nichts durfte uns von der Einhaltung des Putzplans abhalten. Jeden Samstag schrubbten wir fleißig Küche, Bad und Wohnzimmer, Möbelpolitur inklusive. Auch eine kleine individuelle Staubsauger-Session um 5 Uhr morgens konnte durchaus vorkommen. Als wir eines heißen Samstags wieder gemeinschaftlich schrubbten, sah ich Lynn mit Marisols Duschschwamm im Bad hantieren. Als ich wissen wollte, was sie denn damit vorhabe, meinte Lynn: "I still need to clean the toilet." Ungläubig schaute ich sie an – "But this sponge isn't for the toilet?! It's Marisol's sponge for the shower!" In der folgenden Unterhaltung stellte sich heraus, dass Lynn schon seit Wochen Marisols Duschschwamm zum Kloputzen verwendet hatte. Die Vorstellung, dass Marisol ihren Körper – auf dessen Pflege sie ebenso viel Wert legte wie auf die Pflege der Wohnung – seit Monaten mit den schönsten Klobakterien einschmierte, führte zu einem minutenlangen Lachflash. Ein stolzer Flamenco auf der Fería de Sevilla mit diesem besonderen "Eau de toilette", das war einfach zu viel für meine Fantasie. Marisol hat von Lynns Untaten natürlich nie erfahren. Vermutlich hätte sie die Komik der Geschichte nicht ganz erkannt …

Adventure Zone: WG-Zimmer

Manche Menschen dekorieren, streichen Wände und putzen Fenster. Ich lebe in einer WG. Als während eines Praktikums mein WG-Zimmer zum ersten Mal leer stand, verwandelten meine Mitbewohner mein Fenster mit Window Colours in ein Kirchenfenster. Ein Kirchenfenster mit Hanfblättern, Raketenschafen und Pikachu versteht sich. Das sah eigentlich ganz gut aus – jedenfalls besser als das Schweinchenrosa, mit dem sie beim nächsten Mal mein Zimmer strichen. Und es war auch weniger sperrig als das Bällebad, das mich nach Praktikum Nummer 3 erwartete. Die Baustellenabsperrung, mit der sie bei ihrem letzten Coup mein Bett verrammelt haben, ist da fast schon wieder harmlos.

Hygiene? Kann man das essen?

Auslandssemester in England: Meine Unterkunft war ein Haus, das ich mir mit zehn anderen Erasmus-Studenten geteilt habe. In Erinnerung sind mir vor allem zwei Vorfälle geblieben:

Eines schönen Morgens, als ich verschlafen zur Kaffeetasse griff, lag sie vor mir – eine benutze Damenbinde direkt auf der Küchentheke. Irritiert und etwas angeekelt versuchte ich dennoch den Vorfall hinter mir zu lassen – bis es Zeit fürs Mittagessen war. Als ich mich mitsamt meiner Mahlzeit gemütlich an den Esstisch setzen wollte, wartete da schon das nächste benutzte Damenhygieneprodukt auf mich. Und das war noch lange nicht das Ende der unschönen Begegnungen. In der Tat war ich nicht die einzige Hausbewohnerin, die in den nächsten Tagen mit der Periode unserer gemeinsamen Mitbewohnerin unangenehm vertraut wurde. Der einzige Ort, an dem ihre Binden anscheinend nicht landeten, war der Mülleimer im Bad. Das schlimmste: Die besagte Dame war sich ihres Vergehens nicht einmal bewusst und es brauchte unzählige mehr oder weniger dezente Hinweise auf den existierenden Mülleimer, bis sich das Problem langsam legte und Platz für den nächsten Hygiene-Faux-Pas machte:

Nach ein paar Wochen in unserem Haus fiel uns auf, dass das Geschirr in unserer Küche immer weniger wurde. Teller verschwanden. Besteck. Gläser. Sogar Töpfe und Pfannen. Gleichzeitig nahm der Geruch im Zimmer unseres einzigen männlichen Mitbewohners immer mehr zu. Zuerst haben wir diesen Umstand auf seinen quasi konstanten Gras-Konsum geschoben, dessen Geruch das gesamte Haus erfreute. Doch die Geschirr-Sache flog letztendlich auf, als ein Roomcheck bevorstand. Kurz bevor sich die Hausverwaltung angekündigt hatte, hörten wir unseren Mitbewohner, wie er Stapel um Stapel an dreckigem Geschirr – inklusive verschimmelten Essensresten – die Treppe hinauf in die Küche beförderte. Seine Version von Abwasch bestand dann darin, die gröbsten Verschmutzungen in den Müll zu werfen und die Teller zwei Sekunden unter den Wasserhahn zu halten. Das Schlimmste: Das war tatsächlich nicht alles, was er mit unserem Geschirr angestellt hatte. Wir haben ihn auch öfter mal dabei beobachtet, wie er Teller, Besteck und Co. mit auf die Toilette genommen hat. Wir haben uns allerdings nie getraut, nach diesen Aktionen zu fragen.

Brüderlich geteilt

Meine Schulfreunde A., M., F. und V. verschlug es zufälligerweise in dieselbe Uni-Stadt wie mich. Ihr Angebot, Mitbewohnerin ihrer WG zu werden, lehnte ich zwar dankend ab, verbrachte aber trotzdem gern die ein oder andere Nacht auf ihrem Sofa. Schließlich war der Weg von der Party zu ihnen deutlich kürzer als in mein eigenes Bett. Nachdem ich einige Male nach spontanen Übernachtungen morgens ohne Zähneputzen aus dem Haus gehen musste, deponierte ich schließlich sogar eine eigene Zahnbürste im WG-Bad.

Als ich ein paar Wochen später wieder eine Nacht in der WG verbrachte, traf ich morgens im Bad auf M. – der meine Zahnbürste im Mund hatte. Angewidert stellte ich ihn zur Rede; er verteidigte sich damit, dass die Zahnbürste schließlich in seinem Zahnputzbecher gestanden hätte. Ich hatte sie dort sicher nicht platziert, hatte aber auch keine Lust auf weitere Diskussionen und so entsorgten wir sie schließlich.

Doch damit war die Sache nicht erledigt: Als wir später zu fünft zusammensaßen, brachte M. die Zahnbürstenepisode zur Sprache – eigentlich um seine Mitbewohner damit zu belustigen, wie sehr ich mich echauffiert hatte. Womit er nicht gerechnet hatte, war der entrüstete Ausruf von A.: "Das war MEINE Zahnbürste!" Und F.: "Ihr meint jetzt aber nicht die blaue Zahnbürste?! Das ist meine!" Tatsächlich stellte sich heraus, dass JEDER der vier WG-Bewohner meine Zahnbürste für seine eigene gehalten und sich damit die Zähne geputzt hatte.

Für meine Entscheidung, nicht in diese WG zu ziehen, konnte ich mir nach dieser Aktion nur auf die Schulter klopfen. Meine Kumpels benutzen seither übrigens ein festgelegtes Farbcodierungssystem, denn bei aller Freundschaft: Eine gemeinsame Zahnbürste ist dann doch zu intim.

Nach mir die Sintflut!

Als die Fassade unserer Wohnung neu gestrichen wurde, blockierte ein Baugerüst unsere Zimmerfenster und wir konnten diese nicht komplett öffnen. Wir haben natürlich trotzdem versucht, regelmäßig zu lüften, und die Fenster einfach gekippt.
Eines Tages jedoch kam einer meiner Mitbewohner auf mich zu und meinte: "Hey, irgendwie riecht's hier total muffig!" Wir schauten nach, öffneten alle Türen, und siehe da: Im Zimmer meiner Mitbewohnerin war eine Wand komplett grün vor Schimmel – sie hatte uns nie etwas gesagt. Offensichtlich meinte sie, wenn Lüften nicht mehr so einfach möglich sei, sei es auch nicht mehr nötig.

Der Amerikanische Traum

Amerikanische Soldaten hatte ich schon immer als trinkfreudig eingeschätzt. Was aber bei unserer WG-Party im letzten Winter vor sich ging, übertraf dann doch meine Erwartungen.

