WG-Ratgeber: Acht Konfliktherde im WG-Alltag
- Max Wetterauer

Lustre – stock.adobe.com
"Schatz, wir müssen reden" – dieser Satz fällt in WGs nur selten. Zu selten, meint Psychologe Frank-Hagen Hofmann, und plädiert für mehr und bessere Kommunikation in Wohngemeinschaften. In unserem WG-Ratgeber findest du heraus, wie du klassische Konfliktthemen in deiner WG richtig ansprichst, wer dir im Notfall hilft und in welchen Fällen du sogar juristische Schritte einleiten kannst.
Die Wohngemeinschaft ist der Inbegriff des Studentenlebens. Hier lernst du deine ersten Freunde in der neuen Stadt kennen, findest Rückhalt und lernst neue Lebenskonzepte kennen. Noch dazu ist die WG in Zeiten schwindelerregender Mieten oft die einzige Möglichkeit, erschwinglich zu wohnen. Kein Wunder, dass rund 35 Prozent der Studenten sich für eine Wohngemeinschaft entscheiden.
Doch wie immer, wenn Menschen auf engstem Raum zusammenleben, können Probleme entstehen – zwischenmenschliche wie juristische. Zu acht häufigen Konfliktpunkten hat e-fellows.net mit dem Psychologen Frank-Hagen Hofmann von der Psychologischen Beratungsstelle des Studierendenwerks Heidelberg gesprochen und rechtlichen Rat beim Mieterverein München e. V. eingeholt.
Fall 1: Was kann ich tun, wenn mein Mitbewohner unsere Wohnung nicht sauber hält?
Die Teller werden immer nur halbherzig abgespült und dann dreckig wieder in die Schränke gequetscht. Das Verhältnis in unserer WG ist sehr gut, eigentlich schon freundschaftlich. Aber je länger ich das mitmache, desto mehr belastet es mich. Was kann ich dagegen tun?
Dr. Hofmann: Sei offen und konstruktiv. Vor allem solltest du versuchen, Probleme zeitnah anzusprechen. Denn je länger du damit wartest, desto intensiver wird die Reaktion. Außerdem solltest du vermeiden, dem Mitbewohner Vorwürfe zu machen. Das führt zu nichts. Lieber solltest du konkrete Wünsche benennen. Dabei ist wichtig, eine konstruktive Haltung schon in den Formulierungen zu zeigen. In diesem Fall würde ich etwa sagen: "Mir liegt daran, dass wir weiter gut zusammenwohnen können, deswegen möchte ich dich bitten, gründlicher abzuspülen."
Mieterverein: Juristisch gesehen gibt es keinen grundsätzlichen Anspruch auf Sauberkeit. Auch, wenn du mit Freunden zusammenziehst, solltet ihr deshalb unbedingt Regeln für das Zusammenleben selbst aufstellen.
Fall 2: Was kann ich tun, wenn meine Mitbewohner ständig Besuch haben?
Meine Mitbewohnerin hat ständig ihren Freund zu Besuch! Er führt sich auf, als würde er hier wohnen, raucht, isst unsere Sachen und bleibt auch in der WG, wenn sie arbeiten ist. Was kann ich tun?
Dr. Hofmann: Hier ist es wichtig, Grenzen aufzuzeigen und Regeln festzulegen: Was dürfen die Bewohner der WG? Ab wann wohnt jemand dort? Und soll er sich dann auch an den Nebenkosten beteiligen? Das Dilemma: Selbstverständlich darf man Besuch haben und selbstverständlich darf auch der Partner vorbeikommen. Sofern juristisch noch von Besuch die Rede sein kann, bist du in so einer Situation also darauf angewiesen, dass das Gegenüber einsichtig ist.
Mieterverein: Der Partner deiner Mitbewohnerin ist kein Besuch mehr, wenn er länger als sechs bis acht Wochen in deiner WG wohnt. Das ist der offizielle Zeitraum, in dem dein Vermieter Besuch erlauben muss. Danach kann man davon ausgehen, dass der Partner dauerhaft in der WG wohnt. Ab diesem Zeitpunkt kannst du auch verlangen, dass er sich an den verbrauchsabhängigen Kosten beteiligt, wobei das ist in der Regel nur Warmwasser und Strom betrifft. Ansonsten wohnt er ja im Zimmer deiner Mitbewohnerin. Dass er jetzt bei euch wohnt, sollte dann aber auch dem Vermieter mitgeteilt werden.
Fall 3: Wir unternehmen nichts mehr zusammen. Wie lässt sich das WG-Leben wiederbeleben?
