Studentische Unternehmensberatungen: Büffeln oder Beraten?

Autor*innen
Catalina Schröder
Eine Person mit Klemmbrett in der Hand, über deren Kopf eine Glühbirne schwebt, schaut den Beobachter über den Rand ihrer Brille hinweg an. Im Hintergrund befindet sich ein riesiger Laptop, auf dessen Bildschirm Diagramme zu sehen sind.

Studentische Unternehmensberater arbeiten schon heute in ihrem Job von morgen, knüpfen wichtige Kontakte und sammeln wertvolle Erfahrungen. Dabei sind Disziplin und gutes Zeitmanagement gefragt. Und manchmal stellt sich die Frage: Bin ich eigentlich in erster Linie Student oder Unternehmensberater?

Wenn in der Vorlesung das Handy klingelt, wird für e-fellow Carolin die Uni zur Nebensache. Der Kunde ihres aktuellen Projekts könnte am Telefon sein, und das hat oberste Priorität. Seit ihrem ersten Semester arbeitet sie bei Junior Business Team e.V., einer studentischen Unternehmensberatung aus Stuttgart. Projekte nimmt sie bewusst nur dann an, wenn sie es sich zeitlich erlauben kann. "Alles andere wäre dem Kunden gegenüber höchst unprofessionell", erklärt Carolin.

e-fellow Carolin (22) studiert Internationale BWL an der Uni Tübingen und ist studentische Beraterin bei Junior Business Team e.V.

Von uns wird die gleiche Professionalität erwartet wie von 'richtigen' Unternehmensberatern.
Carolin

Selbst wenn sie aktuell nicht in einem Projekt steckt, verlangt ihr Job als studentische Unternehmensberaterin der 22-Jährigen einiges ab: Jeden Mittwoch fährt sie zu den Meetings ihrer Beratung von Tübingen ins rund eine Stunde entfernte Stuttgart. Eine Verlängerung ihres Studiums würde sie für den ungewöhnlichen Studentenjob jedoch nicht in Kauf nehmen. "Im Zweifelsfall würde ich mich für die Uni entscheiden", so Carolin.

Die Idee – ein Import aus Frankreich

Ursprünglich stammt die Idee der studentischen Unternehmensberatungen aus Frankreich. Um theoretisches Wissen schon während des Studiums praktisch anzuwenden, wurden dort Mitte der 1960er Jahre die ersten Junior Enterprises (JE) gegründet. Seit den 80er Jahren sind sie auch in Deutschland zu finden, wo mittlerweile mehr als 80 studentische Unternehmensberatungen gegründet wurden.

e-fellow Ivo (27) promoviert derzeit im Fach Informatik. Er ist Mitbegründer und ehemaliger Vorstandsvorsitzender von Sidum e.V., einer studentischen Unternehmensberatung in Magdeburg.

Man muss sich permanent in neue Themengebiete reindenken.
Ivo

Viele von ihnen sind im Bundesverband Deutscher Studentischer Unternehmensberatungen (BDSU) organisiert, der sich um die Zusammenarbeit der Beratungen kümmert, Kontakte zu Unternehmen aus den verschiedensten Branchen herstellt oder die Beteiligung mehrerer studentischer Beratungen an größeren Projekten organisiert. Die Mitgliedschaft im BDSU ist außerdem ein Qualitätssiegel, da die Studenten so nachweisen, dass sie regelmäßig an Fortbildungen teilnehmen. Der Verband ermöglicht den Studenten auch, mit anderen Studenten internationale Projekte zu bearbeiten. Für eine einzelne studentische Beratung wären so umfangreiche Projekte sonst nicht machbar.

Jedes Projekt eine neue Herausforderung

"Mit dem Begriff 'studentische Unternehmensberatung' können viele zunächst gar nichts anfangen", erzählt e-fellow Ivo, Mitbegründer von Sidum e.V. "Wenn ich dann erkläre, was wir machen, sind die Leute aber in der Regel sehr interessiert." Das spannendste Projekt des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Magdeburger Beratung war bislang eine Marktanalyse für Biotechnologie.

"Wir haben dort die Grundlage für einen Businessplan erstellt", erklärt der 27-Jährige. "Für mich war das besonders interessant, weil ich bis dato gar keine Ahnung von Biotechnologie hatte. Ich musste mich erst einmal in das Thema einlesen." Genau das ist für Ivo auch die permanente Herausforderung an diesem Job: die Notwendigkeit, sich immer wieder in komplett neue Themenbereiche einzuarbeiten.

Unternehmensberater – der Job fürs Leben?

Bis zur Rente will Carolin den Berater-Job nicht machen. "Die Arbeitsbelastung ist mit bis zu siebzig oder gar achtzig Stunden pro Woche auf Dauer einfach zu hoch", erklärt sie. Trotzdem kann sie sich nach dem Ende ihres Studiums gut vorstellen, für einige Jahre in einer Unternehmensberatung zu arbeiten.

