Energiekosten: Mein Mitbewohner hat gerne auf tropische Temperaturen hochgeheizt

Autor*innen
Alexandre Kintzinger und Tülay Karakuş
Ein Geldschein hängt an einem Faden, von unten streckt sich eine Hand danach.

Die Stromrechnung, die Lebensmittelpreise – alles steigt. Fünf junge Menschen erzählen, was sie vom 200-Euro-Geschenk der Regierung halten und wie sie jetzt sparen.

Wegen der Energiekrise fürchten sich viele vor der nächsten Gas- und Stromabrechnung. Die gestiegenen Lebensmittelpreise belasten zusätzlich die Finanzen vieler Studierender. Wir haben unsere Leser:innen dazu aufgerufen, zu erzählen, wie stark sie die Krise trifft und was sie von den Hilfsmaßnahmen der Regierung halten. Fünf haben wir ausführlicher befragt.  

Ich bin sehr froh, dass sich meine Mitbewohner:innen alle so reinhängen
Jakob

Jakob, 23 Jahre alt, wohnt in Leipzig und studiert Jura

Als ich vor ein paar Wochen eine normale Gurke in der Hand hatte und ihren Preis sah, musste ich erst mal schlucken – 1,10 Euro. Da habe ich realisiert, wie teuer alles geworden ist. Jetzt bemerke ich es bei jedem Einkauf. Der Preisanstieg besorgt mich. Um etwas Geld zu sparen, planen wir in der WG unsere Einkäufe zusammen und gehen überwiegend in Discountern einkaufen. 

Ich bin sehr froh, dass sich meine Mitbewohner:innen alle so reinhängen. Wir sprechen im Moment sehr viel darüber, wie wir im Winter Energie sparen können. Wir wohnen in einer nicht renovierten Altbau-Wohnung, unter all den Türen und Fenstern zieht es hier. Jetzt machen wir die Wohnung wintertauglich. Wir wollen möglichst viel Fläche mit Teppichen auslegen. Wir haben die Fenster abgedichtet. Meine Mitbewohnerin näht gerade Vorleger für die Türen. Außerdem haben wir beschlossen, dass wir jetzt immer direkt nacheinander duschen gehen, damit wir das Bad nur einmal lüften müssen. Leider hat der Vermieter unsere Anfrage abgelehnt, die Heizungen zu warten. Er habe keine Zeit dafür, sagt er.

Ich kann schlecht einschätzen, wie teuer das Heizen wird. Ich bin gerade erst in die Wohnung gezogen. Deshalb lege ich jetzt jeden Monat 100 Euro zur Seite. Ich gehe nur noch selten in die Mensa oder zum Imbiss. Mittlerweile koche ich am Abend große Portionen für die Mittagspause vor. Und wenn ich mit Freund:innen unterwegs bin, dann esse ich doch lieber zu Hause, statt mit ihnen noch eine Pizza zu essen. Ich befürchte aber, dass das nicht ausreicht, und ich irgendwann mein Erspartes anbrechen muss. Ich habe schon ganz früh im Studium angefangen, Geld für die Examensvorbereitung zu sparen. Von dem Geld, das mir meine Eltern jeden Monat überweisen, ging ein kleiner Teil zur Seite. Außerdem habe ich noch fünf Stunden die Woche als studentische Aushilfskraft gearbeitet. Der Gedanke, dass ich jetzt an dieses Geld ran muss, gibt mir ein mulmiges Gefühl.

Ich freue mich, dass die Regierung sich dafür entschieden hat, uns Studierende mit 200 Euro zu unterstützen. Während der Pandemie habe ich mich als Student ziemlich alleingelassen gefühlt. Der Betrag wird zwar die gestiegenen Kosten nicht ausgleichen können, dafür müsste viel mehr passieren, aber immerhin scheinen meine Probleme zum ersten Mal seit einigen Jahren von der Politik gesehen zu werden.

