Geld und Glück: Wie viel Geld es braucht, um glücklich zu sein

Autor*innen
Marilena Piesker
Einer Frau wird Geld angeboten, was sie verwirrt

Mehr Geld macht zunächst glücklicher. Doch ist ein gewisses Einkommen erreicht, nimmt der Effekt ab. Wie viel ist also genug? Was die Forschung dazu sagt.

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Der Lieblingssong erklingt im Radio, der Italiener um die Ecke serviert die beste Pizza der Stadt: Manchmal kommt das große Glück ganz klein und flüchtig daher, ohne viel Geld dafür ausgeben zu müssen. Die Forschung fasst den Begriff allerdings deutlich weiter – als eine reflektierende Haltung auf das eigene Leben. So erklärt es der Soziologe und Glücksforscher Jan Delhey von der Universität Magdeburg. "Da geht es vor allem um die große Frage, wie man leben will." Und das ist nicht immer so antikapitalistisch: Denn gutes Essen, ein schönes Zuhause und Erholung jenseits der eigenen Wohnung kosten Geld – mancherorts auch viel Geld. Wie viel braucht man also, um diesem erstrebenswerten Zustand möglichst nahezukommen?

Die Wissenschaft scheint darauf eine Antwort zu haben: 75.000 US-Dollar, also umgerechnet 70.000 Euro, braucht der Mensch im Jahr, um das Maximum an Glück zu erleben. Der Nobelpreisträger Daniel Kahneman hat 2010 gezeigt, dass in Industrienationen wie den USA Menschen durch mehr Geld nicht glücklicher werden, wenn sie mindestens diese Summe im Jahr verdienen.

Für Deutschland kommt eine Studie der Onlinegeldwechselbank S Money auf ein ähnlich hohes Jahreseinkommen, das es zum Glück braucht: nämlich 76.370 Euro. Auf den Monat gerechnet sind das etwa 6.300 Euro brutto. Zum Vergleich: Das Durchschnittseinkommen einer deutschen Vollzeitbeschäftigten liegt bei 4.323 Euro brutto. Völlig unerreichbar scheint die Schwelle zum maximalen Glück durch Geld hierzulande also nicht.

Was macht denn nun glücklich: 20.000, 75.000 Euro oder eine halbe Million?

Bringen also etwa 75.000 Euro Jahreseinkommen garantiert Lebenszufriedenheit? "So pauschal lässt sich das natürlich nicht sagen", sagt Delhey. Der Nobelpreisträger Kahneman etwa widerlegte seine eigene Studie im vergangenen Jahr und kam zu dem Schluss, dass Menschen auch mit noch mehr Geld noch glücklicher werden. Erst ab einem Einkommen von einer halben Million im Jahr nehme das Glück durch Geld nicht mehr zu.

Und es gibt noch andere Faktoren, die sich auf den Einfluss von Geld auf das Glücksgefühl auswirken. Der Wohnort ist einer davon. In Norwegen liegt die Schwelle, ab der mehr Geld nicht mehr Glück bringt, bei 109.000 Euro jährlich, im Iran sogar bei umgerechnet 220.000 Euro. In Polen dafür bei nur 21.000 Euro im Jahr. Vor allem einkommensstarke Länder haben eine hohe Schwelle für persönliches Glück. Das liege vor allem daran, dass das Glücksempfinden auch abhängig sei vom Vergleich mit anderen Menschen, argumentieren die Studienautoren. Norwegen etwa zählt weltweit zu den reicheren Ländern, das heißt, man muss sich auch mit mehr Vermögenden vergleichen als etwa in Polen. Im Iran hingegen leben mehr als die Hälfte der Menschen unter der Armutsgrenze, hier lag die Inflation vergangenes Jahr allerdings bei mehr als 40 Prozent. Deshalb ist der hohe Preis des Glücks im Iran laut den Studienautoren eher auf wirtschaftliche Faktoren zurückzuführen.

Möglicherweise belegen die Unterschiede je nach Land, was auch der Forschung längst klar ist: dass allgemeingültige Durchschnittswerte für einzelne Personen nicht aussagekräftig sind. Der Vermögensforscher Thomas Druyen untersucht seit Jahrzehnten den Einfluss von Geld auf die Psyche. Sogar er hält es für schwierig, eindeutig zu bestimmen, wann und wie viel Geld Menschen glücklich macht. "Das ist in allen Generationen, Kulturen und politischen Systemen völlig unterschiedlich", sagt Druyen. Glück ist also ein sehr individuelles Gefühl, das sich auch mit den Umständen ändert.

Ebenso kann sich der für Deutschland ermittelte Wert von etwa 76.000 Euro durch eine schwankende Inflation ständig ändern. Aber, und darum gehe es der Forschung vor allem: "Es stimmt, dass Geld für fast alle Menschen einen abnehmenden Grenznutzen hat", sagt Delhey. Mit diesem Begriff beschreibt Delhey: Mehr Geld macht zunächst glücklicher. Doch ist ein bestimmtes Einkommen erreicht, nimmt die positive Wirkung auf das eigene Glücksempfinden ab.

