Selbstsabotage in der Beziehung: "Wenn man selbst die Beziehung zerstört, kann es der andere nicht tun"

Autor*innen
Cora Wucherer
Eine Frau versucht den richtigen Partner zu finden

Wer Beziehungen beginnt, sie aber nicht aufrechterhalten kann, sabotiert sich möglicherweise selbst. Oft geht es um Kontrolle. Aber aus dem Muster kann man ausbrechen. Interview: Cora Wucherer

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Beziehungen und Partnersuche scheitern oft an Selbstsabotage, sagt Raquel Peel. Sie hat ihre Doktorarbeit in Philosophie über Sabotage in romantischen Beziehungen geschrieben und eine wissenschaftliche Skala dazu entwickelt. Ihr Interesse hat auch viel mit ihrer Familiengeschichte zu tun. Dieser Artikel ist Teil von ZEIT am Wochenende, Ausgabe 15/2024.

ZEITmagazin ONLINE: "Ich fühle mich konstant kritisiert von meinem Partner", "Ich werde unfairerweise für Probleme in meiner Beziehung beschuldigt", "Ich werde oft eifersüchtig" – diese Sätze stammen aus der "Relationship Sabotage Scale", die Sie entwickelt haben, Frau Peel. Wenn alle oder nur einzelne Sätze auf mich zutreffen, sabotiere ich dann meine Beziehung?

Raquel Peel: Das kann gut sein. Manche Menschen stecken in einem Kreislauf fest, in dem sie erfolgreich eine Beziehung beginnen, aber nicht in der Lage sind, sie langfristig aufrechtzuerhalten. Die Trennung ist programmiert. Andere bleiben in einer Langzeitbeziehung, sind aber unglücklich, und wieder andere gehen gar keine Beziehung ein. Beziehungsselbstsabotage kann dieses Phänomen erklären.

ZEITmagazin ONLINE: Was genau ist Beziehungsselbstsabotage?

Peel: Typische Verhaltensweisen, die eine romantische Beziehung – oder auch schon ihr Entstehen – kaputt machen. Ich habe Psychologen interviewt, die sich auf romantische Beziehungen spezialisiert haben, und 600 Menschen weltweit zu ihren Beziehungsgeschichten befragt. Diese Menschen zeigten vor allem drei Verhaltensmuster: Sie verhalten sich abwehrend, haben Vertrauensschwierigkeiten und ihnen fehlen Beziehungsfähigkeiten. Viele Menschen wissen nicht, was es bedeutet, in einer Beziehung zu sein, weil sie jung sind oder keine guten Vorbilder haben. Eine Beziehung bedeutet immer auch Arbeit. Was mich überrascht hat, ist, dass vielen gar nicht bewusst ist, dass sie immer wieder in die gleichen Muster verfallen. Es ist eben einfacher, andere dafür zu beschuldigen, dass die Beziehung nicht läuft, als an sich selbst zu arbeiten.

ZEITmagazin ONLINE: Warum sabotieren Menschen ihre Beziehungen?

Peel: Die Gründe reichen von geringem Selbstwertgefühl bis hin zu unrealistischen Standards. Eine Teilnehmerin meiner Studie, 34 Jahre alt, gab zum Beispiel an: "Ich meide Menschen, die mich mögen. Ich glaube, mit denen stimmt etwas nicht." Der hervorstechendste Trend war jedoch, dass Menschen die Liebe sabotieren, um sich selbst zu schützen. Sie haben Angst, verlassen zu werden oder nicht mit ihrem Partner zusammenzupassen und verletzt zu werden, wenn sie sich anvertrauen. Wenn man selbst die Beziehung kaputt macht, kann es der andere nicht tun – das ist eine Form der Kontrolle.

ZEITmagazin ONLINE: Woher kommt das?

