Bewerben in Oxford: Fragen über Fragen ... aus Oxford

Autor*innen
e-fellows.net Redaktion und Lino Wirag
Ein Mann sitzt mit Laptop auf dem Schoß auf einer riesigen Lupe. Im Hintergrund ein Fragezeichen.

Um in Oxford aufgenommen zu werden, musst du ein mittlerweile legendäres Aufnahmeverfahren bestehen. Ein wichtiger Teil davon sind Interviews, in denen Prüfer die Uni-Anwärter mit kniffligen Fragen aus ihrem Fachbereich löchern. Wir präsentieren hier echte Oxford-Fragen aus Fächern wie BWL, Jura oder Medizin. In den Kommentaren erklären die Prüfer, worauf sie in den Interviews besonders achten.

Biologie

Warum haben Löwen Mähnen?

Owen Lewis, Brasenose College: Einige der besten Interview-Fragen haben keine richtige oder falsche Antwort und führen potenziell in alle möglichen Richtungen. Bewerber könnten Ideen zur Funktion einer Löwenmähne beim Lesen oder durch Dokus erhalten haben. Das ist okay, aber ich würde auf ihre Antwort hin fragen, wie sie ihre Theorie überprüfen würden. Immer wenn ich diese Frage gestellt habe, gab es alle möglichen originellen Vorschläge: zum Beispiel Experimente, in denen man Löwen die Mähne abschneiden könnte, um herauszufinden, ob dies ihre Chancen beim anderen Geschlecht oder in Revierkämpfen verbessert.

BWL

Das Urlaubsrätsel

Alex und Brian sind Cousins. Sie planen einen viertägigen Urlaub in Venedig, für den jeder der beiden 400 Euro zur Verfügung hat (Flüge und Hotel sind bereits bezahlt). Während des Flugs diskutieren Alex und Brian, wie sie ihr Geld in den nächsten vier Tagen verwenden wollen.

Alex nimmt an, dass die Zufriedenheit, die er mit X Euro an einem beliebigen Tag erkaufen kann, proportional zu √X ist. Erklären Sie, in welches Verhältnis Ausgaben und Zufriedenheit hier gesetzt werden. Halten Sie Alex‘ Annahme für vernünftig? Wie sollte Alex seine Ausgaben in diesem Fall über die nächsten vier Tage verteilen? Brian weiß, dass er impulsiver ist als Alex: Er wird sich an einem bestimmten Tag besonders über seine Ausgaben freuen. Deshalb nimmt er an, dass die Zufriedenheit, die er sich an diesem Tag mit X Euro kaufen kann, proportional zu √(2X) ist. Gleichzeitig geht er davon aus, dass seine Zufriedenheit an den übrigen Tagen proportional zu √X ist. Wenn Brian diese Annahme für richtig hält, wie sollte er dann seine Ausgaben über die folgenden vier Tage verteilen?

Zusatzfrage: Inwiefern bietet dieses Rätsel Anstoß zu einer tagesaktuellen wirtschaftspolitischen Debatte?

Terry O'Shaughnessy, St Anne's College: Nach ein oder zwei recht allgemeinen Fragen ("Welches Wirtschaftsthema hat Ihnen in der Schule am meisten Spaß gemacht?") fahren wir fort mit diesem Rätsel, das der Kandidat zehn Minuten vor dem Interview erhält. Während des Gesprächs verwenden wir dann circa 10 bis 15 Minuten darauf.

An diesem Rätsel soll der Kandidat zeigen, dass er von der komplexen "echten Welt" abstrahieren und ein wirtschaftliches Prinzip auf die Situation anwenden kann. Für gewöhnlich handelt es sich um recht einfache mathematische Formeln (in diesem Fall legt die vorgegebene Nützlichkeitsfunktion zum Beispiel nahe, die Ausgaben gleichmäßig über die vier Tage zu verteilen). Wir erwarten aber nicht, dass der Kandidat irgendwelche komplizierten Rechnungen ausführt, obwohl eine Zeichnung oft hilfreich sein kann.

Jura / Rechtswissenschaften

Ich bin auf der Straße, als es anfängt zu regnen. Ich öffne die Tür eines unverschlossenen Autos und setze mich 15 Minuten hinein, bis der Regen aufhört. Habe ich das Auto "an mich genommen" ("taken")?

Ben McFarlane, Faculty of Law: Es gibt keine richtige Antwort auf diese Frage. Kann man ein Auto "an sich nehmen", ohne es zu fahren? Oder zu bewegen?