Geld hat für fast alle Menschen einen abnehmenden Grenznutzen.
Jan Delhey

"Dass Geld zum Beispiel Sorgen reduziert, gilt sicherlich für alle Menschen mit geringem Einkommen oder in prekären Verhältnissen", sagt Druyen. "Aber für viele, die genug oder mehr als genug haben, gilt es nicht." Wer zum Beispiel statt einem Jahresgehalt von 50.000 Euro plötzlich 70.000 erhält, erfährt einen größeren Glückszuwachs als jemand, der statt 300.000 Euro 320.000 bekommt.

Mehr ist vielleicht doch mehr

Eine weitere Kritik an der Forschung rund um Geld und Glück: Sie bezieht sich größtenteils auf das Einkommen, nicht aber auf das Vermögen. Genau das wäre aber interessant. Denn mehr Einkommen macht viele ab einem bestimmten Betrag nicht mehr glücklicher, weil man mehr arbeiten muss, um es zu erzielen. Noch mehr arbeiten will aber nicht jeder, um Familie, Freunde oder Hobbys nicht zu vernachlässigen. Doch wie viel Vermögen bräuchte man, um glücklich zu sein?

Wenn es um Besitz geht, ist mehr erst mal besser, hat das Deutsche Institut für Wirtschaft (DIW) herausgefunden. Demnach sind Millionärinnen im Durchschnitt am zufriedensten mit ihrem Leben. Das betrifft nicht bloß ihr finanzielles Auskommen: Wer viel hat, ist offenbar auch gesünder und glücklicher mit Job und Familie als weniger reiche Menschen. "Vermögen verschafft uns Sicherheit und Freiheit", sagt Delhey. Besonders unzufrieden sind in Deutschland daher immer noch Personen aus der unteren Hälfte der Vermögensverteilung. Wenn es ums Glück geht, ist Vermögen aber nicht gleich Vermögen. Eine eigene Wohnung oder ein Haus zu besitzen, hat einen besonders starken Effekt auf das Glück. "Diese Menschen fühlen sich von ihren Mitmenschen öfter anerkannt und wertgeschätzt", sagt Delhey.

Lieber Geschenke oder Erlebnisse kaufen statt ein teures Auto

Aber auch bei Vermögenden hat Glück seine Grenzen. "Und zwar immer dann, wenn andere grundlegende Bedürfnisse nicht befriedigt werden können", sagt der Glücksforscher. Man könne Millionär sein – doch wenn man sich gleichzeitig einsam fühle und keine Freunde habe, sei man auch nicht glücklich. Somit liefern einige Studien auch Hinweise darauf, dass zu viel Geld ab einer bestimmten Menge sogar unglücklich machen kann. Nicht selten isoliere Reichtum Menschen von anderen, vor allem weniger Vermögenden. Kinder reicher Eltern haben etwa ein hohes Risiko, an Depression oder Angststörungen zu erkranken. Auch plötzlicher Reichtum kann einsam und daher unglücklich machen. Der schnell dahingesagte Spruch, dass Geld nicht alles sei, ist offenbar mehr als eine Binse: "Die Psyche der Menschen unterscheidet sich in den wichtigen Fragen des Lebens nicht nach dem Kontostand, sondern nach dem Charakter", sagt Druyen.

Die Psyche der Menschen unterscheidet sich in den wichtigen Fragen des Lebens nicht nach dem Kontostand.
Thomas Druyen

Damit Geld glücklich macht, geht es nicht nur um die Menge, sondern auch darum, wie man es ausgibt. Delhey rät, Geld in Erlebnisse zu investieren, statt nur Konsumgüter zu kaufen. "Erlebnisse unterliegen anders als Autos weniger dem direkten sozialen Vergleich", sagt er. Wer einen schönen Urlaub in Spanien gehabt habe, lasse sich weniger davon beeinflussen, dass ein Freund auf die Malediven geflogen sei. Parkt der eigene VW neben dessen BMW, neige man eher dazu, die Autos miteinander zu vergleichen. Und der Wissenschaftler sieht noch einen weiteren Vorteil von Abenteuern: "Die Erinnerung an schöne Erlebnisse kann uns dauerhaft ein gutes Gefühl geben, wohingegen das Glücksgefühl durch Konsum über die Zeit nachlässt." Eine Gruppe aus Forschern an der Harvard-Universität hat zudem herausgefunden, dass Menschen zufriedener sind, wenn sie ihr Geld für andere ausgeben statt für sich selbst. Macht Geld also glücklich? Ein klares Jein. Aber Geldsorgen machen definitiv unglücklich.

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