Für den Worst Case vorsorgen: Berufsunfähigkeitsversicherung für Studenten

Autor*innen
Kay Szantyr
Gesicht, dessen obere Hälfte durch eine pinke Faust vor einem blauen Kreis ersetzt wurde.

Als Student macht man sich über vieles Sorgen: Wie gut wird mein Abschluss? Werde ich meinen Traumjob bekommen? Wie viel verdiene ich dann? Doch kaum jemand fragt sich: Und wenn ich morgen einen Unfall habe und nie zu arbeiten beginne? 

Gesunder Optimismus und die Liebe zum Risiko sind in vielen Bereichen von Vorteil. Wenn es allerdings darum geht, schon als Student deine berufliche und gesundheitliche Zukunft abzusichern, ist eine Berufsunfähigkeitsversicherung einen Gedanken wert. Das klingt erst mal seltsam, denn zu dem Zeitpunkt bist du weder in den Beruf eingestiegen, noch weißt du, wo du überhaupt arbeiten, geschweige denn, wie viel du verdienen wirst.

Worum geht es?

Wichtig ist zunächst zwischen Berufsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit zu unterscheiden.

  • Berufsunfähigkeit: Du bist aus gesundheitlichen Gründen, die aus einer Krankheit oder einer Verletzung stammen und ärztlich nachweisbar sind, voraussichtlich mindestens sechs Monate nicht in der Lage, deinen bisherigen Beruf auszuüben. Du kannst auch keine andere berufliche Aufgabe aufnehmen, die deinen bisherigen Lebensstandard erhalten würde.
  • Erwerbsunfähigkeit: Du kannst aus gesundheitlichen Gründen voraussichtlich mindestens drei Jahre lang keine dauernde Erwerbstätigkeit regelmäßig ausüben oder nicht mehr als nur geringfügige Einkünfte durch Erwerbstätigkeit erzielen. Als erwerbsunfähig gilt erst, wer wirklich gar nichts mehr arbeiten kann - und das kommt praktisch nie vor.

Und wie kann ich mich dagegen versichern?

  • Berufsunfähigkeitsversicherung (BUV) oder Selbständige Berufsunfähigkeitsversicherung (SBU): privatwirtschaftliche Versicherung, die eine Rente zahlt, wenn im zuletzt ausgeübten Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr gearbeitet werden kann.
  • Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (BUZ): BUV, die in Verbindung mit einer Lebens- oder ähnlichen Versicherung abgeschlossen wird und nur zusammen mit dieser wirksam ist.
  • Dienstunfähigkeitsversicherung: Klausel in der BUV, dass bei Verrentung eines Beamten nicht eigens nachgeprüft, sondern die Entscheidung des Dienstherrn akzeptiert wird.
  • Erwerbsunfähigkeitsversicherung (EUV): Versicherung, die erst zahlt, wenn der Versicherte wirklich erwerbsunfähig ist - also sehr selten.
  • Erwerbsminderungsrente: Das, was von der früheren staatlichen Berufsunfähigkeitsrente geblieben ist. Ähnliche Kriterien wie bei Erwerbsunfähigkeit. Bei drei- bis sechsstündiger Arbeitsfähigkeit pro Tag wird nur die Hälfte des ohnehin geringen Satzes ausgezahlt.
  • Unfallversicherung: Zahlt bei dauerhaften Gesundheitsschäden (Invalidität), die aus einem Unfall resultieren, einen Einmalbetrag.

Heute kerngesund, morgen erwerbs­unfähig

Du machst Sport, rauchst nicht und trinkst nur in Maßen Alkohol? Eigentlich dürftest du bis ins hohe Alter deinem Beruf nachgehen können. Doch eine Berufsunfähigkeit kann jeden treffen – auch junge Menschen: Immerhin sechs Prozent der Berufsunfähigen sind zwischen 20 und 35 Jahren alt. Insgesamt werden in Deutschland jährlich zwischen 200.000 und 300.000 Menschen berufsunfähig, 90 Prozent davon wegen einer Krankheit, zehn Prozent nach einem Unfall. Gerade, wer in jungen Jahren krank wird oder einen Unfall hat, fällt schnell durch das soziale Netz. Das sichert Berufsanfänger nämlich erst dann in Form der gesetzlichen Erwerbsminderungsrente, wenn sie in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre pflichtversichert waren und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit (60 Monate) erfüllt haben. Und auch nur dann, wenn sie voraussichtlich dauerhaft nicht arbeiten können. 

