Die Karrierefrage: Wie verhandle ich einen Aufhebungsvertrag?
- Marcus Jung

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Wenn die Karriere in der Sackgasse steckt oder der Arbeitgeber sich von einem Mitarbeiter trennen will, kann ein Aufhebungsvertrag befreiend sein. Doch es gibt einiges zu beachten.
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Als Christina an ihrem Arbeitsplatz ankam, herrschte eine eigenartige Stimmung. Die Kollegen hätten sie nur angeschaut, keiner habe sie angesprochen, erinnert sie sich. Frühmorgens hatte der Geschäftsführer den Kollegen mitgeteilt, dass man sich von ihr trennen werde. Christina, die ihren richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen will, konnte noch einige persönliche Sachen zusammenpacken und war mit sofortiger Wirkung freigestellt. Nach mehr als zehn Jahren im Betrieb stand sie vor der Wahl: Sollte sie sich zur Wehr setzen oder die Trennung sauber über die Bühne bringen?
Gerade die beiden letzten Corona-Jahre hat mancher Arbeitgeber genutzt, um sich von unliebsamen Mitarbeitern zu trennen. Aber auch Angestellte haben sich nach Monaten im Homeoffice und einer oft holprigen Rückkehr an ihren Arbeitsplatz die Sinnfrage gestellt: Will ich das überhaupt noch? Millionen von Beschäftigten in Nordamerika und in anderen westlichen Industriestaaten haben ihrem Beruf den Rücken gekehrt, ein Phänomen, das unter dem Begriff "great resignation" bekannt wurde.
Für den trennungswilligen Chef heißt es, eine saubere und vor allem nicht vor Gericht angreifbare Lösung zu finden, die auch in die wirtschaftliche Situation des Unternehmens passt. Der Mitarbeiter wiederum muss sich fragen, wie hoch der Leidensdruck ist, welche finanziellen Rücklagen es gibt und wann man wieder arbeiten will. Ein Aufhebungsvertrag, mit dem sich beide Seiten von ihren Pflichten aus dem Arbeitsvertrag lösen, kann eine Lösung sein, die unterschiedlichen Interessen unter einen Hut zu bringen. Wie häufig solche Verträge zum Einsatz kommen, können weder die Bundesagentur für Arbeit noch das Statistische Bundesamt mitteilen. Kündigungen hinterlassen Wirkungen im Unternehmen, ein Aufhebungsvertrag läuft im Regelfall im Stillen ab.
Auch Christinas Arbeitgeber, ein mittelständisches Dienstleistungsunternehmen, hatte offenbar das Risiko eines längeren Rechtsstreits vor den Arbeitsgerichten durchgespielt. Der Personalleiter legte ihr einen vorformulierten Aufhebungsvertrag vor. Im Gespräch mit ihrem Chef kamen der Frau dann Zweifel wegen einzelner Formulierungen. Auch die Höhe der in Aussicht gestellten Abfindung erschien ihr zu niedrig. Aber ihr Vorgesetzter drängte auf einen Abschluss, notfalls könne man ja einiges "nebenbei" verabreden, ohne etwas schriftliches zu fixieren. "Du findest doch ohne Probleme wieder was", erinnert sich junge Frau ein knappes Jahr nach den Ereignissen an einen weiteren Ratschlag.
Eine kreuzverhörähnliche Situation
Das deutsche Recht sieht die Möglichkeit vor, verbindliche Absprachen auch mündlich zu treffen. Dennoch warnen Arbeitsrechtler davor, Vereinbarungen mit dem Noch-Arbeitgeber mündlich zu treffen. Das deutsche Arbeitsrecht sei da sehr streng, erklärt Sebastian Maiß von der Kanzlei Michels.pmks. "Aufhebungsverträge sind nur wirksam, wenn sie vom Arbeitgeber und vom Arbeitnehmer handschriftlich unterzeichnet werden", sagt der Düsseldorfer Anwalt. Für die Situation, wie sie Christina beschreibt, gibt es von Juristen den Rat: ruhigen Kopf bewahren, Bedenkzeit erbitten, das Angebot zusammen mit einem Anwalt oder zumindest einer vertrauten Person auf Fallstricke oder unzulässige Klauseln hin überprüfen. Wer einmal vorschnell etwas unterschreibt, wird sich kaum davon lösen können. Aufhebungsverträge sind rechtlich bindend.