Peel: Meistens hat das seinen Ursprung darin, dass diese Personen in vorherigen Beziehungen schlechte Erfahrungen gemacht haben, mit ihren Eltern oder ersten Partnern. Manche Menschen sind auch in einem Kreislauf gefangen, in dem sie vorgeben, glücklich zu sein. Deswegen arbeiten sie nicht an ihrer Beziehung, obwohl sie tief im Inneren unglücklich sind. Weil sie versuchen, diesen Schein aufrechtzuerhalten, funktioniert die Beziehung letztlich nicht. Man kann keine gesunde Langzeitbeziehung haben, wenn man sich nicht verletzlich macht. Aber statt das zu tun, reagieren viele Menschen mit Kritik, Abwehr, Verachtung und Stonewalling. Der Psychologe John Gottman hat diese vier Verhaltensweisen als "vier apokalyptische Reiter" bezeichnet. Das finde ich sehr passend.

ZEITmagazin ONLINE: Die ersten drei sind ziemlich selbsterklärend, aber können Sie Stonewalling genauer erklären?

Peel: Stonewalling ist ebenfalls ein Abwehrmechanismus. Die Menschen sind zwar physisch anwesend, reagieren aber nicht, hören nicht zu oder antworten nicht. Andere verlassen den Raum, sagen: "Ich will nicht streiten." So blocken sie Konflikte ab. Aber wer Konflikte abblockt, bearbeitet sie nicht.

ZEITmagazin ONLINE: Gilt das nur für romantische Beziehungen oder auch für Freundschaften?

Peel: Dazu habe ich nicht geforscht, aber aus anekdotischer Evidenz würde ich sagen: Menschen verhalten sich in jeder Art von Beziehung ähnlich, das gilt auch für Freundschaften oder unter Kolleginnen. Wenn man an seinen eigenen Mustern arbeitet, kann man alle Beziehungen verbessern.

Bei Selbstsabotage in der Liebe helfen Einsicht und Erwartungsmanagement

ZEITmagazin ONLINE: Welche Tipps können Sie dafür geben?

Peel: Menschen, die sich regelmäßig selbst sabotieren, leben eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Sie reden sich ein, dass sie nicht fähig sind, eine Beziehung zu führen – und dann scheitert die Beziehung tatsächlich. Es ist, als würden sie in eine Kristallkugel blicken und genau wissen, was passieren wird. Der erste Schritt ist deshalb Einsicht. Sie müssen sich fragen: Welche Einstellungen und Verhaltensweisen zeige ich in meinen Beziehungen? Brauche ich viel Bestätigung von meinem Partner? Werde ich nervös, wenn es ernst oder eng wird? Der zweite Schritt ist Zusammenarbeit. Wenn man in einer Beziehung ist, ist man nicht in einem luftleeren Raum. Man braucht die andere Person, um an sich selbst zu arbeiten. Der letzte Schritt ist, Erwartungen zu managen. Habe ich unrealistische Erwartungen oder Forderungen an meinen Partner? Wenn das Verhalten so tief sitzt, dass man allein nicht rauskommt, sollte man sich therapeutische Hilfe suchen.

ZEITmagazin ONLINE: Unrealistische Erwartungen an potenzielle Partner haben manche Singles auch. Ist das ebenfalls eine Form der Selbstsabotage?

Peel: Viele Singles suchen den "perfekten" Partner und springen deshalb von Beziehung zu Beziehung. Sie kommen nie über das Anfangsstadium einer Partnerschaft hinaus. Schon nach ein paar Wochen oder Monaten denken sie: "Ich finde jemand besseren." Fragen Sie sich: Wie beurteile ich, ob der andere ein geeigneter Partner ist oder nicht? Nehme ich mir genug Zeit dafür? Man verpasst wunderbare Gelegenheiten, jemanden kennenzulernen, der vielleicht wundervoll ist, weil man zu schnell vorgeht. In einer Studie erzählte jemand zum Beispiel, dass er sich in einer Bar mit einer Frau unterhalten hatte, das Gespräch aber aus irgendeinem Grund uninteressant fand. Er holte während des Dates sein Handy heraus, öffnete eine Dating-App und suchte nach anderen Frauen in der Nähe, die er treffen könnte.

ZEITmagazin ONLINE: Sie würden ihm also raten, das Handy wegzupacken und der Person, die vor ihm sitzt, eine Chance zu geben?

