Aufgaben im Assessment-Center: Wie der Ochse vorm Postkorb

Autor*innen
Kay Szantyr
Große bunte Kreise sind mit Linien zu einem Netzwerk verbunden. Auf den Kreisen befinden sich jeweils Geschäftsleute, die verschiedene Tätigkeiten ausüben.

Jedes Unternehmen entwirft eigene Einstellungstests für seine Assessment-Center, um die Fähigkeiten abzuprüfen, die für die jeweiligen Stellen wichtig sind. Einige Aufgaben kommen aber in ähnlicher Form immer wieder vor. Sie testen vor allem, wie du dich in einem Team verhältst, ob du gut präsentieren kannst, und wie es um deine Organisationsfähigkeit bestellt ist. 

Einige der häufigsten Assessment-Center Aufgaben und Übungen lernst du hier kennen – und was die Personaler aus deinem Verhalten lesen wollen. Das Gute ist: Du kannst jede dieser Situationen mit Freunden üben und vorbereiten, um entspannter ins Assessment-Center (AC) zu gehen.

Drei Beispiele für AC-Aufgaben zum Vorbereiten

Beispiel 1: Postkorb-Übung – Aufgaben und Tätigkeiten richtig priorisieren

Der Klassiker unter den Assessment Center-Aufgaben ist die Postkorbübung. Du erhältst eine Liste mit Aufgaben, eine Einschätzung, wie lang jede Tätigkeit dauern wird, und ein "Zeit-Budget". Nun sollst du diese Aufgaben nach Wichtigkeit priorisieren. Der Zeitrahmen ist dabei bewusst so knapp gesetzt, dass du nicht alle Punkte schaffen kannst. Teilweise sind auch private Verpflichtungen auf der Liste, was die Priorisierung zusätzlich erschwert.

Bei dieser Übung will der Arbeitgeber sehen, ob du in der Lage bist, die Punkte in ihrer Wichtigkeit richtig einzuschätzen und deine Einschätzung gut zu begründen. Dabei sollen deine Fähigkeit, zu strukturieren und zu delegieren, sowie deine Stressresistenz überprüft werden. Ebenso testest diese Assessment-Center Übung deine Realitätsnähe: Wenn du die Beerdigung deiner Großmutter mit "Prio 6" direkt unterhalb des Sortierens deiner Büroklammern einstufst, wird jeder Personaler das als weltfremd beurteilen. Du wirst schließlich immer ein Leben neben dem Job haben.

Beispiel 2: Rollenspiele: Situationen und Gespräche simulieren

Nein, du wirst als Bewerber nicht Bombudir, der Gnom aus dem Feenland, sein. Stattdessen darfst du bei dieser Assessment Center-Aufgabe in die Rolle des Personalverantwortlichen hineinschlüpfen, der einem Mitarbeiter eine Verwarnung oder Kündigung mitteilt. Oder du musst als Vertriebler einen schwierigen Kunden überzeugen. Nach einer kurzen Vorbereitungszeit wirst du diese Gesprächssituationen gemeinsam mit einem Mitbewerber simulieren.

Die Kunst der Nicht-Verstellung

Wichtig: Nur deine Position im Rollenspiel ist eine andere (weil du plötzlich Chef bist) – du bleibst aber du selbst! Sehr leicht verfällt man in Stereotypen wie "strenger Chef", "mitfühlender Chef" oder auch "Büromonster", die man aus dem Fernsehen kennt. Versuch, so zu agieren, wie es deinem tatsächlichen Charakter entspricht. Spiel, entgegen dem Namen der Übung, gerade keine Rolle.

Gesprächsführung im Rollenspiel

Du bist der Chef und wirst deinem Mitarbeiter kündigen. Das ist die Vorgabe der Übung. Es ist verführerisch, umgehend auf dieses Thema zu sprechen zu kommen – dann hat man es rascher hinter sich. Aber würdest du in Wirklichkeit auch so handeln? Auch im Rollenspiel sollte der normale Gesprächsverlauf aufrechterhalten werden. Für die Rollenspiellübung bedeutet das: Du begrüßt freundlich, fragst nach dem Befinden, vielleicht nach Frau und Kindern, bietest etwas zu trinken an.

Lass zu, dass sich ein wirkliches Gespräch entwickelt. Beantworte Fragen deines Gegenübers, auch wenn sie vom Thema wegführen, und versuche, ihn vorsichtig wieder "auf Spur" zu bringen. Stelle selbst Fragen – das ist ohnehin die beste Möglichkeit, ein Gespräch in die gewünschte Richtung zu lenken. Hör zu, unterbrich nicht, nimm die Antwort in deine Argumentation auf. Natürlich sind das alles Selbstverständlichkeiten – im normalen Gespräch und im Rollenspiel. In der Stresssituation Assessment-Center vergessen Bewerber sie aber allzu leicht.

Beispiel 3: Gruppendiskussion als Gruppenübung

Ein Thema, eine Gruppe von fünf bis zwölf Bewerbern, eine halbe Stunde – dieses Beispiel für eine Aufgabe im Assessment-Center klingt erst einmal recht leicht. Jedoch kann diese schwer werden, wenn die Diskutanten sich als Konkurrenten sehen und die Nervosität für den einen oder anderen Missgriff im Ton sorgt. Hier zeigt sich für die Assessoren dein Verhalten im Team. Bist du eher der Typ, der andere durch eine große Anzahl logischer Argumente zu überzeugen versucht? Hörst du dir die Argumente der anderen an und versuchst anschließend, die Harmonie durch den einen Kompromissvorschlag wiederherzustellen? Agierst du als Diskussionsleiter, der das Gespräch koordiniert, aber nicht inhaltlich eingreift?

