Litigator bei Freshfields: "Ich habe schon an fast jedem Landgericht in Bayern verhandelt"
Anstatt klassisch als Associate einzusteigen, hat Leonard Rehm als Litigator bei Freshfields Bruckhaus Deringer angefangen. Im Interview spricht er über die Besonderheiten des Berufs, über seine größten Herausforderungen und darüber, welche Kompetenzen man als Litigator mitbringen sollte.
Leonard Rehm arbeitet seit September 2022 als Litigator bei Freshfields Bruckhaus Deringer. Er ist am Standort Nürnberg der Mass Claims Unit (MCU, zu deutsch: Massenklageeinheit) tätig und vertritt seine Mandant:innen vor bayerischen Zivilgerichten. Diese neue Einheit der Konfliktlösungspraxis hat Freshfields Bruckhaus Deringer Anfang 2022 ins Leben gerufen.
Sie arbeiten als Litigator. Das ist ein neues Berufsfeld in einer Großkanzlei wie Freshfields. Bitte geben Sie uns Einblicke in Ihre Tätigkeit: Welchen Aufgaben gehen Sie genau nach?
Ein großer Bestandteil meiner Tätigkeit im Bereich Massenklageverfahren ist die Wahrnehmung von Gerichtsterminen an allen Gerichten im Sprengel meines Bürostandorts. Bin ich gerade nicht vor Gericht, bearbeite ich – je nach interner Zuständigkeitsverteilung – die Fristen für die jeweiligen Mandate in Teams.
Aktuell bin ich vorwiegend im Bereich Verfahrensbeendigung und der Führung von zweitinstanzlichen Verfahren tätig. Das umfasst neben der Prüfung und Abwicklung von Urteilen vorwiegend die Erstellung von Schriftsätzen in zweiter Instanz. Gerade auf diesen Workstreams sieht man sich immer wieder auch mit prozessualen und materiell-rechtlichen Problemstellungen im Einzelfall konfrontiert. Man kann also die in der juristischen Ausbildung erlernten Kenntnisse und Fähigkeiten vertiefen und ausbauen. Gemeinsam mit erfahreneren Anwältinnen und Anwälten geht man die Strategie durch und erlernt schnell, worauf es in den Schriftsätzen ankommt.
Wodurch zeichnet sich Ihr Arbeitsalltag aus?
Meinen Arbeitsalltag zu beschreiben, fällt mir tatsächlich gar nicht so leicht. Es gibt Tage, da bin ich ganztägig unterwegs und vor Gericht in einer der – meist mehr, manchmal auch mal weniger schönen – Städte (Süd-)Deutschlands. Der Büroalltag hingegen hängt stark von der aktuellen (Fristen-)Lage auf dem jeweiligen Mandat ab.
Nachdem ich ins Büro gekommen bin und mich mit meinen Kolleginnen und Kollegen ausgetauscht und geupdatet habe, schaue ich mir in der Regel zunächst die Fristenliste an. Das ist – zwar nicht immer, aber auch nicht selten – eine Art Wundertüte. Hier erfordern manchmal vermeintlich unscheinbare Stellungnahmefristen einiges an Input und Rücksprache. Auf der anderen Seite ist manchmal auch bei vermeintlich komplizierten Fristen im Ergebnis schlicht nichts zu veranlassen.
Insgesamt war das bisher aber immer händelbar, vor allem, weil man sich stets auf die Mithilfe der Kolleginnen und Kollegen im Team verlassen kann. Zum Büroalltag gehört aber natürlich auch das tägliche gemeinsame Mittagessen, gemeinsame Kaffeepausen und ab und zu auch mal das ein oder andere gemeinsame Feierabendbier.
Warum haben Sie sich gegen den "klassischen" Einstieg als Associate und für die Tätigkeit als Litigator entschieden?
Das Projekt MCU klang für mich gerade für den Berufseinstieg als Anwalt sehr vielversprechend. Denn man kann als Berufseinsteiger in kürzester Zeit wirklich viele Gerichtstermine wahrnehmen. Fast alle Anwältinnen und Anwälte bei uns im Nürnberger Büro sind noch keine zwei Jahre im Job, haben aber schon fast an jedem Landgericht in Bayern und an vielen Landgerichten in den umliegenden Bundesländern verhandelt.