Meine Mitbewohnerin hat seit jeher ein Faible für amerikanische Männer und freute sich daher sehr, als ihr damaliger Freund fünf Army-Kollegen mitbrachte. Einer davon, den alle halb freundschaftlich, halb spöttisch "Tool" nannten, tat sich schnell als besonders emsiger Schluckspecht hervor. Im Gegensatz zu seinen anderen Army-Kollegen legte er keinen besonders großen Wert auf das Kennenlernen der anderen Gäste, sondern machte nach kurzer Inspektion der Räumlichkeiten die Bar als seinen Lieblingsplatz in unserer WG aus.

Während der Alkoholpegel bei der Allgemeinheit langsam, aber stetig anstieg, schien uns "Tool" stets einen Schritt voraus zu sein. Bereits nach einer Stunde hatte er ein bemerkenswertes Level erreicht, das jeden Darsteller der "Kenn-Dein-Limit"-Kampagne neben ihm als spießigen Alkohol-Verweigerer erscheinen hätte lassen.

Kurz darauf erzählte "Tool" plötzlich stark lallend eine ziemlich verstörende Geschichte aus seiner Zeit in Afghanistan, mit der er die ausgelassene Stimmung etwas trübte. Nur um kurze Zeit später wieder das Thema zu wechseln und sein Glück bei der anwesenden Damenwelt zu versuchen. Als dies dann doch recht kläglich scheiterte, beschloss "Tool", dass Alkohol ein unkomplizierterer Zeitvertreib war, und schüttete weiter wahlweise Cuba Libre oder Jägermeister in sich hinein.

An einem gewissen Punkt musste er sich erleichtern und steuerte die Toilette an. Aber statt ganz altmodisch in das Badezimmer hineinzugehen, erschien es ihm einleuchtender, zwei unnötige Schritte einzusparen. So öffnete er seine Hose einfach vor dem Toiletteneingang. Fatalerweise hatte niemand in dieser Sekunde "Tool" im Blick, sodass er zufrieden grinsend anfing, auf den WG-Flur zu urinieren und die Hälfte der Schuhpaare – überwiegend der anwesenden Mädels – zu bewässern. Als sein kleiner Pinkel-Coup auffiel, war die Empörung groß. Nachdem er einen lautstarken Anschiss von seinen Army-Kollegen erhalten hatte, der vermutlich sogar zu seinem umnachteten Gehirn durchdringen musste, wurde er von versammelter Mannschaft beobachtet, wie er mit gröbster Motorik versuchte, seine Hinterlassenschaft wegzuputzen.

Anschließend dezimierte sich die Party-Gesellschaft um die amerikanischen Gäste, die leicht säuerlich den verwunderten "Tool" heimbrachten. Er konnte nicht verstehen, warum seine lustige Einlage auf so wenig Gegenliebe gestoßen war.

Zur nächsten WG-Party wurde "Tool" nicht mehr eingeladen.

WG fürs Herz

Als mir mein Mitbewohner verkündete, dass er für zehn Monate nach Kolumbien geht und deswegen einen Zwischenmieter für sein Zimmer sucht, war ich wenig begeistert. Ich hatte keine Lust, irgendwelche fremden Leute in meiner Bude zu haben, von denen man nie weiß, wie man mit ihnen zurechtkommt. Als mein WG-Genosse mir dann verkündete, dass er schon Ersatz gefunden hat, "ein Kumpel eines Kumpels", schienen sich meine schlimmsten Befürchtungen zu bestätigen: Mein neuer Mittbewohner war ein Chaot ohne gleichen, hatte noch nie etwas von einem Putzplan gehört – wahrscheinlich, weil seine Musik alles übertönte – und hatte die Gabe, mich innerhalb weniger Minuten auf 180 bringen.

Wer ein Fan von RomComs ist, wird ahnen, was nun folgt: Nach ein paar Flaschen Wein führte eins zum anderen und plötzlich fand ich Mr X gar nicht mehr so nervig … Als schließlich mein ursprünglicher Mitbewohner aus dem Ausland wiedergekommen ist, habe ich ihm dann die frohe Botschaft verkündet, dass ich aus unserer WG ausziehen und mit Mr X zusammenzuziehen werde.

