Bewerbung im Studium: Ein Ratgeber durch den Stipendien-Dschungel

Autor*innen
Anna Zimmermanns
Geschäftsmann überblickt Labyrinth

Stipendien sind etwas für Überflieger, so das Klischee. Aber stimmt das auch? Ein Ratgeber, welche Stipendien es gibt – und wer bei der Bewerbung helfen kann.

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Nie im Leben hätte Ramien Nek geglaubt, dass er sich einmal als Stipendiat bezeichnen könnte. Der 28 Jahre alte Physik-Student an der Universität zu Köln bringt einige Eigenschaften nicht mit, die für ein Stipendium als notwendig gelten. Er hat lediglich ein bescheinigtes Ehrenamt aus der Schulzeit, im Studium kann er nicht mit Bestnoten glänzen. "Dass ich es dann versucht habe, lag an einem glücklichen Zufall", erzählt Nek. Vor etwa drei Jahren hatte er sich beim Mittagessen mit einem Kommilitonen unterhalten, dabei sind sie auf das Thema Stipendium gekommen. Neks Bafög sollte bald auslaufen, finanziell wäre es eng geworden. "Mein Kommilitone hat mich dann ermutigt, mich zu bewerben", sagt Nek. Von ihm erfährt er vom Kölner Gymnasial- und Stiftungsfonds. "Die Chancen, mit einer Bewerbung Erfolg zu haben, stünden in meinem Fall gar nicht schlecht," behauptet der Studienfreund. Denn die Kölner Stiftung fördert nicht nur Überflieger. Also bewirbt Nek sich - mit Erfolg.

Gerade Studierende wie Nek, deren Familien keinen akademischen Hintergrund haben, wissen oft kaum etwas über Stipendien - dabei ist es oft weniger schwierig als angenommen, ein Stipendium zu bekommen. Denn die Auswahl an Stipendien ist größer als gedacht, und viele Stiftungen schreiben sich explizit auf die Fahnen, Menschen mit Migrations- oder nichtakademischem Hintergrund zu fördern. Neben den großen, oft parteinahen Begabtenförderungswerken gibt es viele kleine Stiftungen, die finanzschwachen Studierenden unter die Arme greifen - etwa die Otto-Benecke-Stiftung, die Claussen-Simon-Stiftung oder eben den Kölner Gymnasial- und Stiftungsfonds.

Organisationen können helfen

Viele Stiftungen bieten viele Chancen. Gleichzeitig kann es Studierenden schwerfallen, sich im weitläufigen Dschungel der Geldgeber zurechtzufinden. Bei der Auswahl geeigneter Stiftungen und bei der Bewerbung gibt es deshalb Hilfe von gemeinnützigen Organisationen wie zum Beispiel Applic Aid oder My Stipendium. Letztere bietet als Internetplattform einen Suchalgorithmus, der passend zum Bewerberprofil nach Stiftungen sucht - und spuckt dann eine Vorauswahl aus. Ein Profil lässt sich dort schnell und einfach erstellen. Es werden Infos abgefragt zum Studiengang oder zu bisherigen Berufserfahrungen, aber auch zum persönlichen Hintergrund. Nur wenige Stipendien sind an allzu spezifische Bedingungen geknüpft - zum Beispiel an ein bestimmtes Thema in der Bachelor- oder Masterarbeit.

Wer sich durch die Vorauswahl gewühlt hat, der kann mit Applic Aid weitermachen. Das Ziel von Applic Aid ist, Studierenden mit bildungsbenachteiligtem Hintergrund zu einem Stipendium zu verhelfen. Die Organisation bietet Studierenden kostenlose Hilfe bei der Vorauswahl der Stiftungen an, unterstützt aber auch bei der Vorbereitung der Bewerbungsgespräche und der notwendigen Unterlagen. Dazu gehören nämlich eine ganze Menge: ein Motivationsschreiben, ein Lebenslauf, Empfehlungsschreiben von Dozenten, Abschlusszeugnis und der Nachweis eventueller Ehrenämter, Einkommensnachweise, meist auch von den Eltern. Die Mentoren, allesamt ehemalige Stipendiaten, begleiten und unterstützen die sogenannten "Mentees" im gesamten Bewerbungsprozess und stehen mit Rat und Tat zur Seite - bis die Bewerbung steht und der Mentee fit für das Auswahlgespräch ist.