Wir wollen wissen, ob der Kandidat einen kohärenten Gedanken entwickeln kann. Ob er eine anfängliche Definition formulieren und diese dann anwendet (oder seine erste Definition weiter ausarbeitet). Ziel des Interviews ist immer, dem Bewerber die Möglichkeit zu geben, logisches Denkvermögen und Kommunikationsfähigkeit zu beweisen.

Angenommen, das Parken im Halteverbot stünde unter Todesstrafe und deshalb würde niemand mehr falschparken, läge dann ein gerechtes und wirkungsvolles Gesetz vor ("just and effective law")?

Liora Lazarus, St Anne's College: Ich erwarte nicht, dass die Kandidaten hier eine richtige oder falsche Antwort geben. Sie müssen vielmehr zeigen, dass sie sich der Probleme bewusst sind, die hier zusammenspielen.

Ein Kandidat, der zwischen "gerecht" und "wirkungsvoll" unterscheidet, ist auf einer guten Spur. Mit dieser Unterscheidung verändert sich nämlich auch der Sachverhalt: Ein gerechtes Gesetz kann trotzdem wirkungslos sein (oder umgekehrt).

Die Frage, ob die Strafe in einem angemessenen Verhältnis zum Vergehen steht, bezieht sich auf die Gerechtigkeit („justness“) des Gesetzes. Ob das Gesetz wirksam ist, wird dagegen schon durch die Formulierung der Eingangsfrage ("und es deshalb niemand mehr machen würde") beantwortet.

Informatik

Wie teilen die Piraten ihren Schatz auf?

Eine Gruppe von sieben Piraten hat 100 Goldmünzen ausgegraben. Jetzt stehen sie vor der schwierigen Aufgabe, die Münzen zu verteilen.

Sie entscheiden dabei nach uralten Piratenregeln:

Der älteste Pirat macht zuerst einen Vorschlag, wie die Münzen verteilt werden sollen.

Alle Piraten (einschließlich des ältesten Piraten) stimmen über den Vorschlag ab. Wenn die Hälfte der Piraten oder mehr dem Vorschlag zustimmt, gilt er als angenommen. Wenn weniger als die Hälfte annehmen, lassen sie den ältesten Piraten über die Planke gehen und beginnen von vorn. Der zweitälteste Pirat rückt damit zum ältesten Piraten auf und macht den nächsten Vorschlag.

Die Piraten denken streng logisch, sind dabei aber völlig rücksichtslos: Es geht ihnen nur darum, ihren Anteil am Schatz zu maximieren, ohne zu sterben.

Welche Aufteilung des Schatzes sollte der älteste Pirat vorschlagen?

Antwort: Der älteste Pirat muss mindestens drei seiner Kameraden mit seinem Vorschlag überzeugen. Den anderen drei kann er gefahrlos keine Münzen anbieten. Angenommen, die sieben Piraten wären dem absteigenden Alter nach mit den Buchstaben A bis G gekennzeichnet, dann müsste Pirat A (der älteste) den Piraten C, E und G jeweils eine Münze anbieten, die anderen drei (B, D, F) kann er leer ausgehen lassen. Pirat A selbst behält 97 Münzen. Warum? Weil C, E und G wissen, dass sie kein besseres Angebot kriegen: Wenn sie die eine Münze in dieser Runde (und in jeder der folgenden) ablehnen, und sich alle anderen Piraten ebenso logisch verhalten, bleiben in der sechsten Runde nur noch Pirat F und G übrig, von denen F alle 100 Münzen zufallen.

Brian Harrington, Keble College, zum Rätsel: Es handelt sich hier um ein Standardproblem aus der Logik, das sehr gut zeigt, welche Art von Fragen in unseren Interviews behandelt werden. Ich möchte hier sehen, dass die Bewerber das Problem in seine Bestandteile zerlegen können. Wichtig ist mir auch, dass sie Hinweise annehmen und sie sich durch einen komplexen Problemzusammenhang arbeiten, indem sie eine Art Algorithmus auf die Frage anwenden.

Ingenieurwesen / Maschinenbau

Wie würdest du eine Gewichtsstaumauer, die Wasser zurückhalten soll, konzipieren?