Wer nimmt welche Rolle ein?

In manchen AC-Übungen wird gefordert, vor der Diskussion die Rollen zu verteilen. In anderen wird nichts dazu gesagt, aber erwartet, dass die Teilnehmer dieses Problem selbst lösen. Keine dieser Positionen ist an sich schlecht, sofern sie nicht zu einem zu dominanten oder zu passiven Verhalten führt. Aber verstelle dich nicht – das fällt den Personalern auf.

Was du in der Gruppendiskussion brauchst

Wichtig ist in jedem Fall: zuhören, die Meinung der anderen überdenken und vernünftige Gegenargumente finden. Oder einfach mal zugeben, dass der andere Recht hat – das beweist Charakterstärke. Vermeide, durch Lautstärke oder Aggression "überzeugen" zu wollen, persönlich zu beleidigen ("Das ist doch Schwachsinn") oder Kritik an den eigenen Argumenten von vorneherein vom Tisch zu wischen. Ebenso wenig solltest du dich ständig umstimmen lassen. Eine eigene Meinung zu haben und zu vertreten, ist in jedem Job wichtig.

Allgemeine Tipps fürs Assessment-Center

  • Bleib ruhig im Assessment-Center. Regel Nummer eins ist die wichtigste und gleichzeitig die schwierigste. In den Auswahlverfahren wird getestet, wie du mit Stress umgehst. Lieber einmal zu oft tief durchatmen und bis zehn zählen als vor lauter Übereifer Chaos im Postkorb zu produzieren.
  • Verstell dich nicht. Es kann nicht oft genug wiederholt werden: Versierte Personaler merken es.
  • Sei aktiv. Nicht übertrieben – aber lass dich durch deine Nervosität nicht bremsen. Engagement und Motivation sind immer wichtig.
  • Fühle dich nie unbeobachtet. Ob beim Kaffee mit den Mitbewerbern oder während du wartest – irgendwer achtet immer darauf, wie du dich verhältst.
  • Sei nett zu deinen Mitstreitern. Du erhältst den Job nicht leichter, wenn du unfair zu ihnen bist – im Gegenteil.
  • Frage vorher an. Eine freundliche Vorab-Anfrage kann Wunder wirken – oft erhältst du bereits im Vorfeld Infos, was dich für Übungen im AC erwarten.

Selbstpräsentation im Assessment-Center

Es gibt zwei Arten von Menschen: Die einen reden sehr gerne und den ganzen Tag über sich selbst, den anderen ist jede Form von Eigenlob extrem peinlich. Beide werden mit der Selbstpräsentation ihre Schwierigkeiten haben. In den fünf bis zehn Minuten, die dir zugestanden werden, sollst du locker über dich selbst sprechen – also über das, womit du dich am besten auskennst. Dabei musst du weder ein spannendes Leben erfinden noch dich selbst über den grünen Klee loben. 

Berichte über jobrelevante Erfahrungen, hebe deine Stärken hervor, erzähle ein bisschen aus deiner Lebensgeschichte und lasse deine Schwächen nonchalant unter den Tisch fallen. Wichtiger als der Inhalt – den kennen die Zuhörer bereits aus deinem Lebenslauf – sind eine saubere Struktur des Vortrags, deine Art der Präsentation und deine rhetorischen Fähigkeiten. Tipp eins: Wenn du die Möglichkeit bekommst, Flipcharts oder einen Projektor zu verwenden, nutze sie. Tipp zwei: Übe daheim. Die Selbstpräsentation wird bei beinahe jedem Assessment-Center als Einzelübung verlangt.

... und danach zur Kneipe um die Ecke

Das abendliche Bierchen mit den künftigen Trainee-Kollegen sorgt nach einem anstrengenden Tag für die dringend nötige Entspannung. Wenn der Kneipenbesuch allerdings durch das Unternehmen, bei dem du dich bewirbst, initiiert wurde, ist Vorsicht geboten. Das heißt nicht, dass du dich nicht amüsieren darfst. Im Gegenteil: Die Assessoren wollen wirklich sehen, ob sie einen lebenslustigen, kommunikativen Menschen vor sich haben oder ein Mauerblümchen, das am liebsten 20 Stunden am Tag am Rechner verbringt. Es herrscht auch kein absolutes Alkoholverbot. Den Vollrausch verschiebst du lieber auf einen Abend mit deinen Freunden. Vorsicht auch bei den Gesprächsthemen: Die Nervosität vor dem AC ist ein erlaubtes Thema – die Abscheu gegenüber einem der Personaler definitiv nicht. Du weißt schließlich nie, wer in deiner Umgebung zur Firma gehört und später über dein Lästern Bericht erstattet.

AC-Aufgaben geschafft! Und jetzt?

Du bist durch – ausgebrannt, mit leerem Hirn und nur noch einem Wunsch: nach Hause – und die vielen AC-Übungen schnellstmöglich vergessen. Wie sehr das Gefühl des Versagthabens nach einer Prüfung trügen kann, weißt du bereits aus der Uni. Dort allerdings kannst du dich zurücklehnen, bis Wochen oder Monate später die Ergebnisse kommen. Das Feedback zu deinem Auftritt im AC kommt wesentlich schneller: Manchmal klingelt bereits am nächsten Tag das Telefon. Vielleicht wirst du zu einem weiteren Gespräch eingeladen. Es kann auch sein, dass du eine Absage erhältst. Hake gleich nach, woran das im Einstellungstest lag – wenn du anrufst und in freundlichem Ton nachfragst, wo du in Sachen "Soft Skills" nicht überzeugt hast, erhältst du normalerweise gute Tipps, wo du an dir arbeiten kannst. Und dann: auf zum nächsten Assessment-Center.

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