Ich musste 80 Euro Nebenkosten nachzahlen 
Ivy
Es ist komplett lachhaft, dass es nicht mehr Unterstützung gibt
Ivy

Ivy, 20 Jahre alt, kommt aus Bremen und studiert Informatik.

Ich habe bald Geburtstag und ehrlich gesagt habe ich nur einen Wunsch: einen neuen Kühlschrank. Das ist einer meiner größten Stromschlucker. Seit meinem Auszug vor zwei Jahren führe ich ein Haushaltsbuch und sehe, wie meine Lebenshaltungskosten um circa 25 Prozent gestiegen sind. Dabei habe ich nichts an meinem Einkaufsverhalten geändert. Ich studiere Informatik und arbeite nebenbei noch als Programmierer. Entwickler werden gerade gesucht, deshalb bekomme ich einen relativ hohen Stundenlohn. Ich habe das Glück, dass mir meine Eltern jeden Monat 830 Euro überweisen. Aber meine gestiegenen Ausgaben fressen den Unterhalt komplett auf. Ohne meinen Nebenjob könnte ich mir gar keine neuen Klamotten, keine Regale für meine immer noch im Aufbau befindliche Küche, keine Süßigkeiten oder Reparaturen, falls irgendetwas kaputtgeht, leisten.

Ich habe mir mal meine Energiekosten genauer angesehen und durchgerechnet, was auf mich zukommen wird. Allein meine Stromrechnung wird sich wahrscheinlich verdreifachen. Zusammen mit den steigenden Gaspreisen wären die 200 Euro, die es als Einmalzahlung vom Staat gibt, innerhalb eines Monats schon weg.

Für mich gibt es leider keine weitere Unterstützung: Für Wohngeld verdiene ich mit meinem Minijob und Unterhalt zu viel, Bafög berechtigt bin ich auch nicht. Ich würde mir wünschen, dass diese Hilfen mehr Menschen erreichen. Ich finde, es sollte über eine Ausweitung des Bafög, sowie des Wohngeldes nachgedacht werden. Jeder sollte zumindest den Anspruch auf einen geringen Betrag haben, das würde auch vielen meiner Nachbarn sehr viel Druck nehmen. Es ist komplett lachhaft, dass es nicht mehr Unterstützung gibt, aber Energieunternehmen Milliarden an ihre Anteilseigner ausschütten. Ein Heizkostenzuschuss jeden Monat würde mir sehr helfen. Außerdem weiß niemand, wann und wie die 200 Euro kommen

Ich bin Anfang dieses Jahres aus meiner WG in eine eigene Wohnung gezogen. Später kam eine Zahlungsaufforderung. Ich musste 80 Euro Nebenkosten nachzahlen. Bis dahin habe ich mir gar keine Gedanken über die steigenden Energiekosten gemacht. Wobei ich nicht so ganz sagen kann, wie viel ich davon selbst verursacht habe. Mein Mitbewohner hat seine Räume gerne auf tropische Temperaturen hoch geheizt. Obwohl ich jetzt allein lebe, stelle ich mich auf eine hohe Nachzahlung ein. Meine neue Wohnung ist noch schlechter gedämmt als die alte.

Ich versuche deshalb schon jetzt zu sparen. Mein Kühlschrank, damals gebraucht gekauft, verbraucht mehr Strom als mein selbst zusammengebauter Computer. Dafür habe ich mir jetzt Geld von meinen Eltern geliehen, um einen energieeffizienten Kühlschrank zu kaufen. Damals habe ich 150 Euro in die Hand genommen, um mir ein besseres Netzteil zu kaufen. Das war im Nachhinein eine gute Entscheidung, pro Tag spare ich so schon etwa einen Euro. Die LEDs, die meinen Rechner in allen Regenbogenfarben beleuchten, sind jetzt aus, auch wenn es sich da nur um eine Einsparung von unter einem Watt handelt. Aber gespart ist gespart.

Ich brauche drei Nebenjobs, um über die Runden zu kommen
Leonie

Leonie, 27 Jahre alt, wohnt in Heidelberg und studiert Molekularbiologie. Zum Schutz ihrer Privatsphäre möchte sie anonym bleiben.

