Kolumne "Uni Live": So sind sie, die BWLer!
- Lina von Coburg

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Juristen haben Aktentaschen und Kulis aus der elterlichen Kanzlei, Medizinstudenten überleben nur mit ADHS-Medikamenten und Soziologen schwafeln jede Party tot. Stimmt doch – oder? Die Kolumne „Uni live“.
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Schon in meinem ersten Semester – damals war ich noch Jura-Studentin – stieß ich in der Uni-Bibliothek auf ein Lehrbuch, aus dem zahlreiche Seiten herausgerissen waren. Verärgert fragte ich mich, warum andere Studis versuchten mit miesen Tricks ihre eigene mangelnde Intelligenz auszugleichen. Völlig unbeabsichtigt war ich auf ein Juristen-Klischee gestoßen, das mich in meiner kurzen Jura-Karriere begleiten sollte: Der Konkurrenzdruck war enorm hoch.
In den ersten Vorlesungen wurde ich schon von Jura-Anwärtern empfangen, die dicke Gesetzesbücher und Aktentaschen auf ihren Klapptischen ausbreiteten. Was für wichtige Dokumente bewahren Jura-Justus und Strafrechts-Steffi wohl in ihren ledernen Taschen auf, fragte ich mich schon damals, sollte das Geheimnis aber nie lüften können.
In jedem Fall roch der Vorlesungssaal nach Geld. Und hier und da konnte man einen Kugelschreiber aufblitzen sehen, auf welchem das Familien-Kanzlei-Logo den weiteren Karriereweg ausleuchtete.
Betriebswirtschaftslehre
Bei BWL-Studis ist die Sache etwas komplexer. Denn entgegen der gängigen Meinung BWLer hätten alle gegelte Haare, trügen Polohemden und checkten auf ihrem iPhone während der Vorlesung ständig, wie ihre Aktien so stehen, habe ich vor allem eines beobachten können: In diesem Studium sammeln sich alle, die sonst nicht wissen, was sie studieren sollen.
Vom typischen "High Performer", der morgens um fünf aufsteht, jeden Tag trainiert und sich mit unterbezahlten Praktika versucht, seinen Traum vom Porsche zu erfüllen bis zum "Low Performer", der schon zweimal durch die Statistik-Prüfung gefallen ist, findet man hier alles. Zwar träumen viele Studis in diesem Zweig davon mit ihrem Start-up der neue Elon Musk zu werden, aufgrund der abertausenden von BWL-Absolventen schaffen es jedoch nur die wenigsten.
Medizin
Anders verhält es sich mit den Medizin-Studis. Diese Götter in weißem Kittel halten sich meist für besonders wichtig und tun so, als hätten sie schon während des Studiums zig Menschenleben gerettet. Dass eigentlich nur der kleine Frosch zum Sezieren herhalten musste und das Physikum nur dank Dauerlernens und zu vieler Aufputschmittel bestanden wurde, wird dabei meist unerwähnt gelassen.
Dennoch lohnen sich die Jahre des Lernens für diese Studis, spätestens dann, wenn sie zum Abschluss einen Doktortitel quasi geschenkt bekommen. Doch bevor zahlreiche Mediziner nun auf die Barrikaden gehen, zur Abwechslung noch was Positives: Die Mediziner können eines neben dem ganzen Büffeln richtig gut – Partys schmeißen.
Sozial- und Politikwissenschaft
Bewegt man sich nun weg von den drei größten Studiengängen und richtet den Blick zu den Sozial- und Politikwissenschaften, dürfte sofort eines auffallen: Hier herrscht eine ganz andere Mentalität. Viele Studis lieben Diskussionen so sehr, dass sie es nicht schaffen in der Regelstudienzeit zu bleiben und gerne mal ein bis fünf Semester länger brauchen.
Gleichzeitig können diese Zeitgenossen auf der WG-Party auch schnell einmal für den einen oder anderen entnervten Blick sorgen. Schließlich hat nicht jeder Partygast Lust, sich ausgiebig über die neuste Bundestagsrede oder das Gendern auszutauschen. Zudem trifft man hier so manchen überindividualisierten Hippie, der mehr als dankbar sein kann, dass die penetrante Cannabis-Wolke, die ihm auf dem Unicampus folgt, wohl künftig kein Problem mehr sein wird.
Medien- und Kommunikationswissenschaft
Eine ähnliche Mentalität lässt sich zuletzt bei dem Studiengang finden, der mir wohl am nächsten ist: Medien- und Kommunikationswissenschaftsstudenten, versuchen mindestens genauso individuelle Freigeister zu sein, wie Soziologie- und Politikstudis. Jedoch laufen erstere eher als uniformierte Öko-Hipster umher, die später wahlweise in PR-Agenturen oder Fernsehformaten anzutreffen sind.
Zudem ist es kein Zufall, dass in ihrer Mensa meist vegetarisch/ veganes Essen angeboten wird, schließlich ist es ungeschriebenes Gesetz mindestens pescetarisch zu sein und beim Einkaufen zur Hafermilch zu greifen. Nun könnte der Eindruck entstehen, diese Studis wären besonders gesundheitsbewusst, aber spätestens nach den ersten Klausuren ist schnell klar: Hier hat man es meist mit den größten Alkoholliebhabern zu tun. Schließlich muss hier nicht so viel gelernt werden, auch während der Klausuren nicht.
Schluss mit dem Floskel-Feuerwerk
So – und jetzt mal Schluss mit dem Floskel-Feuerwerk. Natürlich gilt bei all diesen Studi-Klischees vor allem: Nicht alles ist schwarz oder weiß, wir sind alle individuell und Ausnahmen bestätigen die Regel.
Eine Freundin von mir studiert Politikwissenschaften und hat noch nie in ihrem Leben was geraucht. Ich selbst mache was mit Medien und dulde Kuhmilch in meinem Kaffee. Und ein Freund von mir ist, trotz des abgeschlossenen Medizinstudiums, nicht abhängig von stimulierenden ADHS-Medikamenten.
Dennoch steckt nicht in allem auch ein Fünkchen Wahrheit. Oder?
Lina von Coburg
Lina von Coburg (22 Jahre alt) studiert im Masterstudiengang "Theorien und Praktiken professionellen Schreibens" in Köln. Neben ihrem Studium schreibt sie Gedichte, philosophiert über das Leben und macht sich Gedanken darüber, wie man als angehende Journalistin bestehen kann.
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