Heimchen am Herd

Dass mein Mitbewohner allerlei Reptilien und Amphibien in Terrarien hielt, bereitete mir beim Einzug Bauchschmerzen. Dass mir kein blutrünstiges Schuppenmonster, sondern dessen Beute zum Verhängnis werden würden, hätte ich hingegen nicht gedacht. Eines Tages aber versäumte mein Mitbewohner es, die Plastikschale richtig zu schließen, in der er seine Heimchen hielt – lebendige große Fliegen, mit denen er seine Haustiere fütterte. Über Nacht brach eine Insektenplage biblischen Ausmaßes über uns herein.

Es erübrigt sich, zu sagen, dass eine konzertierte Fliegenklatschenaktion höchstens die Terrarienbewohner belustigte, die Heimchen aber völlig unbeeindruckt ließ. Wir mussten zur Ultima Ratio greifen: Wir ließen Rolf frei, das Chamäleon. Drei Tage lang hatte Rolf den Spaß seines Lebens und fraß sich durch die Wohnung. Am vierten Tag aber erblasste der Gute. Darmverschluss, diagnostizierte wenig später der Tierarzt. Wir wissen bis heute nicht, wie viel der Kammerjäger gekostet hätte – aber sehr viel teurer als Rolfs Behandlung hätte es nicht werden können.

Glühend heiße Mitbewohner

Interkulturelles Zusammenleben schlug mir nicht nur auf die Nerven, sondern auch auf die Ohren – zumindest ab dem Tag, an dem unser Vermieter die Rauchmelderpflicht umsetzte.

Da war einmal Li aus Taiwan, der sehr gerne sehr gut kochte, aber vermutlich – ich kann es nicht beurteilen – auf original taiwanesische Art zu Werke ging. Das funktionierte so: Man heize die leere Herdplatte auf höchster Stufe so lange vor, bis Küchenfliegen beim Überflug in der Luft verglühen. Dann stelle man eine handelsübliche Pfanne auf die Platte und warte, bis diese leer vor sich hin zu qualmen beginnt. Anschließend gebe man das Gargut hinein, entkomme mit einem Hechtsprung Fettspritzern, Dunst- und Qualmschwaden und suche umgehend Hilfe zum Ausschalten des in drei Sekunden verlässlich losschrillenden Feuermelders.

Außerdem war da noch Robert aus Florida, der ausschließlich von TK-Bistro-Baguette lebte, seine einseitige Ernährung aber durch raue Mengen an Whiskey und Zigaretten diversifizierte. Gesundheitsbewusst war er trotzdem, zumindest was Erkältungen und deren Vermeidung anging. Den deutschen Winter, also für ihn die Monate September bis Mai, fürchtete er wie der Teufel das Weihwasser. Auf dem Balkon rauchen? Gesundheitlich nicht zu verantworten. Immer wieder qualmte Robert gemütlich in der Küche und berief sich darauf, Google sage, ein Rauchmelder schlage nicht bei Zigarettenqualm an. Den regelmäßig eintretenden empirischen Gegenbeweis ignorierte er.

Tausche Sex gegen Fernseher

Es gab einmal eine Zeit, da waren Fernseher noch teuer. Ich lebte als armer Student in einem Wohnheim. Eines Tages schleppte mein Zimmernachbar, ein Student im Auslandsjahr, ein neues Fernsehgerät an: eine teure Marke, riesengroß, und dazu noch mit passendem Receiver, um auch ausländische Kanäle zu empfangen.

Verdutzt fragte ich ihn, wo er das Geld für diese teure Technik denn herhabe. Mein Mitbewohner druckste ein wenig herum und erzählte mir dann von seinem Nebenjob: Abends beglücke er im Adamskostüm ältere Damen, die einen solchen Service am "freien Markt", wie er das nannte, nicht mehr erhalten würden. Auf mein völlig verblüfftes Gesicht hin meinte er, es sei doch ein guter Dienst am Menschen. Trotzdem war ich froh, dass er seinen Geschäften nicht bei uns im dünnwandigen Wohnheim nachging.