In der letzten Augustwoche kam der Schock: Ich hatte nichts mehr auf dem Konto und musste meine Eltern um Geld bitten, damit ich einkaufen gehen konnte. Das war ein komisches Gefühl, sie noch mal zusätzlich nach Geld zu fragen. Sie unterstützen mich schon ohnehin monatlich, da ich nicht für Bafög berechtigt bin. Aber dieser Sommer war besonders: Erst bin ich nach einem Auslandspraktikum wieder zurück nach Heidelberg gezogen. Der Umzug war sehr kostspielig – ich glaube, das ist bei Menschen ohne große Rücklagen und niedrigem Einkommen immer eine Hürde. Und dann habe ich die steigenden Lebensmittelpreise so richtig gespürt.  

Ich brauche drei Nebenjobs, um über die Runden zu kommen. Gerade habe ich zwei Nebenjobs als studentische Aushilfe und habe neulich mit dem Babysitten angefangen. Das ist sehr bitter. Eigentlich müsste ich mich jetzt auf meine Masterarbeit konzentrieren. Allein das kommt einem Vollzeitjob gleich. Stattdessen arbeite ich gerade 33 Stunden die Woche. Ich spiele sogar mit dem Gedanken, ein Urlaubssemester anzumelden, um Geld zurücklegen zu können. 

Dabei ist mein Lebensstandard gar nicht so hoch: Ins Fitnessstudio gehe ich nicht mehr, manchmal gehe ich mit Freund:innen noch essen, aber ich verzichte immer mehr aufs Ausgehen. Doch neben den gewöhnlichen Ausgaben für Miete und Lebensmittel zahle ich eine kleine Summe zur Altersversorgung ein und jeden Monat eine Rate von 120 Euro für einen Studienkredit ab. Ich bin sehr froh, dass meine Eltern immer noch die Kosten für meine Krankenversicherung übernehmen. 

Um einen Überblick über meine Ausgaben zu haben, führe ich jetzt ein Haushaltsbuch. Außerdem nutze ich diverse Apps, um Angebote in Discountern zu checken. Wenn ich etwas entdecke, fahre ich mit dem Fahrrad hin und kaufe auf Vorrat. Außerdem habe ich nun Teppiche gekauft, damit ich nicht so viel heizen muss. Und Mehrfachsteckdosen, die ich ausschalten kann, um Strom zu sparen.

Aber ich mache mir Sorgen, ob das reicht. Ich wohne im Studentenwohnheim und zahle eine Nebenkostenpauschale. Das bedeutet: Ich bin abhängig von meinen Mitbewohner:innen im Wohnheim. Außerdem darf das Wohnheim einmal jährlich die Miete um fünf Prozent erhöhen. Es gehört einem privaten Betreiber. Zu meinem Einzug haben sie die Miete schon erhöht. Da ich erst frisch eingezogen bin, kann ich nicht einschätzen, inwiefern sie auch nächstes Jahr davon Gebrauch machen werden. Wenn die Miete erhöht werden sollte, muss ich mir eine günstigere WG suchen, auch wenn der Umzug dann wieder sehr teuer für mich wird.

Ich bin überhaupt kein Freund von diesen 200 Euro Soforthilfen 
Philipp
Ab Oktober müssen wir fast 100 Euro mehr im Monat zahlen 
Linda

Linda, 23 Jahre alt, wohnt in Karlsruhe und studiert Chemieingenieurwesen und Verfahrenstechnik.

Ich habe langsam ein bisschen Angst vor unserem Briefkasten. Weil wir in der WG selbst für Strom und Gas zuständig sind, schreiben uns die Stadtwerke immer direkt. Gefühlt haben wir jeden Monat einen Brief im Kasten, der neue Preissteigerungen angekündigt. Ab Oktober müssen wir fast 100 Euro mehr im Monat zahlen.