Dr. Hofmann: Sprich das ganz offen an. Frag nach, ob das auch der Eindruck der Mitbewohner ist und warum das so geworden ist. Manchmal sind es unausgesprochene Konflikte, manchmal verändern sich aber auch einfach Freundeskreise oder Interessen. Vielleicht hat sich aber auch Routine eingeschlichen und jeder ist sehr mit sich beschäftigt. Dann braucht es vor allem Ideen und Initiative.
Fall 4: Was kann ich tun, wenn mein Mitbewohner zu laut ist?
Mein Mitbewohner hört in der Früh immer laut Musik. Ich habe schon oft mit ihm gesprochen, aber er zeigt sich wenig einsichtig. Was kann ich tun?
Dr. Hofmann: Wenn er auf die bisherigen Bitten, das zu ändern, nicht reagiert hat, bleibt wahrscheinlich nichts Anderes mehr, als den Vermieter einzuschalten. Meistens verbessert eine Intervention "von oben" das Zusammenleben aber nicht, weil sich der Mitbewohner angegriffen fühlt. Wenn man nicht zu einer guten gemeinsamen Lösung gelangen kann, ist ein Auszug leider oft die einzige Möglichkeit.
Mieterverein: Auch in einer WG gelten die Hausordnung samt darin festgelegten Ruhezeiten sowie die gesetzliche Nachtruhe. Wenn alle Mieter vertraglich gleichgestellt sind, gibt es in einer WG darüber hinaus aber keine andere Möglichkeit, als an die gegenseitige Rücksichtnahme zu appellieren. Ruhezeiten sollten deswegen auch intern (sprich unabhängig von der Hausordnung) geregelt werden. Wenn einer deiner Mitbewohner zu laut ist, wende dich erst einmal an den Störer selbst. Erst, wenn das nichts nützt, wende dich an den Vermieter.
Fall 5: Hilfe, meine Mitbewohnerin benutzt ungefragt meine Sachen!
Dr. Hofmann: Auch hier sind klare Regeln und Grenzen wichtig. Was können andere benutzen, was nicht? So verschieden die Vorstellungen von Dein und Mein auch sein mögen – natürlich steht es dir zu, über deine Sachen zu bestimmen. Wenn die Mitbewohnerin diese Grenzen nicht respektiert, kannst du dein Zimmer abschließen, um dein Eigentum und deine Privatsphäre zu schützen. Dann solltest du dich aber auch fragen, ob du weiter mit jemandem zusammenwohnen möchtest, dem du nur schwer vertrauen kannst.
Mieterverein: Hierfür gibt es keine juristischen Vorschriften. Bedient sich deine Mitbewohnerin hingegen an Lebensmitteln, Kosmetika oder anderen Verbrauchsgütern, kannst du verlangen, dass sie etwas bezahlt. Sinnvoll ist eine Haushaltskasse, aus der alle gemeinschaftlichen Verbrauchsgüter bezahlt werden, zum Beispiel Putzmittel, Brot für alle oder Wasser.
Fall 6: Mein Mitbewohner benimmt sich so eigenartig, dass ich nicht mehr weiß, ob sein Verhalten noch gesund ist. Wie spreche ich an, dass ich mir Sorgen mache?
Dr. Hofmann: Sei unterstützend. Du musst deinem Mitbewohner ja nicht gleich eine psychische Erkrankung vorwerfen. Wenn du bemerkst, dass es ihm nicht gut geht, frag in einer ruhigen Minute, was los ist und wie es ihm geht. Das ist ein guter, unverfänglicher Einstieg, der meistens funktioniert. Wenn dann ein Gespräch zustande kommt, empfiehl ihm, unverbindlich auch mit einem Profi zu sprechen. Psychosoziale Beratungsstellen gibt es an jeder Uni. Dort kann man einfach über die eigene Situation sprechen – man muss nicht psychisch krank sein, um zu uns kommen zu dürfen.
Wenn dein Mitbewohner zögert, eine professionelle Beratung aufzusuchen, dann sag ihm, dass Beratungsstellen genau dafür da sind: Wenn jemand das Gefühl hat, mit etwas nicht zurecht zu kommen, kann er immer eine Beratungsstelle aufsuchen! Nicht zur Behandlung, sondern einfach, um sich eine Einschätzung einzuholen. Ob der Fall schwerwiegend ist oder nicht, können meine Kollegen und ich dann meist besser einschätzen.