Nicht immer klappt es sofort

Dieses Angebot hat auch Jessica Esser genutzt, Biologie-Studentin und Stipendiatin der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung an der Uni Leipzig. "Erst durch die - auch mentale - Unterstützung von Applic Aid hatte ich Zuversicht, dass das mit dem Stipendium noch klappen könnte", sagt sie. Essers erste Bewerbung auf ein Stipendium bei der linken Rosa-Luxemburg-Stiftung war erfolglos. "Da hatte mich schon ein wenig der Mut verlassen", erinnert sich die heute 24-Jährige. Wie bei Physik-Student Nek hat es auch bei Esser schlussendlich funktioniert. Auch ihre Eltern sind keine Akademiker. "Zur Zeit meiner Bewerbung hatte ich zwei Nebenjobs", sagt sie. Das ging zulasten der Leistung, die Esser im Vollzeitstudium bringen muss. Dank des Vollstipendiums kann sie nun ohne finanzielle Sorgen studieren.

Es sind die Motivations- und Empfehlungsschreiben, die für viele potentielle Stipendiaten eine besondere Hürde darstellen, da sind sich Esser, Nek und die beiden Organisationen Applic Aid und My Stipendium einig. Sie helfen deshalb gezielt bei der Erstellung des Motivationsschreibens an die adressierte Stiftung. Nicole Heßberg, eine der acht ehrenamtlichen Berater von Applic Aid, berichtet: Der Bedarf nach Hilfe wächst stetig. "Die Beratungstermine sind schnell ausgebucht, manchmal schon einige Wochen im Voraus", sagt Heßberg. "Wir sehen, dass der Bedarf an Austausch über Stipendien und eine gezielte Beratung gebraucht werden." Denn die gezielte Beratung macht sich bezahlt: Stipendien im Wert von mehr als 1.000.000 Euro wurden schon an die Mentees von Applic Aid vergeben.

Kleinere Stiftung als Chance

Auch Zahlen unabhängiger Untersuchungen belegen den Erfolg von Stipendienplattformen: In einer groß angelegten Studie zu Stipendien in Deutschland fand die Stiftung Mercator heraus, dass "Internet-basierte Stipendienplattformen wie My Stipendium helfen, die Stipendiatenquote zu erhöhen". Vor der Nutzung der Plattform hatten 4,2 Prozent der Studienteilnehmer ein Stipendium, nach Nutzung hingegen 22 Prozent. Vor allem, weil sie unterstützen, die Stipendienbewerber zu den passenden, oftmals kleinen und unbekannten Stiftungen zu führen. Die Studie zeigt auch: Studierende haben mit mehr als 30 Prozent Erfolgsquote die besten Chancen auf ein Stipendium bei einer kleineren Stiftung. Im Gegensatz dazu liegt die Quote bei einem der 13 Begabtenförderungswerke, darunter etwa die Friedrich-Ebert-Stiftung oder die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung, nur bei 13,5 Prozent.

"Bei den kleinen Stiftungen fehlt einfach oftmals die professionelle Öffentlichkeitsarbeit und Transparenz, die werden deshalb schlichtweg nicht von den Studierenden gefunden. Aus diesem Grund werden dort sogar Fördermittel teilweise nicht komplett abgerufen", sagt auch Thomas Erdle, Geschäftsführer des Kölner Gymnasial- und Stiftungsfonds. "Wegen ungünstiger gesetzlicher Rahmenbedingungen und weil Stiftungen sich in der Kooperation oft schwertun, aber auch nach jetziger Gesetzeslage kaum fusionieren können, werden mehr als 50 Prozent des in Deutschland vorhandenen Stiftungskapitals nicht wirtschaftlich genutzt", schätzt er. "Aber umgekehrt ist natürlich dann die Chance auf ein Stipendium bei kleinen Stiftungen umso größer." Bei seiner Stiftung bekommen im Schnitt rund 140 der 450 Bewerber ein Stipendium - eine Erfolgsquote von etwa 30 Prozent.

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6.000 Auslandsstipendien weniger

Doch leider gibt es auch schlechte Nachrichten für Studierende, die sich für ein Stipendium bewerben möchten. Im Juni 2022 machte der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) bekannt, dass die Fördermittel, die er vom Auswärtigen Amt jährlich bekommt, um zehn Prozent gekürzt würden - und es 2023 abermals einen Einschnitt geben werde. Eine Kürzung, die sich auch bei der Auslandsstipendienvergabe bemerkbar machen wird: Rund 6.000 Stipendien vom DAAD werden im kommenden Jahr wegfallen.

Einen Lichtblick gibt es aber für alle, die gern ein oder mehrere Semester lang im Ausland studieren möchten: Auslandsstipendien sind ebenfalls bei kleineren Stiftungen zu bekommen, zum Beispiel bei der Schmittmann-Wahlen-Stiftung.

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