Ivo bewegt sich beruflich gerade auf ganz anderem Terrain und ist dabei, mit einem Freund ein Unternehmen für medizinische Visualisierungen zu gründen. "Das Kapitel Unternehmens- beratung ist damit aber nicht abgeschlossen - ich kann mir durchaus vorstellen, irgendwann mal als Berater zu arbeiten."

Was sagen die Kunden?

Aus seiner Zusammenarbeit mit den studentischen Beratern von Sidum e.V. kann Olaf Beugholt, einer der Geschäftsführer der Westagruppe in Gütersloh, ein durchweg positives Fazit ziehen. Im Herbst letzten Jahres lief das erste Projekt. Die Resultate waren so gut, dass die Studenten gleich einen Folgeauftrag erhielten bei dem Unternehmen, das unter anderem Produkte für die Luft- und Klimatechnik herstellt. Derzeit entwickeln die jungen Berater eine Imagebroschüre. "Die Studenten zeigen viel Engagement und Einsatzfreude. Ein großer Vorteil ist, dass sie kreativ und unvoreingenommen an Probleme herangehen", so Beugholt. 

Studentische und "richtige" Berater

Bei Volkswagen Consulting wird ein seltenes Modell der studentischen Beratung praktiziert. Hier werden junge Berater in Projektteams aus "richtigen" Beratern eingebunden. Die Methode hat sich bewährt: "Ein großer Vorteil der Studenten ist ihre zeitliche Flexibilität", erklärt Joas Fritz, Projektmanager bei Volkswagen Consulting.

Seit gut sechs Jahren arbeitet das Beratungshaus nach diesem Konzept und hat so bereits den ein oder anderen späteren Mitarbeiter gefunden. "Die Projekte sind natürlich eine gute Gelegenheit, die Studenten kennen zu lernen", beschreibt Fritz die Vorteile der Zusammenarbeit. Über die Dachverbände BDSU und JC-Network schreibt Volkswagen Consulting seine Projekte aus. Dieses große Netzwerk ermöglicht es den Beratern auch, ganz gezielt Studenten mit spezifischem Fachwissen zu finden. 

Unternehmen schätzen das aktuelle Know-How

Auch Olaf Beugholt von der Westagruppe sieht darin einen Vorteil der studentischen Berater: "Interessant für uns ist natürlich die Tatsache, dass die Studenten aktuelles Wissen aus ihrem Studium mit einbringen können." Aus seiner Erfahrung weiß Joas Fritz von Volkswagen Consulting jedoch auch, dass man nicht jeden Studenten sofort auf einen Kunden "loslassen" kann. "Einige überschätzen ihre Fähigkeiten, obwohl sie noch gar nicht so viel Erfahrung gesammelt haben. Da muss man dann manchmal ein bisschen bremsen." 

Einsatz je nach Fachgebiet

Obwohl sich die Beratungstätigkeit von Volkswagen Consulting auf die Automobilbranche beschränkt, werden die Studenten je nach Fachwissen in den verschiedensten Bereichen eingesetzt. Das Spektrum reicht vom Produktmanagement über Innovationsstrategien bis hin zu Kosteneinsparungsprojekten. 

Gleichberechtigte Kollegen

Bei der sd&m AG in Offenbach wurden die Studenten ganz gezielt in das Testteam eines Projekts eingebunden. "Unsere Aufgabe war es, eine Web-2.0-Anwendung für eine große Portalseite zu entwickeln", erklärt Projektmanager Harald Wolf. "Dafür haben wir verschiedene Teams zusammengestellt, die sich um die Konzeption, Entwicklung und schließlich das Testen der Applikationen gekümmert haben."
 
Knapp sechs Wochen arbeiteten dafür zwei bis drei Studenten an mindestens drei Tagen in der Woche bei dem süddeutschen Unternehmen mit. Für Wolf sind die jungen und flexiblen Berater dabei zu gleichberechtigten Kollegen geworden: "Die Studenten arbeiten sehr professionell und engagiert und fügen sich prima in unser Team ein."

Was bringt die Beratungserfahrung?

Beim Studentenjob wollte Gunther Kracke es nicht belassen und stieg nach dem Ende seines Studiums als "richtiger" Berater bei einer mittelständischen Unternehmensberatung ein. War seine Erfahrung dabei ein Vorteil? "Mir wäre meine Arbeit als studentischer Unternehmensberater fast zum Verhängnis geworden", erzählt der 32-Jährige heute. "Das Image studentischer Berater ist zwiegespalten. Auch meine Vorgesetzten waren nach dem Bewerbungsgespräch geteilter Meinung, haben ihre Ansicht über studentische Beratungen jedoch revidiert."

Gunther Kracke (32) studierte zunächst Bauingenieurwesen in Aachen und machte dann einen Aufbaustudiengang zum Wirtschaftsingenieur in Bielefeld. Währenddessen arbeitete er als Berater und Vorstandsvorsitzender von STUNT e.V. in Bielefeld.