Für mich persönlich war es zudem interessant, dass Freshfields eines der MCU-Büros in Nürnberg eröffnet hat und ich somit bei einer renommierten Adresse arbeiten kann und trotzdem in meiner Heimatregion, in der Nähe von meinen Freunden und meiner Familie bleiben konnte.
Für mich hat daher das Gesamtpaket aus Verantwortung direkt nach dem Berufseinstieg, heimatnahem Standort und attraktivem Gehalt einfach sehr gut gepasst. Über einen klassischen Einstieg als Associate habe ich dann nicht weiter nachgedacht. Wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich bei der Bewerbung auch nicht wirklich auf die Bezeichnung der Position geachtet.
Mit welchen Herausforderungen von Massenklageverfahren sehen Sie sich in Ihrem Arbeitsalltag regelmäßig konfrontiert? Und wie lösen Sie diese?
Wie der Begriff Massenklageverfahren bereits andeutet, hat man es täglich mit einer Vielzahl laufender Fristen zur ganzen Breite eines Gerichtsverfahrens zu tun. Ohne das Team und ein funktionierendes Konzept ist diese Masse natürlich nicht zu bewältigen.
Die größte Herausforderung ist, die laufenden Fristen unter Kontrolle zu behalten, was durch klare Abläufe, den Einsatz von Legal Tech und die Verteilung von Zuständigkeiten gut funktioniert. Dabei sind wir als Litigator sowohl in die (Weiter-)Entwicklung der Abläufe, der Tech-Tools als auch die Zuständigkeitsverteilung eng eingebunden und können uns hier proaktiv einbringen. Grundsätzlich erfordert die Arbeit viel Kommunikation im Team.
Wie gestaltet sich der Einsatz von Legal Tech in Ihrem Arbeitsalltag?
Legal Tech ist eine große Hilfe. Die digitalen Tools nehmen allen Beteiligten jede Menge Arbeit ab, machen die Vielzahl von Verfahren deutlich übersichtlicher und ermöglichen ein schnelles und flexibles Handeln in denjenigen Verfahren, bei denen es wirklich auf den Einzelfall ankommt. Die Effizienzsteigerung durch den Einsatz von Legal Tech ist enorm. Man merkt, dass sich bei Freshfields schon viele schlaue Köpfe mit der Entwicklung und Optimierung der Tools auseinandergesetzt haben. Diese werden von Tag zu Tag besser und hilfreicher.
Das reicht vom automatischen Auslesen und Ablegen von Schriftsätzen bis hin zur automatisierten Erstellung einfach gelagerter Schriftsätze und Anträge. Ganz ohne menschliche Kontrolle und anwaltlichen Input geht es aber natürlich nicht. Wenn im Einzelfall Besonderheiten auftreten, sich strategische oder rechtliche Fragen stellen, hat die Technik ihre Grenzen.
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Welche Fähigkeiten sind Ihrer Meinung nach besonders wichtig für die Arbeit als Litigator?
Für die Büroarbeit sind aufgrund der Arbeit im Team in erster Linie Sozialkompetenz und Teamfähigkeit sowie die Fähigkeit zur Selbstorganisation erforderlich. Als Einzelkämpfer stößt man hier schnell an seine Grenzen. Gerade im Bereich Massenverfahren sollte man in der Lage sein, dringliche von weniger dringlichen Aufgaben zu unterscheiden.
Für die Wahrnehmung von Terminen hingegen sind Professionalität und Flexibilität gefragt. Die Termine im Bereich Massenklageverfahren sind nicht selten kurz, wenn Gerichte und Terminwahrnehmer:innen schon viele gleichgelagerte Verfahren verhandelt haben und sich ein gewisses „Standardprozedere“ in der mündlichen Verhandlung eingestellt hat. Hier muss man gleichwohl aufmerksam bleiben und sich einen Blick für die Besonderheiten des Einzelfalls bewahren.
Es gibt auch Verhandlungen ohne Besonderheiten im Einzelfall. Hier kann es schon mal vorkommen, dass man eine längere Zugfahrt für eine Verhandlung auf sich nimmt, die nur zehn bis zwanzig Minuten dauert. Und es gibt Termine, die ein bis zwei Stunden dauern und in denen Sachverhalt und Rechtslage ausführlich erörtert werden. Da muss man natürlich sprechfähig sein und die juristischen Probleme in der Tiefe diskutieren können.
