Medizinerkarriere in USA: Bewerbung um eine Facharztstelle

Autor*innen
Jacob J. Clarenbach
Eine Hand kommt aus einem Laptopbildschirm und kritzelt auf einen Block.

Die Bewerbung um eine Facharztstelle in den USA folgt ganz bestimmten Regeln. Für IMGs gelten spezielle Auswahlkriterien.

"Residency positions" werden mit wenigen Ausnahmen immer zum 1. Juli eines Jahres besetzt. Die Bewerbungssaison beginnt am 1. Juli des Vorjahres und zieht sich hin bis zum "Match Day" im März.

Die zentrale Sammelstelle ERAS

Bewerbungen werden inzwischen fast nur noch elektronisch akzeptiert über den Electronic Residency Application Service (ERAS). Das ist eine zentrale Sammelstelle, an die man ab 1. Juli im Jahr vor dem Ausbildungsbeginn seine Bewerbungsunterlagen per Post schickt. ERAS scannt diese Unterlagen ein und legt dann eine virtuelle Bewerbungsmappe an. Der Kandidat ergänzt die Bewerbungsformulare online mit demografischen Daten, Anschreiben und Lebenslauf.
 
ERAS sammelt außerdem direkt von den zuständigen Institutionen Informationen über die Educational Commission for Foreign Medical Graduates (ECFMG)-Zertifizierung und die abgelegten "United States Medical Licensing Examinations" (USMLE), einschließlich der erzielten Noten und der Zahl der Fehlversuche, und fügt sie der Bewerbungsmappe bei. Der Kandidat wählt online die Programme aus, für die er sich bewerben will und schickt die Bewerbungen mit einem Mausklick ab. ERAS ist gebührenpflichtig und die Kosten steigen exponentiell mit der Anzahl der abgeschickten Bewerbungen. Man erreicht hier schnell vierstellige Beträge. Ab dem 1. September können die Residency-Programme die erhaltenen Bewerbungen dann herunterladen und interessante Kandidaten zu Bewerbungsgesprächen einladen.

First come, first served

Man kann sich zwar auch noch lange nach dem 1. September bewerben, doch viele Programme vergeben bereits in den ersten Septembertagen alle zur Verfügung stehenden Termine für Bewerbungsgespräche. Man sichert sich also die größten Chancen auf eine Einladung, wenn man alle Bewerbungen pünktlich und vollständig zum 1. September über ERAS abgeschickt hat. Das ECFMG-Zertifikat sollte daher idealerweise spätestens zu diesem Zeitpunkt vorhanden sein.
 
Eine Liste aller vom Accreditation Council for Graduate Medical Education (ACGME) akkreditierten "residency"-Programme, sortiert nach geographischen Regionen und Fachgebieten, findest du bei FREIDA Online. Dort gibt es auch spezifische Informationen zu jedem Programm wie Kontaktadresse, Gehaltsangaben, interne Bewerbungsdeadlines, die Namen des "program directors" und des "program coordinators".

Den Fuß in die Tür bekommen

Die Chancen von IMGs, eine" residency position" zu ergattern, hängen sehr stark vom Fachgebiet ab. Als einfache Faustregel gilt, dass die Chancen auf eine Stelle sich umgekehrt proportional zum langfristig zu erzielenden Einkommen verhalten. Schlecht bezahlte Fächer wie Pädiatrie, Psychiatrie, Innere Medizin und Allgemeinmedizin haben daher einen hohen Anteil an IMGs (teilweise über 50 Prozent).
 
In hochbezahlten Fächern wie Radiologie, Dermatologie, HNO, Neurochirurgie, Orthopädie und Ophthalmologie sind fast ausschließlich AMGs zu finden. Als IMG ist es extrem schwierig bis unmöglich, hier einen Fuß in die Tür zu kriegen. Unter den besonders renommierten Programmen gibt es in allen Fächern sogar einige, die grundsätzlich gar keine IMGs einstellen, auch wenn diese Strategie selten öffentlich zugegeben wird.
 
Die größte Hürde ist, eine Einladung zum Interview zu erhalten. Wer seine Einladung erst mal in der Tasche hat, muss jetzt vor allem mit einem guten persönlichen Eindruck punkten. Die meisten Residency-Programme erhalten pro Saison 1.000 bis 2.000 Bewerbungen für nur wenige Dutzend Stellen. Man sollte als IMG-Kandidat idealerweise rund zehn Interview-Einladungen anstreben und wenn möglich die meisten davon auch wahrnehmen. Das ist leider sehr zeitaufwendig und verursacht hohe Reisekosten.