Psychosoziale Beratungsstellen (PBS)
Ob bei Prüfungsangst, Beziehungsproblemen oder sonstigen psychischen Belastungen, die PBS an den deutschen Universitäten können dir eine Hilfestellung für Probleme während des Studiums sein. Hier kannst du unverbindlich, kostenlos und anonym die Meinung eines Psychologen einholen.
Die Beratungsstellen an deiner Uni:
Aachen | Augsburg | HU-Berlin | FU Berlin | Bielefeld | Bochum | Bonn | Bremen | Duisburg-Essen | Frankfurt a.M. | Freiburg | Gießen | Hamburg | Heidelberg | Karlsruhe | Köln | Mannheim | München | Münster | Nürnberg | Osnabrück | Passau | Stuttgart | Tübingen | Würzburg
Fall 7: Was kann ich tun, wenn mein Mitbewohner psychisch krank ist?
Ich bin kein Arzt und kann meiner Mitbewohnerin keine psychologische Beratung geben. Sie ist schon in Behandlung. Wir reden oft darüber, dass es ihr schlecht geht, aber ihre Krankheit wirkt sich sehr stark auf das Zusammenleben aus, weil sie mitunter auch aggressiv wird.
Dr. Hofmann: Deine Mitbewohnerin ist schon in Behandlung, sie versucht also, ihre Probleme zu lösen. Du kannst das tun, was du ohnehin als Freund oder Mitbewohner tun würdest, wenn es einer Freundin nicht gut geht: fürsorglich, aufmerksam und unterstützend sein. Wenn sich ein Symptom der Erkrankung auf euer Zusammenleben auswirkt, musst du das auch ein Stück weit aushalten: Psychische Erkrankungen betreffen meistens auch das Umfeld des Patienten.
Finde eine Balance: Auf der einen Seite solltest du Verständnis für die Erkrankung aufbringen. Auf der anderen Seite kannst du die problematischen Auswirkungen auf euer Zusammenleben dennoch ansprechen. Nur, weil jemand beispielsweise eine Depression hat, heißt das nicht, dass er unfreundlich zu anderen Leuten sein darf. Das kannst du so kommunizieren, denn auch Patienten müssen sich an die Regeln des Zusammenlebens halten. Für manche ist das wertvolles Feedback, weil sie nicht richtig bemerken, wie sie auf andere wirken.
Fall 8: Nichts geht mehr! Wie trenne ich mich von meinem Mitbewohner? Und was lerne ich aus einer gescheiterten WG?
Mieterverein: Hier kommt es auf den Mietvertrag an. Wenn du Hauptmieter bist und der Mitbewohner dein Untermieter, dann kannst ihm den Mietvertrag unter bestimmten Voraussetzungen kündigen. Wenn alle gleichberechtigt sind, wird es schwierig.
Kurzinfo Mietverträge
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, eine WG zu gründen: Entweder schließt jeder einzelne WG-Partner einen Mietvertrag mit dem Vermieter ab, oder alle Bewohner sind in einem gemeinsamen Mietvertrag erfasst. Dann sind sie sogenannte Gesamtschuldner. Wenn also einer der WG-Partner die Miete nicht bezahlt, kann sie der Vermieter von einem anderen einfordern. Alternativ kann auch einer der WG-Partner Hauptmieter sein und die Zimmer an andere untervermieten. Dafür braucht er aber eine Genehmigung des Vermieters.
Nicht empfehlenswert ist ein Zeitmietvertrag: Vor Ablauf der vereinbarten Frist kann dieser nicht gekündigt werden. In einem unbefristeten Mietvertrag hingegen beträgt die reguläre Kündigungsfrist drei Monate. "Heimliche" WGs sind keine gute Idee: Möchtest du eine WG gründen, musst du den Vermieter darüber informieren, da ja mehr Mieter in der Wohnung leben als ursprünglich vereinbart.
Dr. Hofmann: Wenn eine WG scheitert, solltest du nicht nur von der Schuld der anderen ausgehen: Auch du hättest vermutlich einiges besser machen können. Um in einer WG zu leben, solltest du Kompromissbereitschaft, Toleranz und Konfliktfähigkeit, aber auch eine gewisse Durchsetzungsfähigkeit mitbringen. An diesen Punkten kannst auch du vielleicht noch arbeiten. Wenn du lieber für dich bleibst und Rückzugsorte brauchst, solltest du das das nächste Mal in deiner WG früh klarmachen oder eine eigene Wohnung in Betracht ziehen.
Und was ist deine Meinung? Diskutiere darüber mit anderen e-fellows in der Community.
Dieser Artikel kann eine Rechtsberatung nicht ersetzen. Such deshalb im Zweifelsfall Hilfe bei einem Anwalt oder einem Mieterverein.