Peel: Exakt. Menschen finden schnell einen Grund, warum eine Beziehung nicht funktionieren kann. Eine Bekannte erzählte mir, dass sie auf ein Date ging und der Mann eine große, sehr auffällige Gürtelschnalle trug. Das war ein Zeichen für sie, ihn kein zweites Mal zu treffen. Sie meinte, ein Sinn für Mode sei ihr wichtig. Außerdem würde die Schnalle auf einen Country-Lifestyle hinweisen, der nichts für sie sei. Aber wenn Sie jemanden aufgrund eines winzigen Aspekts seiner Mode oder seiner Persönlichkeit schnell einschätzen, liegen Sie womöglich falsch und verpassen die Chance auf eine großartige Beziehung. Eine Gürtelschnalle ist kein Argument gegen eine Beziehung. Wir sortieren zu schnell aus. Wenn jemand allerdings unfreundlich oder gar aggressiv zum Kellner ist, sind das tatsächlich Anzeichen, die man ernst nehmen sollte.

Die Hauptursache ist Angst

ZEITmagazin ONLINE: Sie forschen gerade dazu, wie demografische Faktoren und Flirtstile Beziehungsselbstsabotage beeinflussen. Können Sie zu der Studie schon mehr sagen?

Peel: Ich schaue mir unter anderem an, welche Rolle Geschlecht und sexuelle Orientierung spielen. Im Großen und Ganzen gibt es nicht so viele Unterschiede. Das hat mich überrascht. Unabhängig davon, wer wir sind und wie und wen wir lieben, scheint es so zu sein, dass Angst der Hauptgrund ist, den wir alle gemeinsam haben. In einigen homosexuellen Beziehungen ist Vertrauen die größte Schwierigkeit. Das geht darauf zurück, dass manche homosexuelle Menschen ein schwieriges Coming-out hatten und dabei schlechte Erfahrungen gemacht haben.

ZEITmagazin ONLINE: Sie sagen, dass Sie selbst aufgrund Ihrer Familiengeschichte auch zur Beziehungsselbstsabotage neigen.

Peel: Ja, ich wurde nach meiner Geburt in einem öffentlichen Krankenhaus zurückgelassen. Ich war eine Frühgeburt und sehr krank. Später wurde ich adoptiert von der Krankenschwester, die sich um mich kümmerte, und ihrem Mann. Ich habe eine sehr liebevolle Familie. Als Babys und Kinder haben die meisten Menschen noch keine traumatischen Erfahrungen gemacht, sondern wollen einfach lieben und geliebt werden. Aber wenn man einmal verletzt wird, wird es unser Instinkt, uns zu schützen. Meine leiblichen Eltern haben mich verlassen. Das führt bei mir zu dem Glaubenssatz, dass ein romantischer Partner mich auch leicht verlassen kann.

ZEITmagazin ONLINE: Sie bezeichnen sich daher selbst als Beziehungsselbstsaboteur "in recovery". Haben Sie manchmal Rückfälle?

Peel: Klar, fragen Sie meinen Mann! Wenn ich bei der Arbeit oder bei der Kindererziehung Stress habe, neige ich dazu, zur Selbstsabotage zurückzukehren und zu versuchen, meine Beziehung zu vermeiden. Dann tagträume ich mich lieber in ein ruhiges, einfacheres Leben, statt an meiner Beziehung zu arbeiten.

ZEITmagazin ONLINE: Machen Sie Fortschritte?

Peel: Das ist etwas, woran ich möglicherweise für den Rest meines Lebens arbeiten muss. Aber mein Mann gibt mir Sicherheit. Ich liebe meinen Mann und ich kann mir vorstellen, dass wir für immer zusammenbleiben. Mich daran zu erinnern, hilft mir, mich zu beruhigen.

Raquel Peel

37 Jahre alt, lehrt Psychologie am College of Health and Biomedical Sciences der RMIT Universität in Bundoora in Australien und forscht aktuell dazu, wie demografische Merkmale, Beziehungsfaktoren und Flirtstile zur Beziehungsselbstsabotage beitragen. Ihr TedTalk zur Beziehungsselbstsabotage hat mehr als 220.000 Aufrufe.

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