Ich bin in der glücklichen Situation, finanziell quasi von zu Hause ausgehalten zu werden. Aber das hat natürlich auch seine Grenzen. Immerhin sind meine Geschwister schon mit ihrem Studium fertig. Anders als meine Mitbewohner:innen kann ich in den Semesterferien nicht arbeiten. Das lässt mein Studiengang nicht zu. Wir haben in den Ferien so viele Prüfungen. Doch mit Blick auf die steigenden Preise habe ich mir jetzt doch einen Nebenjob gesucht. Ich habe in der Vorlesungszeit als Kellnerin gearbeitet, den Job aber recht schnell wieder gekündigt, da ich einfach zu wenig Zeit dafür hatte und die Bezahlung auch nicht gut war. Aktuell halte ich einen einwöchigen Vorkurs für Erstsemester, der zum Glück sehr gut bezahlt wird und mich ein paar Monate über die Runden bringt.

Die 200 Euro, die Studierende bekommen sollen, sind besser als gar nichts, keine Frage. Aber die Preise sind so hoch, da bräuchte es bald noch mal eine Zahlung. Das ist ja schnell weg. Mich beschäftigt, wie es nach meinem Studium weitergehen soll. Kann ich es mir überhaupt leisten, ein schlecht bezahltes Praktikum zu machen? Muss ich gleich arbeiten? Wenn die Krise jetzt aktuell so weiter verläuft, dann werde ich wohl mit der Masterarbeit anfangen, um danach schnell einen Job zu finden. Meine Mitbewohnerinnen sind derzeit noch nicht so weit im Studium. Sie sagen, für sie wird es zusehends schwieriger, das weitere Studium noch zu finanzieren.

Ich verstehe nicht, warum man die 200 Euro mit der Gießkanne raushauen muss
Philipp

Philipp, 24 Jahre alt, wohnt in Düsseldorf und studiert Betriebswirtschaftslehre.

Ich bin überhaupt kein Freund von diesen 200 Euro Soforthilfen. Ich kriege die Zahlung auch und ich brauche sie nicht. Es gibt so viele Studierende aus sehr gut situierten Familien. Man sollte dieses Geld besser verteilen.

In unserer 2er WG sehen wir erst mal keine unmittelbare Not. Wir haben eine relativ kleine Wohnung, ungefähr 57 Quadratmeter. Bei der Gasrechnung kann es uns jetzt nicht so hart treffen wie eine Sechs-Mann-WG, wo dann plötzlich 2.000 bis 4.000 Euro nachgezahlt werden müssen.

Außerdem habe ich eine Werkstudentenstelle, bei der ich 60 Prozent des Vollzeitgehalts verdiene und die Zusage habe, dort nach meinem Studium einzusteigen. Ich verstehe nicht, warum Leute wie ich jetzt 200 Euro bekommen. Es wäre doch viel sinnvoller, die Zahlung an das Bafög zu koppeln oder eine Art Notfall-Gas-Bafög einzuführen und dann den Leuten, die wirklich Hilfe brauchen, noch mal eine dicke Schippe mehr zu geben. Man könnte so viel mehr tun, zum Beispiel ein Mahnverbot oder ein Kündigungsverbot für Studierende verhängen. Das würde bedeuten, dass sie für einen gewissen Zeitraum nicht abgemahnt oder gekündigt werden können, falls sie ihre Gasrechnung oder Miete nicht zahlen.

Ich bin sehr pessimistisch, was die Zukunft angeht. Es gibt in der Krisenbewältigung – sei es die Klimakrise, der Ukraine-Krieg oder die Pandemie – keine langfristige Perspektive. Aus meiner Sicht kann man da mittlerweile von einer systematischen Zerstörung unserer Zukunft sprechen. Letztens habe ich darüber nachgedacht, wofür ich überhaupt studiere. Denn wenn es so weitergeht, gibt es den Laden hier vielleicht noch 20, 30 Jahre. Vielleicht auch 40.

Bewertung: 3/5 (4 Stimmen)

Weitere Artikel zum Thema Geld sparen