Unfall oder Erkrankung zu Beginn der Berufslaufbahn

Stell dir vor, du hast nur drei Monate nach deinem Uni-Abschluss einen Skiunfall und die ärztliche Prognose lautet ein Jahr Bettruhe. Danach wirst du fit und frisch in den Beruf starten können. Für dieses Jahr im Bett wirst du keine Erwerbsminderungsrente erhalten, denn zum einen hast du ja noch nicht eingezahlt, und zum anderen bist du lediglich temporär berufsunfähig. Nur, wer sich bereits als Student versichert hat, bekäme jetzt das Geld aus der BUV – selbst dann, wenn er wenige Stunden am Tag leichte Tätigkeiten ausüben könnte. Die BUV bezieht sich nämlich auf den vor der Krankheit ausgeübten Beruf. Um eine BU-Rente zu erhalten, reicht es meist aus, wenn man weniger als zu 50 Prozent seiner beruflichen Tätigkeit nachgehen kann. Je nach Bedingungswerk reicht daher eine "Krankschreibung" für sechs Monate aus, um diesen Punkt zu erfüllen und rückwirkend ab dem ersten Tag die BU-Rente zu erhalten. Die Erwerbsminderungsrente hingegen bekommst du nur in voller Höhe, wenn du nicht einmal mehr drei Stunden täglich einer Arbeit nachgehen kannst. 

Aber weshalb schon als Student versichern?

Auch ohne Leidenschaft für Risikosportarten empfiehlt sich der frühe Abschluss einer BUV. Um den Vertrag unterzeichnen zu dürfen, wirst du nämlich gründlich durchleuchtet: Bestehen Vorerkrankungen? Wie risikoreich ist der angestrebte Beruf? Konsumierst du "häufig oder gewohnheitsmäßig alkoholische Getränke? Wenn ja, wann, in welchem Umfang?" Außerdem musst du deine Ärzte nennen und diese von der Schweigepflicht entbinden – Lügen hilft dir also nichts. Was hat das nun mit deinem Studium zu tun? Ganz einfach: Je früher du dich diesem Fragemarathon stellst, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass dir die BUV verweigert wird – weil du schlicht noch gesünder bist. Die Wahrscheinlichkeit nach der Promotion mit 30 schon unter dem ein oder anderen "Alterszipperlein" zu leiden, ist eben größer als mit 22 im Bachelorstudium.

Übrigens hast du als Akademiker oft Glück, eine BUV bereits sehr günstig abschließen zu können. Vermutlich ist das Berufsrisiko eines Philosophen relativ gering. Aus diesem Grund sollten sich Akademiker allerdings auch über eine Dread-Disease-Versicherung als Alternative zur BUV informieren.

Welche BUV ist die richtige für mich?

Wie bei allen Versicherungen solltest du dich ausgiebig beraten lassen und die Vertragsklauseln genau studieren. Als Faustregel gilt, eine Verlängerung der Absicherung um fünf Jahre führt etwa zur einer Verdoppelung des Beitrags. Langer Schutz ist also teuer. Um die Höhe der Beiträge und der Rente genau zu berechnen, kannst du auch Online-Rechner nutzen. Jeder Anbieter hat andere Ausschlussregelungen. Nachfolgend findest du eine kleine Übersicht, wonach du auf jeden Fall fragen solltest:

  • Höhe der Rente zwischen 66 und 100 Prozent deines aktuellen beziehungsweise zu erwartenden Nettoeinkommens. Mit Studenten vereinbaren die Gesellschaften einen Pauschalbetrag bis zu 1.800 Euro ohne dafür einen Einkommensnachweis zu fordern.
  • Keine abstrakte Verweisung, um im Ernstfall nicht auf einen schlechteren Job "verwiesen" zu werden. Ein Job, der in sozialer Stellung, Art und Gehalt aber dem alten Job entspricht, ist zumutbar (sogenannte "konkrete Verweisung").
  • Vertragslaufzeit bis zum Altersrentenbeginn, also bis 65 Jahre oder noch besser bis 67, denn ein Eintritt in den "vorgezogenen Ruhestand" ist nur möglich, wenn man bei Eintritt der BU schon 35 Jahre Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt hat.
  • Prognosezeitraum von sechs Monaten. Das bedeutet, dass du mit einer auf sechs Monate prognostizierten Erkrankung bereits Geld erhältst. Finger weg von Versicherungen mit einem Prognosezeitraum von zwei oder drei Jahren!
  • Flexibilität, um später ohne erneute Gesundheitsprüfung in eine selbstständige Tätigkeit wechseln oder deine Lebensverhältnisse ändern zu können.
  • Weltweiter Versicherungsschutz.
  • Nachversicherungsgarantie, um die Rente bei außergewöhnlichen Situationen wie Heirat oder signifikanten Einkommenssteigerungen noch erhöhen zu können, und zwar um den zuvor festgelegten Prozentsatz (meist 100 bis 200 Prozent). Im Idealfall ist die Möglichkeit zur Erhöhung nicht an bestimmte Ereignisse geknüpft.
  • Inflationsschutz durch dynamische Erhöhung. Es existieren zwei Varianten der dynamischen Erhöhung: Zum einen besteht die Möglichkeit, die BU-Rente, aber auch die Beiträge vor Eintritt einer Berufsunfähigkeit zu erhöhen. Zum anderen kann man eine Steigerung der BU-Barrente nach Eintritt einer versicherten Berufsunfähigkeit vereinbaren. Informier dich in jedem Fall über die Vor- und Nachteile beider Varianten. 
  • Die Rücktrittsfrist sollte auf fünf Jahre begrenzt sein. Danach kann die Versicherung nicht mehr vom Vertrag zurücktreten, falls der Versicherte aus Versehen fehlerhafte Angaben bei seiner Krankheitsvita gemacht hat.
  • Bei Vorerkrankungen sollte man gleichzeitig mehrere Anträge stellen, dann kann man zwischen mehreren Angeboten wählen. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Anbietern sind oft beträchtlich.
  • Vorerkrankungen der letzten fünf oder zehn Jahre nie verschweigen. Wer bei der Antragsstellung keine wahrheitsgemäßen Angaben macht, wird bei Eintritt der Berufsunfähigkeit Probleme bekommen.
  • Keine Koppelung an andere Versicherung, wie die Lebens- oder Rentenversicherung, um den Risikoschutz nicht bei Kündigung der Altersvorsorge zu verlieren.

Lieber BUV statt BUZ

Die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (BUZ) ist eine Zusatzversicherung für den Fall der Berufsunfähigkeit, die an eine bestehende Lebens- oder Rentenversicherung gekoppelt ist. In Kombination mit einer Risikolebensversicherung (Leistung im Todesfall) ist sie bei manchen Anbietern preisgünstiger als eine BUV. Wird die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung mit einer Kapital bildenden Versicherung kombiniert, gibt es zwar am Ende des Vertrags das eingezahlte Geld plus Zinsen zurück, aber diese Form ist auch riskanter für dich: Über zwei Drittel der Lebensversicherungen werden vorzeitig beendet. Dann ist auch die BUZ weg. Natürlich kann man stattdessen eine neue BUV abschließen. Aber ob man mit 43 den strengen Gesundheitscheck noch so leicht besteht wie mit 23? Wohl kaum. Außerdem sind die Zinsen im Moment sehr niedrig.

Die Schwierigkeit der Job-Prognose

Im ersten Semester ist es unter Umständen schwierig, einen Versicherer zu finden. Ab dem vierten oder fünften Semester aber lohnt es sich, mit der Suche anzufangen. Dann kannst du bereits sagen, welcher Beruf später wahrscheinlich ist, und daher auch einschätzen, wie viel Geld du darin später ungefähr verdienen wirst. Ein Studiengangwechsel ist ebenso wie später ein Berufswechsel grundsätzlich kein Problem. Bei manchen Versicherungsgesellschaften muss dieser Wechsel gemeldet werden. Vergisst du das, bist du trotz Fortzahlung der Beiträge nur noch gegen Erwerbsunfähigkeit abgesichert - mit allen Problemen, die das mit sich bringen kann. Wenn du dem Versicherer die Änderungen mitteilst, wird der Tarif angepasst, und das ohne eine weitere Gesundheitsprüfung.

Und woher nehme ich das Geld für den Versicherungsbeitrag?

Da du als Student nicht viel Geld verdienst, wirst du auch bei Berufsunfähigkeit nicht viel bekommen – die meisten BUVs versichern bis 1.000 Euro monatliche Rente. Aufgestockt wird dann, sobald du deinen ersten Job antrittst. Der geringe Leistungsbetrag bedeutet aber immerhin auch, dass du nur recht geringe Beiträge zahlst, für eine monatliche Rente von 500 Euro musst du mit 20 bis 25 Euro monatlich rechnen. Außerdem nicht zu vergessen: Wenn du bisher eine Unfallversicherung hattest, dann kannst du die kündigen oder auf die notwendigen Leistungen reduzieren, schließlich deckt die BUV auch Unfallfolgen ab. Manche Versicherungsgesellschaften bieten auch speziell für Studenten so genannte technische einjährig kalkulierte Beiträge an, die dann bei etwa 10 bis 15 Euro liegen und jährlich ansteigen. 10 bis 25 Euro im Monat sollte es dir wert sein, beruhigt Snowboarden gehen zu können – auch nach dem Studium.

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