Hilfreich ist hier, dass man stets kompetente Ansprechpartner:innen zur Seite hat, die einen auf viele Situationen vorbereiten. Insofern stellt sich auch in diesen Verfahren schnell ein gewisser Ruhepuls ein. Ach ja, Zugfahren: Ein weiterer Vorteil der Tätigkeit ist natürlich, dass man ziemlich schnell im Bahnbonusprogramm der Deutschen Bahn aufsteigt!
Welchen Hintergrund bringen Sie persönlich mit?
Mir persönlich war es schon immer am liebsten, Aufgaben in einem Team zu bewältigen. Ob im Sportverein, in der Familie oder im Freundeskreis. Ich bin immer wieder begeistert, wenn es einem funktionierenden Team gelingt, die jeweiligen Stärken zusammenzuführen und zu optimieren.
Welche Kompetenzen konnten Sie sich während Ihrer bisherigen Tätigkeit zusätzlich aneignen?
Durch die Terminwahrnehmung und die tägliche Bewältigung der Masse mit den Kolleginnen und Kollegen baut man schnell Kompetenzen auf, die sicherlich für viele juristische Berufe nützlich sind. Für die Tätigkeit in der Justiz und Anwaltschaft ist die Erfahrung aus den Gerichtssälen sehr wertvoll. Man tritt mit vielen Richterinnen und Richtern sowie anderen Anwältinnen und Anwälten in Kontakt und kann sich hier einiges abschauen.
Für die Verwaltung oder die Tätigkeit als Unternehmensjurist sind die organisatorischen und sozialen Fähigkeiten, die man erlernt, hilfreich. Zum Beispiel lernt man, wie ein Team aufgebaut wird und wie Teamführung funktioniert. Außerdem finden regelmäßig Workshops statt. Wir hatten im letzten Jahr beispielsweise ein Stimm- und Sprechtraining, einen Workshop zum Verhandlungs- sowie einen weiteren zum Zeitmanagement.
Wem würden Sie den Einstieg als Litigator empfehlen? Und haben Sie Tipps für alle, die sich für diese Position interessieren?
Der Einstieg als Litigator eignet sich meiner Meinung nach für alle, die Interesse an Zusammenarbeit in einem jungen Team und einem einstiegsfreundlichen Beruf als (Prozess-)Anwalt haben, in dem frühzeitig ein hohes Maß an Eigenverantwortung übernommen werden kann. Die Arbeitsbelastung hängt meist von der jeweiligen Fristenlage ab: Es gibt immer mal wieder Phasen mit höherer und niedrigerer Fristenlast.
Die MCU ist auch immer noch relativ jung. Man kann also durch Eigeninitiative viel mitgestalten. Trotzdem hat man stets die Gewissheit, eine der renommiertesten Großkanzleien Deutschlands und damit die enorme Kompetenz und die große Hilfsbereitschaft eines sehr großen Teams im Rücken zu haben.
Das erleichtert den Einstieg in das Berufsleben enorm. Insofern erlebt man – auch wenn man nach einer Weile zu dem Schluss kommen sollte, dass der Bereich Massenverfahren nichts für immer ist – dieses Mindset, die Zusammenarbeit in der Großkanzlei und erste Prozesserfahrung und kann diese Erfahrung auch in eine andere juristische Tätigkeit übertragen.
Wie erleben Sie die Zusammenarbeit im Team bei Freshfields?
Es hat etwas von einem Start-up-Feeling. Das Team besteht aus vielen jungen Anwältinnen und Anwälten. Mit vier von ihnen war ich in Nürnberg zusammen im Referendariat. Insofern kannten wir uns schon zu Beginn der Tätigkeit und wussten gleich, dass wir uns gut verstehen. Man begegnet sich im Team auf Augenhöhe und jeder hilft jedem.
Bei den Teamevents war die Stimmung ausgelassen und die Feiern gingen nicht selten bis tief in die Nacht. Im Büroalltag sind die Stimmung und der Umgang dementsprechend locker. Das fördert nicht zuletzt auch die Effizienz und die Ergebnisse bei der Bewältigung der täglichen Aufgaben.
In Kooperation mit Freshfields Bruckhaus Deringer
Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit Freshfields Bruckhaus Deringer entstanden. Die Anwaltssozietät unterstützt führende Industrie- und Finanzunternehmen, Institutionen und Regierungen weltweit bei ihren Projekten, Transaktionen und Herausforderungen.