Gehaltsgespräche: Klassische Fehler beim Verhandeln – und wie Sie diese vermeiden

Autor*innen
Milena Merten
Einer Frau wird Geld angeboten, was sie verwirrt

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Zu jeder Stufe, die Sie auf der Karriereleiter erklimmen, gehört auch eine Verhandlungsrunde: Schließlich sollen Gehalt und Konditionen stimmen. Und nicht nur Gespräche mit Vorgesetzten erfordern Verhandlungsgeschick: Auch bei Lieferanten, Kunden oder Investoren profitiert, wer smart argumentiert. Doch selbst bei Top-Performern können solche Verhandlungen für Stress sorgen. Jeder Zweite fühlt sich unwohl dabei, mehr Gehalt zu verlangen, ergab 2019 etwa eine Stepstone-Umfrage unter 11.000 Fach- und Führungskräften. Wer gestresst ist, hat es schwerer, einen kühlen Kopf zu bewahren – und macht eher Fehler.

Fehler, mit denen René Schumann vertraut ist – denn viele davon sind ihm selbst schon unterlaufen. Schumann hat jahrelang Verhandlungsteams geleitet, unter anderem bei Daimler. 2018 gründete er die "Negotiation Advisory Group". Mit seinem 50-köpfigen Team berät er seitdem so internationale Konzerne und Mittelständler bei Verhandlungsprozessen.
Dem Handelsblatt hat Schumann verraten, welche Verhandlungsfehler er am häufigsten beobachtet – und wie Sie diese vermeiden können.

Fehler 1: Sie wollen den Gegner überreden

"Ein Fehler, den ich früher selbst oft gemacht habe, ist, dass ich in Verhandlungen die Gegenseite überzeugen wollte", sagt Schumann. Das merke das Gegenüber aber oft schnell – und empfinde es als Manipulation. 

So funktioniert es besser: Versuchen Sie, sich auszutauschen, statt den Verhandlungspartner zu überreden

Beispiel: Die Verhandler eines fiktiven Automobilkonzerns bekommen die Vorgabe, fünf Prozent der Ausgaben für den Einkauf einzusparen. Sie setzen sich mit einem Zulieferer an den Verhandlungstisch, der aber unter starkem Konkurrenzdruck steht. Alle Argumente, die dieser sich vorher überlegt hat, prallen an den Konzernvertretern ab. Sie wollen ihr Ziel erreichen. In vielen Fällen kommen nun beide Parteien nicht von ihrem Standpunkt herunter, weiß der Verhandlungsprofi. Diese verhärteten Fronten erlauben keine Annäherung – die für ein tragfähiges Ergebnis aber wichtig ist. Statt von Anfang an stur auf einem vorher festgelegten Ziel zu beharren, sollten beide Seiten sich zum Ziel setzen, sich Stück für Stück anzunähern.

Fehler 2: Sie verhandeln gegen sich selbst

Steht eine Gehaltsverhandlung an, beginnt diese oft bereits Tage vor dem Gespräch – und zwar im Kopf. "Man fängt an zu grübeln und fragt sich: Ist das denn wirklich gerechtfertigt, wenn ich zehn Prozent mehr fordere?", sagt Schumann. "Reichen nicht auch acht Prozent, angesichts der Krise und der hohen Energiepreise?" Und schon handelt man die eigenen Ziele herunter.

So funktioniert es besser: Schumann rät dazu, stundenlanges Grübeln kategorisch zu unterbinden. Versuchen Sie nicht, sich vorzustellen, wie die Gegenseite im ersten Moment auf Ihre Forderung reagieren wird, sagt er. Und in der Verhandlung sollten Sie probieren, die erste Reaktion des Gegenübers vollständig zu ignorieren.

Fehler 3: Sie definieren keinen "Walk-Away"

Was tun, wenn der Chef nur fünf statt der geforderten zehn Prozent mehr Gehalt anbietet? Viele Menschen haben zwar ein Wunschziel, lassen sich aber sukzessive herunterhandeln.

So geht es besser: Verhandlungstrainer Schumann empfiehlt, vorab ein klares Unterziel zu definieren, den sogenannten "Walk-Away". Die relevante Frage laute: "Zu welchem Zeitpunkt stehe ich auf und sage: Die Verhandlung ist gescheitert?" Für diesen Fall müsse man sich eine klare Konsequenz überlegen, etwa, dass man sich woanders bewerben wird.

Fehler 4: Sie legen zu viel Wert auf Harmonie

Eine Verhandlung abbrechen und für gescheitert erklären: Allein bei dem Gedanken daran dürfte vielen der Schweiß ausbrechen. Die Deutschen gehen, etwa im Vergleich zu Nordamerikanern, oft mit einem zu großen Harmoniebedürfnis in Verhandlungen, meint René Schumann. Um jeglichen Konflikt zu vermeiden, hätten viele einen perfekten Plan. Das Problem: Ein erfahrenes Gegenüber spüre das sofort – und könne es ausnutzen.

So geht es besser: Es kann sinnvoll sein, nicht alles in einem einzigen Gespräch herausholen zu wollen. Loten Sie aus, wie weit sie gehen können – aber trauen Sie sich auch, eine Forderung später noch einmal zu stellen.

Fehler 5: Sie verhandeln Ihr Gehalt erst, nachdem Sie einen Erfolg hatten

Wenn ein großes Projekt gelungen ist, nutzen viele Angestellte die Gunst der Stunde, um mit Verweis auf den jüngsten Erfolg mehr Gehalt zu fordern. Das sei genau der falsche Zeitpunkt, so Schumann: "Gehaltserhöhungen gibt es nicht für Erfolge in der Vergangenheit, sondern für den Blick nach vorne."

So geht es besser: Demnach ist der ideale Zeitpunkt nicht nach, sondern vor dem wichtigen Projekt. Dann könne man sagen: "In den nächsten zwölf Monaten bin ich als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter unersetzbar." Und schon liege die Verhandlungsmacht auf der Seite des Mitarbeiters. Wenn der Vorgesetzte dann entgegne, dass er den Projekterfolg erst einmal abwarten möchte, sei das ein guter Anlass, um das nächste Gespräch in drei Monaten klar und verbindlich zu terminieren.

Fehler 6: Sie legen sich keine Alternative zurecht

Viele Menschen gehen ohne einen Plan B in Gehaltsverhandlungen.

So geht es besser: Es sei sinnvoll, sich durch Bewerbungen bei anderen Unternehmen eine Alternative zu verschaffen, sagt Schumann. Allein das Wissen, dass man im Zweifel diese Karte ziehen könnte, mache einen im Verhandlungsprozess souveräner und ruhiger. "Eine Alternative wirkt wie eine Ritterrüstung."

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