Studentischer Unternehmensberater zu sein, ist nicht immer ein Plus bei der Bewerbung.
Gunther Kracke

Beratungserfahrung aus Studienzeiten

Doch Kracke überzeugte die Personalchefs. Seit mittlerweile zweieinhalb Jahren ist er in seinem Job. Abgesehen von den Vorurteilen von ein paar Personalchefs hat sich seine Beratungserfahrung aus Studienzeiten als sehr nützlich erwiesen: "Man hat bereits Erfahrung im Umgang mit Kunden gesammelt und eine ungefähre Vorstellung davon, wie Projekte ablaufen. Das habe ich gerade am Anfang als großen Vorteil empfunden."

Außeruniversitäres Engagement unter Beweis gestellt

Auch bei Oliver Wyman ist der Studentenjob keine Einstellungsgarantie. "Die Tätigkeit in einer studentischen Unternehmensberatung zeigt das Interesse an diesem Beruf und beweist außeruniversitäres Engagement", erklärt Sven Wandres, Projektleiter bei der Managementberatung in München. "Ein studentischer Unternehmensberater hat jedoch nicht automatisch einen Vorteil gegenüber Bewerbern, die sich stark in anderen außeruniversitären Bereichen engagieren."

Dachverbände

www.bdsu.de, der Bundesverband Deutscher Studentischer Unternehmensberater

www.jcnetwork.de, Junior Consultant Network; der kleinere der beiden deutschen Dachverbände

European Confederation of Junior Enterprises, Netzwerk, das mehr als 33.000 junge Unternehmer in 370 lokalen gemeinnützigen Organisationen vertritt.


Die Fähigkeiten, die der Berater dank seiner Erfahrung bereits erworben hat, werden von den großen Beratungen dennoch geschätzt: "Solche Kompetenzen können den Einstieg in die Welt der Topmanagement-Beratung erleichtern, da sie die Lernk

urve von Mitarbeitern verkürzen", so Wandres. Und auch im Assessment-Center haben es die studentischen Berater leichter, weiß Andrea Wittmann, Recruiting Managerin bei Siemens Management Consulting in München: "Die Studenten können Umfang und Aufwand eines Projekts realistischer einschätzen und haben Vorteile bei den Fallstudien. Dabei müssen sie Beispiele aus der Praxis analysieren und Lösungsstrategien entwickeln."

Studentische vs "richtige" Beratung

Als Konkurrenz betrachten die großen Beratungshäuser ihre studentischen Kollegen nicht: "Durch jahrelange internationale Projektarbeit und intern entwickeltes Know-how haben wir eine hohe Fach- und Methodenkompetenz in zahlreichen Branchen entwickelt", beschreibt Oliver Wyman-Berater Wandres einen der Unterschiede.

Der durch das Studium begrenzte Zeitrahmen machen sehr große oder gar internationale Projekte für studentische Beratungen meist unmöglich. Doch Wandres sieht auch die Stärken der studentischen Berater: "Sie sind in der Lage, spezifische Aufgaben wie Internet- oder Marktforschungs- projekte kostengünstiger durchzuführen. Als Topmanagement-Beratung, mit der von unseren Kunden zu Recht erwarteten inhaltlichen und methodischen Expertise, können wir solche Projekte nicht bedienen."

Wie funktioniert's?

Studentische Unternehmensberatungen werden in Deutschland als eingetragener Verein geführt. Für jedes Projekt gründen die studentischen Berater daher eine eigene Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die unabhängig vom Verein existiert.

Was studieren?

Das Studienfach ist bei studentischen Beratern Nebensache. "Bei uns arbeiten Wirtschaftswissenschaftler, Psychologen, Mediziner, Soziologen oder Biologen", berichtet Carolin. "Wichtig ist, dass man Spaß an der Arbeit hat."

Wann einsteigen?

Den optimalen Zeitpunkt gibt es nicht. "Im Grunde kann man schon ab dem ersten Semester mitmachen", erklärt e-fellow Ivo. "Man sollte sich aber auch Zeit nehmen, um sich an der Uni einzuleben. Erst wenn einigermaßen Klarheit über den universitären Werdegang besteht und das Studium in geordneten Bahnen verläuft, sollte man sich den Herausforderungen stellen, die eine studentische Unternehmensberatung bereithält."

Wie reinkommen?

Wer bei einer studentischen Unternehmensberatung mitarbeiten möchte, geht zunächst zu den wöchentlichen Meetings und stellt dann einen Antrag auf Anwärterschaft. Meist gibt es danach ein Vorstellungsgespräch. Wenn das positiv verläuft, betreuen die Anwärter zunächst mit Unterstützung eines erfahrenen Mitglieds ein internes Projekt. "Bei mir war das die Hohenheim-Consulting Week - eine Recruiting-Messe, bei der ich die Projektleitung hatte und mich um Sponsoring und Catering gekümmert habe", erzählt Carolin. "Am Ende des Projekts präsentiert man schließlich seine Arbeit vor den Mitgliedern der Unternehmensberatung, die dann über eine Aufnahme zum vollständigen Mitglied entscheiden."

Was verdienen?

Der Verdienst variiert je nach Kunde und Projektgröße. "Im Schnitt liegt er bei einem Acht-Stunden-Tag zwischen 80 und 150 Euro pro Mann", weiß Ivo.

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