Neue Aufgaben: Wie sich die Rolle von Wirtschaftsprüfern verändert

Autor*innen
Mark Fehr
Eine Person mit Klemmbrett steht vor einem riesigen Laptop und zeigt auf ein Diagramm auf dessen Bildschirm. Darum herum schweben ein Taschenrechner und Geldmünzen.

Wirtschaftsprüfer verdienen als Krisen- und Transformationshelfer Milliarden. Das verändert auch ein tradiertes Berufsbild.

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Die Branche der Wirtschaftsprüfer und Berater wächst angesichts von internationalen Krisen und Umbrüchen stark. Die Umsätze der deutschen Prüfungs- und Beratungsgesellschaften stiegen im Jahr 2023 um knapp 9 Prozent auf 19,8 Milliarden Euro, zeigt das am Montag (15.7.2024, Anmerkung der Redaktion) veröffentlichte jährliche Ranking des Marktforschungsunternehmens Lünendonk. Das Marktvolumen hat sich demnach innerhalb von zwölf Jahren verdoppelt.

Gut die Hälfte des Marktanteils entfällt auf die vier größten Anbieter von Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsleistungen, also PwC, EY, KPMG und Deloitte. Allein diese vier vereinnahmten mit insgesamt 10,2 Milliarden Euro über 51 Prozent der gesamten Umsätze der Branche in Deutschland, obwohl ehrgeizige Angreifer aus den Reihen der mittelgroßen Anbieter ebenfalls stark wachsen und sogar Marktanteile im Premiumsegment der Dax-Kunden erobert haben.

Die großen Prüfungs- und Beratungsgesellschaften sind ein Spiegelbild der wirtschaftlichen und technologischen Umbrüche, denn sie prüfen nicht nur die jährlichen Bilanzen von Unternehmen unterschiedlichster Branchen, sondern beraten und unterstützen diese auch dabei, Krisen und Umbrüche zu bewältigen.

Aufsteiger Deloitte setzt zum Überholmanöver an

Für das zurückliegende Geschäftsjahr fällt besonders die Aufholjagd von Deloitte ins Auge. Die Marke ist international Nummer eins auf dem Prüfungs- und Beratungsmarkt, belegt in Deutschland allerdings nur den vierten Platz. Vor vielen Jahren noch musste sich Deloitte sogar Sorgen machen, überhaupt zu den Großanbietern in Deutschland gezählt zu werden. Doch nun hat sich das Unternehmen mit einem starken Wachstum von 22 Prozent auf 2,3 Milliarden Euro Umsatz ganz nah an den Wettbewerber KPMG herangearbeitet.

Für 2023 hat Lünendonk den KPMG-Umsatz geschätzt, weil Prüfungs- und Beratungsgesellschaften verschiedene Erlöskennzahlen angeben, also nicht nur Umsätze, sondern auch die Gesamtleistung oder die Rechtsberatungseinnahmen unterschiedlich ausweisen, wie Studienleiter Jörg Hossenfelder erläuterte. Er hält es für möglich, dass Deloitte im laufenden Geschäftsjahr KPMG überholt haben könnte. Sehen wird man das, wenn die Prüfungsgesellschaften ab Herbst ihre nächsten Zahlen vorlegen werden.

Die Gründe für die Aufholjagd von Deloitte liegen im von der Transformation der gesamten Wirtschaft getriebenen Wachstum auf dem Beratungsmarkt sowie den von der Regulatorik erzwungenen Prüferwechseln bei den Unternehmen.

Hinzu kommt, dass der Wettbewerber EY wegen des Wirecard-Bilanzskandals einen Reputationsschock verkraften muss, der dem Abschluss neuer Mandate im Wege steht. Zudem hat die Wirtschaftsprüferaufsicht APAS ein zwei Jahre dauerndes Verbot über EY verhängt, neue Aufträge für die Bilanzprüfung börsennotierter Mandanten anzunehmen. Die Neugeschäftssperre greift seit März, als EY die Entscheidung der APAS nach einer langen berufsaufsichtlichen Untersuchung rechtskräftig werden ließ.

Ex-Wirecard-Prüfer EY schlägt sich wacker

Ungeachtet der Auswirkungen des Wirecard-Skandals auf das Prüfgeschäft hat EY im Jahr 2023 den Umsatz über alle Geschäftsbereiche um 15 Prozent auf mehr als 2,5 Milliarden Euro gesteigert und seinen Platz an zweiter Stelle hinter dem deutschen Marktführer PwC behauptet, der seinen Umsatz um fast 22 Prozent auf über 2,9 Milliarden Euro steigerte.

