Die Karrierefrage: Mein Job ist gut bezahlt, aber nervt mich – was tun?

Autor*innen
Birgitta vom Lehn
Geschäftsmann steht mit zu Fäusten geballten Händen auf seinem Laptop

Gefangen im goldenen Käfig: Wer eigentlich eine gut bezahlte Stelle hat, sie aber nicht mehr erfüllend findet, steckt im Dilemma. Bleiben oder gehen? Ein Luxusproblem, das aber ganz schön quälen kann.

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Von außen betrachtet wirkt es wie ein beneidenswertes Leben: das schmucke Häuschen im Grünen, im Garten haben die Kinder Platz zum Spielen und Toben, im Carport zwei Autos und ein Lastenrad. Mehrmals im Jahr Urlaub an der Küste, auf dem Kreuzfahrtschiff oder auf der Piste. Freunde trifft man im Tennis- oder Golfclub.

So oder so ähnlich könnte es aussehen, wenn die ersten Berufsjahre und auch das Privatleben erfolgreich verlaufen sind, also die sogenannten "physischen" Ziele der Lebensplanung erreicht wurden. Doch etliche Berufstätige entwickeln dann ein Gefühl des Unwohlseins und der Unzufriedenheit, Stichwort "Hamsterrad". Experten sprechen vom "Goldenen Käfig", in dem sich diese Menschen gefangen fühlen. Man könnte hier von einem Luxusproblem sprechen, denn gerade Gutverdiener und Führungskräfte trifft es. Aber dieses Gefühl zu ignorieren, wenn es länger anhält, könne auf Dauer gefährlich werden, warnen Experten.

"Wenn ich nur noch das Geld als Motivator habe und die Arbeit an sich mich nicht mehr erfüllt, wird dies zwangsläufig zur inneren Kündigung und irgendwann auch zu körperlichen Problemen führen", warnt Karriere- und Businesscoach Judith Eggers. Zunächst seien es nur kleine Dinge wie schlechte Laune, Schlafstörungen, eine latente Unzufriedenheit und Gereiztheit, die aber immer auch das Umfeld belasten. "Das Ganze schlägt den Betroffenen dann meist auf den Magen und führt letztlich zu Herzproblemen. Es ist ein schleichender Prozess." Der Klassiker sei der Manager mit Magen- und Herzproblemen.

"Das Problem ist, dass auch das Umfeld und die Familie mitleiden. Es kommt zur Depression und zu Partnerproblemen. Man hat keine Lust mehr auf Ausflüge, Kino oder Essengehen. Ein unpassender Job ist ein hoher Energiefresser." Die Karrierefachfrau hat in ihrer Beratung die Erfahrung gemacht: Häufig sind die Partner die treibende Kraft, damit Gatte oder Gattin etwas an der verfahrenen Situation ändert. Allerdings sei das oft nicht leicht, denn mit einer beruflichen Veränderung gehe oft auch ein Gehaltsverzicht einher. "Das muss man natürlich unbedingt mit der Familie besprechen. Ich hatte mit Klienten schon tolle Ideen entwickelt, die aber an den Familienangehörigen gescheitert sind: Man wollte seinen komfortablen Lebensstil nicht einschränken."

"Das Umfeld ist meist nicht begeistert"

Sabine Votteler, die als Coach und Beraterin Kunden auf eine Selbständigkeit vorbereitet, hat ähnliche Erfahrungen wie ihre Kollegin Eggers gemacht: "Je höher die finanzielle Fallhöhe der Betroffenen ist, desto schwieriger ist die Entscheidung zur Kündigung oder für den Eintritt in den vorzeitigen Ruhestand. Das Umfeld ist meist nicht begeistert. Oft schwingt auch eine gute Portion Egoismus bei den Angehörigen mit, weil man als Partnerin mit beeinträchtigt ist, wenn der Hauptverdiener kürzertritt." Aber auch wenn Freunde und Bekannte vor einer beruflichen Veränderung warnen ("Du hast es doch so gut, sei froh, was Du hast und bist!"), sei Vorsicht geboten: Diese verspürten zum Teil selbst ein allgemeines Unwohlsein, trauten sich aber nicht, etwas an ihrer persönlichen Situation zu verändern.

Entscheidend sei laut Eggers zunächst die Frage: Was genau gefällt mir nicht an meinem Job? Ist es der neue Chef? Oder das veränderte Betriebsklima? Was genau löst das Unbehagen bei mir aus? Gibt es innerhalb des Betriebs Möglichkeiten zu wechseln, etwa von der Führungsebene in den Expertenstatus? Wäre ein Sabbatical sinnvoll? Oder würde mir mehr Arbeit im Homeoffice und damit verbunden eine freiere Zeiteinteilung schon ein besseres Gefühl vermitteln?

