Erfahrungsbericht – Patentprüfer am Europäischen Patentamt: Arbeiten mit den heißen Themen

Autor*innen
Dr. Andreas Gärtner
Ein Mann sitzt mit Laptop auf dem Schoß auf einer riesigen Lupe. Im Hintergrund ein Fragezeichen.

Kontakt zu Erfindern hat Dr. Andreas Gärtner als Patentprüfer nur selten. Dafür aber ein internationales und familienfreundliches Arbeitsumfeld und einen Job am Puls der Forschung. 

Warum Patentprüfer am Europäischen Patentamt?

Meine Entscheidung für eine Karriere als Patentprüfer beim Europäischen Patentamt in München war keineswegs vorgezeichnet, sie hat sich vielmehr im Laufe meines Berufslebens entwickelt. Meine ersten Kontakte zum Patentwesen entstanden erst nach meiner Promotion. Bei einem führenden Halbleiterhersteller war ich als Produktentwickler an der Ausarbeitung mehrerer Patentanmeldungen beteiligt. Als besonders faszinierend empfand ich es dabei, über den Tellerrand der eigenen Entwicklungsarbeit hinauszusehen und mir einen Überblick über die Forschungstrends des gesamten technischen Feldes zu erarbeiten. Als Physiker mit breitgefächertem Interesse an naturwissenschaftlich-technischen Themen kam mir das sehr entgegen: Als Patentprüfer befasst man sich zwangsläufig mit den "heißen Themen" und Trends eines Forschungsfeldes. Mir gefiel die Aussicht, mich beruflich damit zu beschäftigen.

Daneben spielten natürlich weitere Aspekte eine Rolle für meinen Berufswechsel: die internationale Ausrichtung des Europäischen Patentamts, die Zusammenarbeit mit Kollegen aus verschiedenen europäischen Ländern, die Möglichkeiten der beruflichen Weiterentwicklung. Und nicht zuletzt spielten auch die familienfreundlichen Rahmenbedingungen eine Rolle (geregelte Arbeitszeiten, wenige Dienstreisen).

Welche Voraussetzungen werden gestellt?

Neben der fließenden Beherrschung der englischen, deutschen und französischen Sprache wird ein abgeschlossenes Studium einer technisch-naturwissenschaftlichen Disziplin vorausgesetzt. Berufliche Erfahrungen in der Industrie sind hilfreich und aus meiner persönlichen Erfahrung auch sehr empfehlenswert. Interesse an wissenschaftlich-technischer und an juristischer Literatur sollte man genauso mitbringen wie die Bereitschaft, sich mit patentrechtlichen Themen auseinanderzusetzen. Man sollte sich im Klaren darüber sein, dass die Tätigkeit zum ganz überwiegenden Teil am Computer stattfindet. Als Patentprüfer hat man selten Kontakt zum Erfinder – oder erfindet gar selbst etwas.

Wie sieht die Ausbildung aus?

Die Ausbildung als Patentprüfer läuft über zwei Jahre und erfolgt vollständig "inhouse" am eigenen Dienstort in München, Den Haag oder Berlin. Dem neuen Mitarbeiter steht während dieser Zeit ein persönlicher Coach des eigenen Direktorats mit Rat und Tat zur Seite. Mit ihm gemeinsam werden die ersten Anmeldungen bearbeitet. Er ist auch die Anlaufstelle für alle weiteren fachlichen und organisatorischen Fragen. Neben diesem "Learning-on-the-Job"-Programm absolviert der Neuling ein in mehrere Phasen unterteiltes Kursprogramm, die "Akademie". Während dessen Verlauf werden alle relevanten Themen vermittelt: das Patentverfahren, die Recherche und Sachprüfung, mündliche Verhandlungen sowie der Umgang mit den technischen Hilfsmitteln und Datenbanken. Eine formale Abschlussprüfung gibt es nicht.

Dieses Ausbildungsprogramm gefiel mir sehr gut, da die Kombination aus Akademie und Learning-on-the-Job einen schnellen und spannenden Einstieg erlaubt. Bereits während der einjährigen Probezeit hatte ich Produktivitätsziele zu erreichen. Daher ist eine effiziente Arbeitsweise von Anfang an besonders wichtig.

Wie sieht der Alltag eines Patentprüfers aus?

Die Aufgabe eines Patentprüfers beim Europäischen Patentamt besteht in der zweistufigen Beurteilung von Patentanmeldungen: das Erteilungsverfahren ist in Recherche und Sachprüfung unterteilt.

Die Herausforderung der Recherchearbeit besteht darin, aus der Fülle sämtlicher Veröffentlichungen die relevantesten zu ermitteln und davon ausgehend die Anmeldung in einem Recherchenbericht zu beurteilen. Man erhält so einen sehr guten Überblick über den aktuellen Stand der Technik, aber auch Hinweise auf künftige Produkte.

Während der zweiten Phase entscheiden drei Prüfer im Team, ob eine Anmeldung – mit oder ohne Änderungen – als Patent erteilt werden kann, oder ob sie zurückgewiesen werden muss. Diese Sachprüfung erfordert neben technischer und patentrechtlicher Kompetenz die Fähigkeit, schriftlich und mündlich mit dem Anmelder zu verhandeln.

Welche beruflichen Perspektiven hat ein Patentprüfer?

Dem Patentprüfer steht eine Reihe von beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten offen: neben der Patentprüfung kann er zusätzlich in den Bereichen der Klassifizierung, des Coachings neuer Mitarbeiter, oder als Leiter von Fortbildungskursen tätig werden. Eine befristete Tätigkeit in einer der Beschwerdekammern ist ebenfalls möglich. Die Teilnahme an Firmenbesuchen oder an internationalen Konferenzen zur Repräsentation des Patentamts kann mit zu den Aufgaben eines Patentprüfers gehören. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, die "European Qualifying Examination" (EQE) abzulegen. Diese ist eine der Voraussetzungen, um gegebenenfalls als Patentanwalt zu arbeiten.

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