Doch die Arbeitsgerichte haben in den vergangenen Jahren mehrere Fallgruppen zum Schutz von Arbeitnehmern gebildet, die man kennen sollte, wenn man in einer solchen Verhandlungssituation ist. Nutzt der Arbeitgeber etwa eine Drucksituation oder eine Form von Überlegenheit zu seinen Gunsten aus, kann der komplette Vertrag nichtig sein. Das Bundesarbeitsgericht habe 2019 hieraus das "Gebot fairen Verhandelns" neu entwickelt, erklärt Rechtsanwalt Maiß. Das schütze den Arbeitnehmer zwar nicht vor sittenwidrigen Inhalten, etwa wenn der Aufhebungsvertrag keine Abfindung enthalte oder die Kündigungsfrist verkürzt wird. "Das Gebot fairen Verhandelns schützt, wie es das Bundesarbeitsgericht bildlich formuliert, den Weg zum Vertragsabschluss", sagt der Arbeitsrechtler. Erst im Februar dieses Jahres legte das höchste deutsche Arbeitsgericht mit weiteren Vorgaben für Aufhebungsverträge nach. Ein Verstoß gegen das Gebot soll vorliegen, wenn der Arbeitgeber Mitarbeiter überrumpelt, eine "kreuzverhörähnliche" Situation schafft, körperliche oder psychische Schwäche oder fehlende Sprachkenntnisse ausnutzt.
Dennoch müssen auch Unternehmen einen gewissen Spielraum haben. Schließlich bleibt heute kaum noch ein Mitarbeiter sein gesamtes Berufsleben in ein und demselben Unternehmen. Zudem gibt es für Chefs durchaus legitime Gründe, sich von Mitarbeitern zu trennen - und das sollte man in Verhandlungen kennen und für sich nutzen. Gerade in größeren Unternehmen sind üppige Abfindungspakete ein wichtiges Mittel, um bei künftigen Lohn- und Kostenstrukturen flexibler aufgestellt zu sein. Je weniger Mitarbeiter ein Unternehmen hat, desto geringer kann die Bereitschaft sein, überhaupt ein Angebot auf den Tisch zu legen - auch Christina war über die Zahl ernüchtert, die ihr Chef nach ihren zehn Jahren Betriebszugehörigkeit zu zahlen bereit war.
Kein automatischer Anspruch auf Abfindung
Einen automatischen Anspruch auf Abfindung gibt es nicht. Schließlich willigt man einvernehmlich in die Beendigung des Arbeitsvertrags ein. Es ist eine Verhandlungssache. Über die Jahre hatte sich als Orientierungslinie herausgebildet, dass pro Jahr ein halbes Bruttomonatsgehalt gefordert werden kann - wer also fünf Jahre lang 4000 Euro brutto bekam, soll 10.000 Euro fordern können. Solche Summen seien viel zu niedrig, gerade in Zeiten einer hohen Inflation, ist von manchen Arbeitnehmervertretern zu hören. Vorzuziehen ist eher die Sichtweise, die auf die individuelle Verhandlungssituation des Mitarbeiters und das vorhandene Zeitfenster abstellt. "Während Arbeitgeber eine Trennung möglichst schnell umsetzen wollen, ist für den Arbeitnehmer der Faktor Zeit das wesentliche Druckmittel", betont Maiß. Ein Mitarbeiter, der sich nichts hat zu schulden kommen lassen, kann seiner Meinung nach mit "breiter Brust" in solche Verhandlungen gehen. Die große Kunst in Verhandlungen über eine einvernehmliche Trennung sei es daher, den Punkt zu finden, bis zu dem man gehen könne, ohne den Bogen zu überspannen und das Scheitern der Verhandlungen zu provozieren. Doch wie soll ein Mitarbeiter seinen Wert einschätzen können? Maiß empfiehlt, sich gut im Unternehmen zu vernetzen, strategische Überlegungen des Chefs zu kennen und auch auf vergleichbare Fälle von Kollegen zu verweisen.
Daneben ergeben vor allem zwei weitere Punkte in Aufhebungsverträgen Sinn. Neben einer etwaigen Abfindung sollte dort aufgeführt sein, wie viel der Angestellte noch bis zu seinem Ausscheiden bezahlt bekommt, dort sollten neben dem Festgehalt auch Boni und Zuschüsse aufgeführt sein. Zudem sollte man auf einen Passus bestehen, der die Sperrzeit ausschließt: Im Fall einer Eigenkündigung oder eines Aufhebungsvertrags haben Angestellte bis zu 12 Wochen keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, außerdem kann die Bezugsdauer der Unterstützung um ein Viertel gekürzt werden. So kann sich der Mitarbeiter zusichern lassen, dass sein Noch-Arbeitgeber diese finanziellen Nachteile weiter ausgleicht; findet er direkt eine neue Tätigkeit, kann diese Pflicht entfallen.
Christina hat längst einen anderen Job gefunden. Sie hat den Aufhebungsvertrag als Chance für einen Neustart gesehen, ist aus ihrer gewohnten Umgebung in die nächstgrößere Stadt gezogen. "Mir hat es sehr geholfen, dass jemand klar und offen mit meinem alten Arbeitgeber über meinen Ausstieg verhandelt hat", sagt sie. Sie suchte Kontakt zum Regionalbüro ihrer Gewerkschaft, das umgehend reagierte. Ein Referent unterstützte sie und übernahm die Kommunikation mit dem Personalleiter. Kurz darauf setzte Christina ihre Unterschrift unter eine neue Vereinbarung, die für sie deutlich günstiger ausfiel als der erste Aufhebungsvertrag.
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