Laut Christoph Schenk, Geschäftsführer für den Bereich Wirtschaftsprüfung bei Deloitte, hat das Unternehmen durch gezielte Investitionen die Grundlage dafür geschaffen, den stark gewachsenen Bedarf der Mandanten an Prüfungs- und Beratungsleistungen bedienen zu können. Bei Deloitte ist der Anteil des Geschäfts mit der Unternehmensberatung mit 60 Prozent besonders hoch, doch wächst der Anbieter auch in der klassischen Wirtschaftsprüfung deutlich. So steigerte Deloitte 2024 die Zahl der Prüfungskunden aus der ersten Börsenliga von sechs auf neun Mandate. Zu den Kunden aus dem Dax zählen nun die Chemieunternehmen BASF, Bayer und Brenntag, der Logistikkonzern Deutsche Post DHL Group, die Deutsche Telekom, der Chiphersteller Infineon, das Pharmaunternehmen Merck, der Rüstungshersteller Rheinmetall sowie das Energieunternehmen RWE.

Auch wenn sich die schwindelerregenden Wachstumsquoten laut einer Branchenumfrage durch Lünendonk im laufenden Jahr wohl nicht wiederholen werden, geht es weiter aufwärts. Denn stufenweise müssen immer mehr Unternehmen Nachhaltigkeitsberichte veröffentlichen und prüfen lassen, was zu neuen Aufträgen in der Prüfung, aber auch in der Beratung führt.

Der Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft verändert auch die Wirtschaftsprüfer, die tiefgreifende Veränderungen in der Unternehmenswelt als Bilanzkontrolleure und Beratungsanbieter in unterschiedlichsten Branchen miterleben und mitgestalten, wofür trotz der regulatorischen Trennung von Prüfung und Beratung weite Spielräume bleiben.

Dass die traditionell als bieder und konservativ wahrgenommenen Wirtschaftsprüfer immer öfter in Turnschuhen und ohne Krawatte unterwegs sind, hat daher nicht nur mit den modischen Folgen des Homeoffice zu tun. Der betont lockerere Stil rührt auch daher, dass der Berufsstand sich immer stärker für Fachleute und Talente aus Disziplinen jenseits von Buchhaltung und Juristerei öffnet, ja öffnen muss.

Fachleute für Digitalisierung und Nachhaltigkeit gefragt

Gefragt sind nicht mehr nur Kaufleute, Betriebswirte oder Paragraphenkünstler, sondern zunehmend Datenspezialisten, die digitale Werkzeuge für Effizienzsteigerungen und neue Geschäftsideen entwickeln und einsetzen, oder Cybersoldaten für die Abwehr von Hackerangriffen oder schließlich Akteure, die durch die Brille der Nachhaltigkeit einen grüneren und diverseren Blick auf die Geschäftsmodelle von Mandanten werfen sollen. Daneben haben Bilanzskandale die Augen dafür geöffnet, dass die klassische Wirtschaftsprüfung nicht nur ein notwendiges Übel ist.

Führende Wirtschaftsprüferinnen und -prüfer, wie die Grant-Thornton-Vorstandssprecherin Heike Wieland-Blöse, fordern mehr Flexibilität ein, um als Arbeitgeber für neue Köpfe aus allen Disziplinen attraktiv zu werden.

Das ist nachvollziehbar, schließlich kann man davon ausgehen, dass Digitaltalente und Nachhaltigkeitsprofis sich nicht nur als Handlanger der traditionellen Wirtschaftsprüfer und Steuerberater abspeisen lassen wollen, sondern nach Aufstiegsmöglichkeiten und mindestens gleichberechtigten Karrierewegen suchen.

Dazu gehört die Aufnahme in den Kreis der Partnerinnen und Partner, was für Fachfremde und Quereinsteiger bisher nur auf Umwegen möglich ist, weil die deutschen Gesetze von Gesellschaftern und Partnern einer Wirtschaftsprüfungs- oder Steuerberatungsgesellschaft ein Berufsexamen als Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater verlangen. Der Wandel der Prüfer- und Beraterbranche sollte nicht an regulatorischen Hürden scheitern.

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