Eggers zufolge sind vor allem solche Mitarbeiter von der "Goldenen Käfig"- Misere betroffen, die schon mehrere ungewollte Jobwechsel hinter sich haben und dabei stets vom guten Gehalt geblendet wurden. "Man sollte sich klar machen, dass ein Stellenwechsel allein meist nicht zum gewünschten Erfolg führt." Auch wer von einem "Traum" spreche, den er oder sie sich erfüllen wolle, etwa indem man in den sozialen Bereich wechsle, um "mehr Sinn" zu verspüren, solle "ganz vorsichtig sein", warnt Eggers. Lieber sollte man sich vorher mit Leuten unterhalten, die in diesen vermeintlichen "Traum"-Berufen arbeiten und im Urlaub oder im Rahmen einer unbezahlten Auszeit ein vierwöchiges Praktikum in der neuen Branche machen, um sich auszuprobieren. Eggers sagt: "Das kann dann schnell zu der Einsicht führen, dass es doch eher ein Albtraum ist."

"Freiheit interpretiert jeder für sich anders"

Das "Goldene-Käfig"-Gefühl sei immer ein Wettstreit zwischen Emotionen und Verstand, analysiert Sabine Votteler. "Es geht um die inneren Werte. Wenn mein Gefühl nach mehr beruflicher Selbständigkeit und Flexibilität verlangt, dann hält mein Verstand dagegen und warnt: das ist viel zu riskant!" Die Beraterin findet es aber enorm wichtig, auf seine Gefühle zu achten. Gerade bei Gutverdienern sei dies aber in der Regel verpönt. "Da spielt das Gefühl nicht so eine große Rolle. Man hat sich schließlich mit viel Disziplin und Fleiß hochgearbeitet. Das Sich-Zusammenreißen ist vielen Managern in Fleisch und Blut übergegangen."

Auf Dauer funktioniere es aber nicht, ständig gegen seine inneren Werte und gegen sein Bauchgefühl anzuarbeiten. "Man kann im Job auch etliche Rahmenbedingungen ändern, die zu mehr innerer Zufriedenheit führen. Es muss meist gar nicht der große Stellenwechsel sein." Tatsache sei aber auch, dass jeder die inneren Werte für sich anders interpretiere, erklärt Votteler. "Freiheit bedeutet für jeden etwas anderes: Für den einen bedeutet es, mehr im Homeoffice zu arbeiten, für die andere, jeden Tag ins Büro gehen oder in der Welt herumreisen zu dürfen." Wichtig sei es daher, maßgeschneiderte Lösungen zu finden.

Vottelers Kunden peilen ausschließlich die Selbständigkeit an. Die Beraterin hilft ihnen bei der Entscheidungsfindung. "Das Problem ist: die Leute kennen sich oft nicht selbst. Sie sind es nicht gewohnt, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Wer bin ich, was will ich – diese Fragen haben sie nie wirklich gestellt."

Wichtig sei auch eine ehrliche Bestandsaufnahme in puncto Finanzen, mahnt Votteler: "Muss ich mich überhaupt in das 'Geld-Konzept' reinpressen lassen? Viele teure Ausgaben im Job fallen schließlich weg, wenn ich im Homeoffice arbeite. Das fängt beim Auto an, geht übers Essengehen in teuren Restaurants mit den Kollegen in der Mittagspause bis hin zur täglichen Business-Kleidung, die zu Hause entsprechend weniger anspruchsvoll sein darf." Man stelle dann oft fest, dass viele Ausgaben für den Bürojob wegfallen und man in der Selbständigkeit mit deutlich weniger Geld auskomme.

"Gutes Geld ist immer mit Leistung verbunden"

Grundsätzlich warnt ihre Kollegin Eggers aber vor zu viel Optimismus: "Nur zehn bis zwanzig Prozent schaffen es, aus dem 'goldenen Käfig' auszubrechen. Der Rest muss dort bleiben, was auch die hohen Zahlen an frustrierten Mitarbeitern erklärt. Je älter die eigenen Kinder sind, umso leichter fällt es den Betroffenen meist." Fakt sei eben auch, betont die Fachfrau, "dass gutes Geld mit Leistung verbunden ist". Ein Gehalt von 150.000 Euro bedeute auch eine 50- bis 60-Stunden-Woche. Für viele junge Leute sei dies aber nicht mehr vorstellbar. "Sie wollen viel verdienen, aber zugleich ein gutes Leben führen mit einer Vier-Tage- und 35-Stunden-Woche." Hinzu komme, dass viele Mitarbeiter in den Vierzigern heute keine große Loyalität zu ihren Arbeitgebern zeigen und "mehr Streicheleinheiten brauchen".

Eggers führt dieses Phänomen auf eine Elterngeneration zurück, die ihren Kindern nicht nur "beste Kumpel" waren, sondern auch viel organisiert und an Arbeit abgenommen hat. "Diese Kinder bekamen von ihren Eltern sehr viel Aufmerksamkeit, und die erwarten sie als Erwachsene nun auch vom Chef." Ob man mit dem über sein "Goldenes Käfig"-Gefühl reden sollte? Das sei eine "schwierige Gratwanderung", meint Eggers, die "sehr gut überlegt" sein müsse.

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