Byron Byrne, Department of Engineering Science: Diese Frage ist ausgezeichnet, denn der Kandidat muss zunächst die auf die Mauer wirkenden Kräfte bestimmen, bevor er die Stabilität der Mauer unter den Kräften bestimmen kann. Er erkennt wahrscheinlich, dass das Wasser die Mauer umstoßen könnte. Danach wird vom Kandidaten erwartet, mit einfachen mathematischen Gleichungen vorherzusagen, wann dies passieren könnte. Einige dieser Gleichungen werden Versagen durch Verrutschen, Probleme der Struktur oder Wasser unter der Mauer einkalkulieren. Der Kandidat wird in der Schule nicht alles Nötige für diese Frage gelernt haben, daher ist es wichtig, ihn anzuleiten, um zu sehen, wie schnell er neue Ideen verarbeitet. Die Frage testet, wie der Kandidat Physik oder Mathe in neuen Situationen anwendet und überprüft sein Interesse am Ingenieurwesen.

Geisteswissenschaften

J.K. Rowling hat nach ihrer extrem erfolgreichen Harry Potter-Reihe ein Buch für Erwachsene veröffentlicht. Auf welche Arten, denkst du, unterscheidet sich das Schreiben für Kinder von dem für eine erwachsene Zielgruppe?

Lucinda Rumsey, Mansfield College: Kandidaten, die mit Harry Potter aufgewachsen sind, haben vielleicht auch Rowlings anderes Buch gelesen und sich Gedanken über den Zielgruppenwechsel der Autorin und ihre eigene Wandlung als Leser von Kindern zu Erwachsenen gemacht. Aber auch ohne Rowlings Werke zu kennen, kann der Kandidat etwas über sich selbst als Leser und Rowlings Herangehensweise an verschiedene Arten von Büchern zu schreiben, sowie darüber, wie Autoren eine Geschichte entwickeln und für verschiedene Zielgruppen schreiben. Hauptsächlich möchte ich überprüfen, dass der Kandidat, unabhängig davon, was er liest, dies bewusst tut und darüber nachdenkt. Die Fähigkeit, kritisch über die Bücher, die man liest, zu denken, ist sehr wichtig. Ich mache mir Sorgen, dass nicht alle Kandidaten den gleichen Zugang zu einer großen Auswahl an Literatur haben und passe deswegen auf, sie nach ihrem Kenntnisstand zu beurteilen. Falls ich eine Frage über Shakespeare stellen würde, hätten einige Kandidaten ein Bild von seinem Werk, viele aber nicht. Wenn ich mit Harry Potter starte, hat jeder zumindest einen Ansatzpunkt. Und ich denke, Rowling verdient eine Erwähnung, da ich mir sicher bin, dass sich viele Leute für das Literaturstudium bewerben, die durch ihre Bücher zu begeisterten Lesern wurden.

Medizin

Viren, die uns infizieren, sind für ihre Reproduktion komplett von menschlichen Zellen abhängig. Ist es daher nicht überraschend, dass Viren bei Menschen Krankheiten verursachen?

Chris Norbury, The Queen’s College: Wie die meisten guten Fragen, könnte diese hier der Startpunkt für eine große Zahl an interessanten Gesprächen sein. Die meisten Kandidaten werden wissen, dass Viren im Grunde genetische Parasiten sind, aber hier suchen wir nicht wirklich nach faktischem Wissen.

In einer Diskussion würden sich starke Kandidaten mit dem Paradox auseinandersetzen, dass Viren uns für ihre Reproduktion brauchen, aber uns dennoch schaden. Sie könnten anbringen, dass einige unserer Reaktionen auf Vireninfektionen wie beispielsweise das Niesen die Verbreitung des Virus unterstützen. Der Interviewte könnte die Diskussion aber auch dahingehend lenken, dass Vireninfektionen mit einer erhöhten Sterblichkeitsrate in Verbindung stehen und ein Virus, das seinen Wirt komplett ausgerottet hat, selbst Gefahr liefe, auszusterben – außer, es würde eine andere Wirtsspezies ebenfalls infizieren können. Kandidaten könnten einige Beispiele von Viren anbringen, die von Tieren auf den Menschen übergesprungen sind.

Dann könnten wir den Kandidaten fragen, ob er es für möglich hält, dass es Viren gibt, die Menschen infizieren und sich erfolgreich reproduzieren, ohne irgendwelche Krankheitssymptome zu verursachen. Wie könnten wir solche Viren finden und charakterisieren? Diese Fragen testen Auswahlkriterien wie die Fähigkeit zur Problemlösung, kritischem Denken, Neugierde, Kommunikationsfähigkeiten und der Fähigkeit zuzuhören.

Für Interessierte

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