Auswahlkriterien für IMGs

Um als IMG eines der begehrten Interviews zu erhalten, sind folgende Kriterien wichtig:

  • Die USMLE Scores: Viele Programme verlangen bestimmte Mindestnoten, um für ein Bewerbungsgespräch berücksichtigt zu werden. Diese Mindestnoten sind für IMGs meist höher als für AMGs und bewegen sich oft weit oberhalb des allgemeinen Durchschnitts. Schlechte oder auch durchschnittliche Noten sind meist ein K.O.-Kriterium.
  • US Clinical Experience: IMGs, die schon ein Praktikum an einem US-amerikanischen Krankenhaus absolviert haben, sind klar im Vorteil. Auch aus Sicht des Bewerbers macht ein Praktikum im Vorfeld Sinn. Wer in den USA seinen Facharzt machen will, sollte zumindest eine gewisse Ahnung haben, worauf er sich einlässt.
  • Research Experience: Als deutscher Bewerber kann man hier zum Beispiel mit seiner Doktorarbeit und mit eventuell vorhandenen Publikationen punkten.
  • US Letters of Recommendation: Zu jeder Bewerbung gehören Empfehlungsschreiben von hochrangigen Ärzten, mit denen man bei Praktika, Forschung oder ärztlicher Berufstätigkeit gearbeitet hat. Leider ist es meist so, dass Empfehlungen aus dem nicht-amerikanischen Ausland nur sehr wenig wert sind. Ein weiterer Grund, im Vorfeld in ein US-Krankenhaus hineinzuschnuppern. Nach einem Praktikum kann man immer einen letter of recommendation ("LOR") vom Oberarzt oder – noch besser – vom Abteilungs- oder Programmdirektor verlangen. Je wichtiger und bekannter der Verfasser umso besser. Ein solches Empfehlungsschreiben kann bei Bewerbungen ein entscheidender Trumpf sein.
  • Volunteer Work: Sicherlich der unwichtigste Punkt, aber ein Kandidat, der schon während des Studiums in Malawi eine Non-Profit-Organisation zur Bekämpfung des gemeinen Bandwurms gegründet hat, ist definitiv im Vorteil.

Die Interviews

Den Winter wird der Bewerber idealerweise mit vielen (selbstbezahlten) Flügen quer durchs Land auf dem Weg zu Bewerbungsgesprächen verbringen. Praktischerweise fallen zu dieser Jahreszeit besonders viele Flüge wegen Blizzards kurzfristig aus, so dass manchmal Flexibilität von beiden Seiten erforderlich ist.
 
Zum Interview sind für die Herren dunkler Anzug mit Krawatte und für die Damen Kostüme mit nicht zu kurzen Röcken oder Hosenanzüge Pflicht. Meist werden mehrere Kandidaten an einem Tag interviewt, es gibt fast immer eine Führung durchs Krankenhaus und manchmal auch Sandwiches, Kaffee, Kuchen oder ein einfaches Mittagessen. Manche Programme geben einem die Möglichkeit, mit aktuellen "residents" direkt und ungestört zu sprechen. So bekommst du wertvolle ungefilterte Informationen aus erster Hand.

Der Match Day

IMGs erhalten in manchen Fällen schon während der Bewerbungssaison ein konkretes Stellenangebot, ein sogenanntes "prematch offer". Die große Mehrheit der Bewerber erhält ihre Stelle jedoch über das kostenpflichtige National Residency Match Program (NRMP) am jährlich im März stattfindenden "Match Day". Jeder Bewerber erstellt eine persönliche Rangliste der besuchten Programme, und umgekehrt erstellt jedes Programm eine Rangliste der Kandidaten, die sich vorgestellt haben.
 
Alle diese Ranglisten werden USA-weit in einen zentralen Computer gefüttert und nach einem komplizierten Algorithmus miteinander abgeglichen. Der Algorithmus ist so ausgelegt, dass die Rangliste des Bewerbers im Zweifel Vorrang gegenüber den Ranglisten der Programme hat. Am Ende dieses Algorithmus entsteht im Idealfall ein "Match", das dem Bewerber eine Stelle an einem konkreten Krankenhaus verbindlich zuweist. Das Ergebnis des Matchverfahrens wird jedes Jahr am "Match Day" Mitte März um 12 Uhr mittags elektronisch bekanntgegeben. Wer eine im Matchverfahren zugewiesene Stelle ablehnt, begeht Vertragsbruch.

Das "Scramble"-Verfahren

Nach dem "Match Day" gibt es für alle leer ausgegangenen Kandidaten die Möglichkeit, im sogenannten "Scramble"-Verfahren mit viel Glück noch eine unbesetzte Stelle zu ergattern. Auf der Webseite des NRMP finden sich aktuelle Statistiken über die nationalen Match-Ergebnisse. Hier kann man unter anderem sehen, wie IMGs im Vergleich zu AMGs in den einzelnen Fächern bei der Stellensuche abschneiden.
 
Im Jahr 2011 erhielten 94 Prozent der Bewerber von US-amerikanischen Universitäten im Match eine Stelle. Hingegen waren nur 41 Prozent der IMGs mit nicht-amerikanischem Pass im Match erfolgreich. Mit circa 50 Prozent fiel die Erfolgsquote für IMGs amerikanischer Nationalität etwas besser aus. Circa 80 Prozent aller erfolgreichen Kandidaten wurden einem Programm zugewiesen, dass unter den ersten drei auf ihrer Match-Rangliste stand.
 
Für Mediziner-Paare gibt es übrigens die Möglichkeit, ein "couple match" anzustreben, das die Zuteilung in dieselbe geographische Region sicherstellt. Hierzu muss man weder verheiratet sein noch dasselbe Fachgebiet verfolgen.

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