Die spinnen, die Spinnen!

In meiner allerersten WG lebte ein Biologiedoktorand – ein sehr sympathischer Kerl, der grundsätzlich erst nach 12 Uhr aus den Federn gekrochen kam und eine nicht zu leugnende Vorliebe für Spinnen hegte. Er hatte Glück, denn wir lebten im Erdgeschoss, sodass seine achtbeinigen Freunde keinen weiten Weg zu uns hatten. Jedes Mal, wenn bei uns wieder eine Spinne über die Wand huschte und wir schon unsere Pantoffel zückten, sprang er auf und rief: "Neeeein! Die dürft ihr nicht umbringen! Die ist ganz selten, die steht unter Naturschutz!" Dann stürmte er zu seinem Computer, googelte den Namen der Spinne und erklärte uns ausführlich, was genau diese Spinne von ihren Artgenossen unterschied. Nach der Minivorlesung war in der Regel von der Spinne nichts mehr zu sehen. Mein Mitbewohner freute sich über den neuen WG-Genossen, während wir nächtliche Mordpläne schmiedeten. Sehr zum Leidwesen der Spinnen nämlich sprang der Funke bei uns nie so richtig über.

Das Tier in dir

Mein erster Mitbewohner 2001 war ein Hipster, noch bevor man in Berlin auch nur das Wort dafür kannte: ein kleiner, schmächtiger Typ mit Musketierbärtchen, glasigem Blick und leiser Stimme. Seine Langzeitfreundin war genauso lahm wie er: Jeden Abend saßen sie zusammen in unserer Küche und sahen sich Bildbände von antiken Tapeten an. Nach einem Semester aber schien ihr nach einem echten Tapetenwechsel zumute zu sein – jedenfalls begann sie eine Beziehung mit einem unserer Nachbarn. Als die Sache aufflog, erlebte ich meinen tiefenentspannten Tapetenfreund zum allerersten Mal in so etwas wie Aufregung. Mehr als mich überraschte die Gefühlswallung aber wohl ihn selbst. Jedenfalls steigerte er sich so in seine Wut hinein, dass er nach zwei Stunden – nun völlig in Rage – all unser Geschirr an die Wand schmiss. Stille Wasser gründen tief: An diesen Spruch glaube ich seit jener Nacht.

Hier piept’s doch!

Anders als erwartet waren das lauteste an Spanien weder rauschende Flamenco-Abende noch eine lärmige Tapas-Bar vor der Haustür, sondern mein gefiederter Mitbewohner. Richtig gehört! In meiner WG in Almería lebte ich nämlich zusammen mit zwei anderen deutschen Mädels – und Alex, dem tierlieben Spanier. Er adoptierte gern alle möglichen Pflegefälle und brachte sie bei seiner Mutter unter. Eines Tages aber beschloss er, einen zerzausten Baby-Wellensittich bei uns aufzuziehen. Unsere Meinung war nicht gefragt – und so kamen wir zu unserem WG-Haustier.

In den ersten Tagen zeigte Alex großen Elan, seinen Piepmatz mit einer Spritze aus der Apotheke aufzupäppeln. Nach ein paar Wochen aber schlich sich der alte Schlendrian wieder ein und Alex schlief bis vier Uhr nachmittags, während sich sein gefiederter Freund vor Hunger die Seele aus dem Leib schrie. Das Tier füttern durfte nämlich nur mein Mitbewohner persönlich. Hinzu kamen die Flecken, die der Sittich bei seinen Ausflügen hinterließ und die Alex "nicht auffielen". Wie gut wir es trotz Tretminen und Tinnitus mit dem Vogel getroffen hatten, wurde mir erst klar, als wir schon nicht mehr zusammenwohnten. Da erfuhr ich nämlich, dass Alex seine tierische Familie erweitert hatte – um ein Stinktier. Auf die Frage, ob dies denn seiner neuen Mitbewohnerin nichts ausmache, meinte er nur, er habe sie nicht gefragt. Aber sie sei Peruanerin, und Stinktiere kämen ja bekanntlich aus Peru.

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